Eine wirklich schöne Geschichte.

NoninosIm November des Jahres 1991 bin ich, zusammen mit meinem Geschäftspartner und Cousin Ralf Borkowsky, nach Mailand geflogen, um dort eine ganz besondere Messe zu besuchen. Diese Messe hieß EXPO VIP. Die Aussteller dieser Messe waren ausschließlich Produzenten und Händler der feinsten und edelsten Lebensmittel und Getränke dieses Planeten. Neben Hummer, Austern, Kaviar und Trüffel wurden dort auch die feinsten Weine und die besten Destillate und deren Produzenten vorgestellt. Eine Messe, die stark an das Schlaraffenland erinnerte. Man konnte für diese Messe keine Eintrittskarten kaufen, sondern musste von einem der Aussteller eingeladen werden, um diese wunderbare Messe betreten zu dürfen. Die Ausstattungen der Stände waren extrem elegant und oft sehr opulent. Einer der Stände war besonders beeindruckend. Der Teppichboden dieses Standes war schneeweiß und sehr hochflorig. In der Mitte des vielleicht 100 qm großen Standes stand ein altes englisches Ledersofa, welches vier oder fünf Meter lang war. Ansonsten waren auf diesem Stand nur ein paar kleine Sideboards und kleine Säulen arrangiert, auf denen sehr schöne Flaschen standen. Nicht viele, sondern gerade genug, um eine gewisse Regelmäßigkeit beobachten zu können. An der Stirnseite des Standes hing ein etwa zwei Mal drei Meter großes Foto. Auf diesem Foto waren fünf Menschen zu sehen. Hinten stand ein sympathisch aussehender Mittvierziger. Rechts von ihm eine wunderschöne Frau, vielleicht etwas jünger als er. Davor drei junge Mädchen, alle drei so um die zwanzig. Das Besondere an diesen drei jungen Frauen war, dass sie aussahen wie die Covergirls des Vogue Magazin. Sie waren einfach perfekt und viel zu schön für diese Welt.

Nonino Family_O Toscani_1989Zu den Flaschen, die auf dem Sideboard standen, gehörte auch eine Flasche, die ich sehr gut kannte. Es war eine Flasche „NoninoAmaro“. In dieser Zeit war es ziemlich modern, vor oder nach dem Essen einen „Amaro (Bitter)“ zu trinken. Meistens war es Ramazzotti oder Averna. Auch ich liebte diesen Ritus. Mir waren die beiden Marktführer aber immer zu süß und Fernet Branca oder Underberg war mir viel zu bitter. Irgendwie bin ich dann mal auf den „Amaro“ von Nonino gestoßen, und der hatte alles, was ich liebte. Ausreichend bitter, um die Geschmackssinne zu begeistern und genug Süße, um noch als Belohnung durchgehen zu können, aber auf keinen Fall vordergründige Süße. So wurde der Nonino„Bitter“ mein „Bitter“, und ich überredete die Wirte der Lokale, in denen ich verkehrte, diesen „Bitter“ ins Programm aufzunehmen. Nun stand dieser „Bitter“ auf einer Säule auf diesem wunderschönen Stand, auf dieser wunderbaren Messe. Grund genug für mich den Stand zu betreten, um nach der Möglichkeit des Imports dieses Produkts zu fragen.

Nachdem ich den Stand betreten hatte, merkte ich, dass die junge Frau, die sich nach meinem Begehren erkundigte, eine der drei Feen war, die auf dem großen Foto in der ersten Reihe standen. Sie stellte sich mit Antonella vor, und ich schwöre, sie war live genau so schön, wie auf dem Foto.

Hier ein kleiner Exkurs zu meiner persönlichen Einstellung zum Thema schöne Menschen.
Besonders schöne Menschen sind in der Regel nicht witzig, nicht spontan und nicht besonders freundlich, und wenn, dann meist ohne Herzenswärme. Warum auch? Durch ihre Schönheit fliegen ihnen die Herzen zu. Sie müssen nicht lustig sein, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Warum freundlich und warmherzig sein? Für jeden, den man durch Ignoranz oder Gefühlskühle gekränkt hat, stehen zehn weitere in der Schlange und warten, dass sie dran kommen. Normalerweise ist das so.

Nonino Sisters_Ageing Cellars_Riserva AnticaCuvéeHeute wurde ich eines Besseren belehrt. Alle drei Schwestern, also Antonella, Elisabetta und Cristina waren an diesem Tag am Stand, und was in den nächsten Stunden passierte, habe ich wirklich nicht erwartet. Nachdem ich die Geschichte des mir so lieben „Amaro“ erzählt hatte, fragte Antonella mich, ob ich überhaupt wüsste, was Nonino ist. Ich antwortete wahrheitsgemäß mit Nein. Okay, sagte Antonella. Hier ist Handlungsbedarf. Sie stellte mich ihrem Vater Bennito und ihre Mutter Giannola vor. Bennito war ein ebenso charismatischer wie empathischer Kämpfer für das gute Produkt, und er fühlte sich berufen, uns in die hohen Weihen der Grappa Destillation einzuweihen. Zuerst erklärte er uns, dass der „Amaro“ ein nettes Produkt für eine bestimmte Käufergruppe sei und dass es auf dem Markt wohl keinen besseren „Amaro“ gäbe, aber gegen das, was ein wirklich guter Grappa oder ein UE (Traubenbrand) imstande zu leisten ist, sei ein „Amaro“ doch eher Kindergeburtstag. Nach dieser Einleitung luden uns die drei Töchter und die Eltern ein auf dem großen Sofa platz zu nehmen, und es begann ein fast vier Stunden langer Vortrag mit reichlichen Verkostungen, an diesem wunderbaren Novembertag auf der EXPO VIP in Mailand. Vier Stunden in denen gelernt, gelacht, gefeiert und der Grundstein für eine lang anhaltende freundschaftliche Beziehung gelegt wurde. In denen aber auch der Charakter der wunderschönen Frauen dieser Familie offenbart wurde. Ich hatte es damals schon geahnt, und heute bin ich mir ganz sicher: Diese Frauen sind trotz ihrer gottgegebenen Schönheit witzig, freundlich, fleißig und bis in die Haarspitzen motiviert. Kein Vergleich mit den Schönheiten, mit denen ich sonst so zu tun hatte und habe.

Noch heute, fast 25 Jahre später, trinke ich den „Amaro“ von Nonino. Mir schmeckt er immer noch, aber er ist auch ein Anker für diese wunderbaren Erinnerungen, die dieser Tag hinterlassen hatte. In den 20 Jahren, nach diesem Treffen, erlebte der Grappa einen unglaublichen Boom, und wenn alle Grappa Produzenten so sorgfältig und liebevoll arbeiten würden, wie es die Noninos damals getan haben und es heute noch tun, wäre dieser Boom vermutlich nie abgebrochen. Leider hat eine Vielzahl von schlechten Produzenten versucht an diesem Boom zu profitieren und mit einer Menge fürchterlicher Brühe zu spottbilligen Preisen den Markt überschwemmt. So, dass der Grappa sich zu guter Letzt das Image eines Schüttelbrandes angeeignet hatte. Heute unterscheidet man wieder etwas genauer zwischen dem billigen Zeug und den Premiumbränden à la Nonino, der für mich das Maß aller Dinge ist und bleibt.

1 Gedanke zu „Eine wirklich schöne Geschichte.“

  1. Wenn ich einmal was gutes gegessen oder getrunken habe bleibe ich dabei. Auch wenn es teurer wird. Ich weiß Qualität hat seinen Preis. Ich achte gerade bei Lebensmitteln sehr darauf.

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