Drei Teller von Karl-Emil Kuntz

Information

Karl-Emil Kuntz gehört mit seinen 59 Jahren und seiner langen Erfahrung als Chefkoch der „Krone“ in Herxheim in der Pfalz schon zu den legendären Figuren des ersten deutschen Küchenwunders in den späten 1970er und 80er Jahren. Man scheint ihn zu kennen, er hat seinen festen Platz und Bewertungen in den Führern, die wie in Beton gegossen wirken. Hat er sich nie verändert? Nie entwickelt? Ist seine Qualität immer die gleiche geblieben? Natürlich nicht. Er ist immer besser geworden und hat seine Gerichte bis ins letzte Detail optimiert. Während die Führer auf solche Entwicklungen bei alteingesessenen Spitzenköchen kaum jemals reagieren, hat die Abstimmung „mit den Füßen“ ein klares Resultat gebracht. Mit ihrem Gourmetrestaurant, der hervorragenden „Pfälzer Stube“ (Regionalküche) und den diversen Nebenräumen gehört die „Krone“ zu den erfolgreichsten Gourmetrestaurants des Landes.

Hier ein Blick auf einige herausragende Gerichte aus dem Programm des Hauses, die exemplarisch zeigen, auf welchem Niveau hier mittlerweile gearbeitet wird und warum es sehr viel Sinn macht, Küche und vor allem auch die großzügig angelegte Gastronomie in der „Krone“ immer wieder zu besuchen.

Degustation
Im À-la-Carte-Programm der „Pfälzer Stube“ findet sich eine „bei Niedrigtemperatur geschmorte Rinderroulade mit Gurkenfüllsel und Foie gras in kräftigem Burgundersößchen mit Karotten-Kartoffelstampf“.

Serviert wird eine dicke Scheibe der Roulade auf einem Bett von Kartoffelstampf mit einer gebratenen Scheibe Foie gras obenauf. Rundum gibt es den Jus, darin noch einige kleinere Elemente, besonders zwei Kugeln von konfiertem Apfel. Die Roulade im Kern hat einen hervorragend klassisch-traditionellen Geschmack und wirkt keineswegs modernistisch bearbeitet. Sie ist die schiere Steigerung der Roulade der bürgerlichen Küche, mit hervorragender Fleischqualität, hervorragender Garung und bester Abstimmung zwischen Füllung und Fleisch – also ein Gericht aus der Abteilung: „Man kann es vielleicht anders, aber nicht besser machen“. Von klassisch-französischer Denkweise zeugt die Idee, dieses klassisch-deutsche Objekt mit Foie gras zu begleiten, also einem typischen Element der Spitzenküche. Es klappt hier wie in Frankreich ganz ausgezeichnet. Mit guten Röstnoten und einer adäquaten Dicke und Garung (also nicht zu weich und schmelzend, sondern mit leicht festerem Kern) ergibt sich ein exzellenter Akkord ‚Roulade – Foie gras‘, der sowohl die Süffigkeit wie die Finesse der Kombination steigert. Die Sauce rundet mit viel Extrakt ab, von den Apfelkugeln kommt ein Hauch von Frische und Fruchtigkeit, der ein klein wenig an die beliebte Kombination von gebratenen Foie gras und Apfel erinnert.

Ebenfalls von der Karte der “Pfälzer Stube“ stammt das „Filet von Dorade Royal, kross auf der Haut gebraten, Risotto mit grünem Spargel, Cashewkerne und Beurre blanc“.

Das Thema hier ist eindeutig die Qualität der Beurre blanc. Karl-Emil Kuntz hat eine ganz entschiedene und sehr ausgereifte Vorstellung von gutem Geschmack. Die Beurre blanc soll danach mit einem gut schmeckenden Fett den Gaumen tapezieren, sich also mit nachhaltigem Geschmack eine Zeit lang im Mund halten, um einen Hintergrund für Fisch und Co. abzugeben. Fette aber lässt man nie allein und vor allem auch nicht dominant. Fette brauchen einen Ausgleich durch Säure, wie sie die Beurre blanc in verschiedenen Varianten bietet. Hier bei Kuntz ist sie in einem hervorragenden Zustand, scheint von jeder Schwere befreit und öffnet den Weg in eines der ganz großen, klassisch-französischen Geschmacksbilder. Mittlerweile präsentiert Kuntz seine Gerichte auch in einer wesentlich konzentrierteren Form, also nicht mehr mit ganz so vielen Elementen, wie das schon einmal früher der Fall war. Es ergibt sich eine Konzentration auf den Geschmack der Dorade mit ihren präzisen Röstnoten und jenem perfekten Doraden-Gesamtbild, das man nur bekommt, wenn Frische, Garung und Röstnoten präzise aufeinander abgestimmt sind. Der Fisch „landet“ sodann in einem extrem süffigen Hintergrund aus Beurre und Risotto, in dem die Spargelelemente so weit zurückgefahren sind, daß sie den Akkord nie beeinträchtigen, aber eben dezent vegetabil auffrischen können. Wer auch immer als (jüngerer) Koch über die wundersamen Wirkungen von Beurre blanc und Co. nachdenkt, sollte sie sich bei einem Meister vom Schlage des Karl-Emil Kuntz ansehen. Dann weiß man, wie es geht. Punkt.

Das ausgereifte Spiel mit einer Reihe von begleitenden Elementen gehört nach wie vor zu den schwierigen Dingen – selbst in den besten Küchen. Allzu leicht werden Elemente eingesetzt, die wenig Sinn machen, aber gut aussehen, und es ist fast immer die Optik, die letztlich den Ausschlag für das gibt, was in der Küche – manchmal im letzten Moment und eher spontan – auf den Teller gelegt wird. Von dieser Schwäche in der Struktur ihrer Kompositionen sind häufig auch klassisch orientierte Köche betroffen, was dazu geführt hat, dass man die Vermutung haben kann, sie hätten bestimmte Entwicklungen – vor allem bei der Sensorik – nicht mitbekommen. Bei Karl-Emil Kuntz nun kann man erleben, wie eine präzise Sensorik und ein klassischer Ansatz zusammen kommen und welche hervorragenden Qualitäten sich ergeben. Beim „Lammrücken, Schmelze von Ziegenkäse und Bärlauch, Texturen von Paprika und Kräuterpolenta“ fällt als erstes die Kruste auf, die hier durch eine erhebliche aromatische Frische und Präsenz bei gleichzeitiger dezenter Distanz zum Fleisch beeindruckt.

Es gibt viele krosse Krusten (z.B. Parmesankrusten), die den Geschmack des Fleisches bei weitem nicht begleiten, sondern ihn durch texturelle Überlagerungen beeinträchtigen. Das ist hier nicht der Fall, im Gegenteil. Mit der leichten Säure gewinnt das Fleisch an Präsenz, der Bärlauch ersetzt den traditionellen Knoblauch, und ein Hauch von Textur schafft ein gutes Mundgefühl. Bei den Beilagen ist keinerlei Leerlauf zu finden. Es gibt bestens abgestimmte Elemente in meist speziellen Zubereitungen (wie etwa die gefüllte, kleine Paprikaschote). Die wirklich krosse Textur ist auf einen Brotchip „ausgelagert“ und es entsteht insgesamt ein feinstens ineinander greifendes, produktnahes Bild, das trotz der „mediterranen“ Zutaten keineswegs in banale Klischees verfällt. Wie immer bei Kuntz kann man seine Gerichte in jeder Reihenfolge und in jeder Kombination essen, ohne jemals das Gefühl zu haben, nicht mitten in seinem Geschmacksbild zu sein. Und das kommt hier vor allem von einer Optimierung der Produkte und weniger von einem klassischen Salz-,Pfeffer- und Fond-Vorhang. Auch dieses Gericht zeigt, was klassisch fundierte Küche leistet und kann jederzeit als Referenz dienen.

Diskussion
Köche wie Karl-Emil Kuntz sind nicht Teil der aktuellen Diskussion, und schon gar nicht bei den jüngeren Köchen, die sich heute über die internationalen Kommunikationswege weltweit orientieren. Dabei entsteht bisweilen der Eindruck, als ob traditioneller orientierte Küchen so etwas wie eine historische Erscheinung wären – klassischer Musik vergleichbar, zum Beispiel. Dem muss in der Kochkunst widersprochen werden. Natürlich gibt es Küchenstile/Kochstile, die starke zeittypische Elemente haben – z.B. die dekorierten Servierplatten, die die Vor-Nouvelle-Cuisine-Zeiten noch stark dominiert haben. Man darf aber nie vergessen, dass die Kochkunst eine Art kontinuierliche Achse hat, einen Kern an Qualitäten, der immer bleibt und im Laufe der Zeiten durch kreative Köche oder Moden oder Stile unterschiedliche Ausprägungen annimmt. Die Produktqualität, die Garungen, die Qualität von Saucen und anderen Zubereitungen, die sensorische Struktur usw. usf.: All das geht durch die Zeiten und veraltet nie. Klassische Qualitäten kann man auch den aktuellsten Kreativen zuschreiben – auch wenn sie sich dort nicht überall findet. Finesse, Balance der Aromen und Texturen und Temperaturen, Originalität und Individualität sind immer ein Wert gewesen und werden es auch in Zukunft sein. Von Meistern wie Karl-Emil Kuntz kann man jederzeit Dinge lernen, ganz aktuell zum Beispiel für Gerichte, die mit klassischen Zitaten arbeiten und sie mit avantgardistischen Elementen kombinieren – wie das z.B. Sebastian Frank im „Horvath“ oft realisiert.

Die „alten“ Meister haben es oft faustdick hinter den Ohren. Sie können einfach enorm viel und haben nicht zuletzt mit ihrer gastronomischen Erfahrung und jahrzehntelangem Erfolg etwas zu bieten, das man immer ganz genau studieren sollte.

2 Gedanken zu „Drei Teller von Karl-Emil Kuntz“

  1. Karl-Emil Kuntz und die Kronen-Kueche habe sich in den letzten 30/35 Jahren permanent und auf hoechstem Niveau weiterentwickelt und geschmacklich optimiert. ‚Die Krone‘ ist weit und breit konkurrenzlos – sowohl die Pfaelzer Stube als auch das Gourmet-Restaurant.
    Als Stammgast der letzten 40 Jahre freue ich mich jedes mal auf mein geschmacklich herausragendes Gericht und den familiaer-professionellen und dennoch unaufdringlichen Service.

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