Kochlegende Heinz Winkler attackiert TV-Küche

In einem Gastkommentar im neuen „Der Große Guide“ kritisiert Heinz Winkler („Residenz Heinz Winkler“, Aschau) vehement die Arbeit von TV-Köchen und die Auswirkungen der Social Media für den Beruf des professionellen Kochs.

Winkler kritisiert:
• dass das Bild des Kochhandwerks in der Gesellschaft ist durch TV und Social Media in eine Schieflage geraten ist
• dass Selbstdarstellung zum Gebot der Stunde geworden ist
• dass vor allem bei jungen Menschen der Eindruck entsteht, ein Koch müsse den Gästen vor allem eine gehörige Portion Entertainment bieten
• dass kein Spitzenkoch mit den in den Sendungen vorgestellten Gerichten einen Blumentopf gewinnen könnte, weil sie für Laien gemacht sind
• dass das falsche Bild entsteht, man könne auch ohne langjährige Erfahrung mit den Produkten und ohne Leidenschaft gut kochen
• dass durch diese Darstellung die Wertschätzung des Kochberufs und der damit verbundenen Leistungen heruntergespielt wird
• dass durch die falsche Darstellung der Realität des Kochberufs die Auszubildenden mit falschen Vorstellungen an den Beruf herangehen
• dass dies ein wichtiger Grund für den Fachkräftemangel in der Gastronomie ist

Ein kleiner Blick auf ein paar Aspekte in Heinz Winklers Ausbildung
Auch wenn Heinz Winklers Kritik sofort klar und einleuchtend ist, lohnt doch ein Blick auf seine eigenen Grundlagen, seine Ausbildung und die Art und Weise, mit welcher Energie er an seinen Beruf herangegangen ist. Dazu auch noch ein kleiner Hinweis auf einen Zusammenhang, den die meisten Leute gar nicht kennen.
Winkler hat seine Ausbildung mit 14 Jahren begonnen und musste von morgens bis abends quasi ohne Unterbrechung hart arbeiten. In den diversen Brigaden großer Hotels im alpinen Raum gab es damals noch Aufgaben wie riesige Schaustücke zu formen, zum Beispiel Adler mit ausgebreiteten Schwingen auf einer Bergspitze, oder komplett ausdekorierte Platten, für die ein aus heutiger Sicht sagenhafter Aufwand betrieben wurde.
Das Interesse an der neuen Küche der 1960er und 1970er Jahre mussten junge Köche wie Winkler teuer bezahlen. Buchstäblich jeder Pfennig wurde in Restaurantbesuche und Reisen in klapprigen Autos investiert – nur um sich das Essen bei den französischen Großmeistern leisten zu können. Hotelübernachtungen fielen da mangels Geld regelmäßig aus. Oft kam man erst morgens zum Arbeitsbeginn von einem Restauranttrip zurück. Das Erlernen der Arbeitsweise der Spitzenküche fand zudem weitgehend ohne Medien statt. Es gab nur wenige gute Bücher, die aber oft zu teuer waren. Das A und O wurden so Notizbücher und die geradezu manische Suche nach immer neuen Informationen.
Heinz Winkler hat auf diese Weise handwerkliche Fertigkeiten entwickelt, die für heutige Verhältnisse unvorstellbar groß sind. Das hatte Folgen. Winkler arbeitete zwar nur ein Jahr bei Paul Bocuse, wurde aber schnell zu so etwas wie seiner rechten Hand für Deutschland. Ein großer Teil der Rezepturen, mit denen Bocuse in Deutschland zu einem Superstar und zum Inbegriff der französischen Spitzenküche wurde, stammen aus der Hand von Heinz Winkler. Wer sich etwas in den Küchenstilen auskennt, kann das leicht nachvollziehen. Dass ein solcher Koch für die aktuellen Theateraufführungen mit Küchengeräten, auf die sich viele Sendungen reduzieren lassen, wenig übrig hat, ist verständlich. Zusätzlich muss man aber auch noch immer wieder darauf hinweisen, dass die auf vier Personen heruntergebrochenen Rezepte vieler Spitzenköche etwas sind, das häufig irreale Ergebnisse bringt. Es macht einfach einen Unterschied, ob man immer mit kleinen Mengen arbeitet, oder ob man wesentlich größere Mengen und wesentlich andere Küchenabläufe gewohnt ist.

Das Problem ist die mangelnde Ausgewogenheit: Kochsendungen sind oft Fake News
Winkler verweist an einer Stelle auch darauf, dass die „Mechanismen der Medien“ nur für ganz bestimmte Arten von Kochsendungen sorgen. Man könnte noch ergänzen, dass längst eine Spirale ins Nirgendwo der Unterhaltung losgetreten wurde, eine Spirale, die nach immer mehr Sensationen verlangt. Das Kernproblem ist der Mangel an Ausgewogenheit. Es ist den Sendern vor allem vorzuwerfen, dass sie ihrer Informationspflicht nicht nachkommen, sondern sich auf völlig einseitig populistische Formate beschränken. Und – es geht nicht nur um ein ausgewogenes kulinarisches Spektrum und das Bewahren (oder überhaupt erst Aufbauen) eines kulinarischen Qualitätsbewusstseins. Es muss auch klar werden, wo oben und wo nicht oben ist. Dass sich z.B. Schuhbeck als Gewürzpapst inszenieren konnte, ist angesichts eines so großen Kenners wie Ingo Holland eine glatte Farce.
Die Medien haben ein großes Wissensgebiet, das von enormer Bedeutung für unsere kulturelle Entwicklung ist, zu Firlefanz verkommen lassen. Und das gilt auch oft genug für die Sendungen, in denen sie sich scheinbar seriös geben, sich tatsächlich aber nur wieder im Bereich ihrer eigenen, meist eher trivialen Vorlieben bewegen. Auf diese Weise torpedieren sie eben auch längst jeden Fortschritt.

© Fotos: Heinz Winkler

5 Gedanken zu „Kochlegende Heinz Winkler attackiert TV-Küche“

  1. Dr. Wiedemann verweist auf das Produkt und seine Qualität. Genau hier sehe auch ich das Problem. In Deutschland steht zu oft der Preis im Vordergrund. Gute und sehr gute Produkte zu bekommen, ist dagegen nicht einfach.

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  2. Danke für die Zusammenfassung – die mich aber fast aus derselbigen bringt. Ich schätze Herrn Winkler und sein Handwerk sehr (auch wenn mich sein Sommelier schon mal ziemlich abgezockt hat). Seine Küche ist besonders und er hat sich einen Stil erarbeitet, der gerne von anderen Köchen kopiert wird. Ohne Zweifel, wenn man über die großen Köche in Deutschland sprechen möchte, gehört er dazu. Vor allem weil er – nicht ohne Risiko – sich über Jahre hinweg erhalten und in seine Selbstständigkeit massiv investiert hat. Von daher kann ich seine Kritik verstehen – aber nur bedingt nachvollziehen. Ja, TV und Internet, veränderten die Wahrnehmung von Essen und Kochen in den letzten Jahren. Aber ist dies nicht eher gut, wenn eine neue Generation sich „ihre“ Zugänge zum Thema Essen zugänglich macht? Ist es nicht eher positiv, wenn die Online-Generation für sich das Thema Essen erschließt? Und ist es nicht eher positiv, wenn Essen und (halbwegs) gutes Essen im TV präsentiert wird? Notfalls sogar als Entertainment – das Bewusstsein bzgl. Essen wird trotzdem geschärft. Die Generation Y + Z – gehen viel bewusster mit dem Thema um, als das z.B. die 68er getan haben – Bewegungen wie Slow Food, Trends in Richtung Vegan und Vegetarisch – zeigen doch, dass sich viel bewegt. Da ist mir die Kritik von Winkler etwas zu „gestern“. In meinen Augen müssten gerade Köche wie Winkler an Rezepten und Möglichkeiten arbeiten die neue Generation für sehr gutes Essen zu begeistern – und da muss man eben auch auf den Kanälen unterwegs sein, die diese Generation nutzt. Nur klagen – über die bösen Blogger und Social Media – hilft nicht. Klar – Schnorrer-Blogger gehen eigentlich jedem Koch auf den Keks – aber in den Zeiten des allgegenwärtigen Netzes muss man eben dagegenhalten – oder: Aushalten. Man ändert nur etwas durch „machen“ – und durch „vorleben“. Bestes Beispiel: Ingo Holland – jeder Koch der etwas auf sich hält, entdeckt Holland früher oder später für sich – und hat für Schubecks Massengewürze nur ein müdes Lächeln übrig. Und wie: In dem sich Köche in ihren Online-Netzwerken über Gewürze austauschen – und da wird auch Facebook und Co. genutzt.
    Lieber Herr Dollase – Danke für Ihre Arbeit!

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  3. Sehr geehrter Herr Dollase!

    Sie haben dieses Thema exakt beschrieben und es genau auf den richtigen Punkt gebracht!

    Vielen Dank dafür

    Grüße HHORBRTH

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  4. Mich würde interessieren, ob Herr Winkler in seiner sicherlich berechtigten und fundierten Kritik auch Unterschiede zwischen eher lauten Shows wie „Kochduell“ und eher intelligenten wie „Kitchen Impossible“ oder „The Taste“ macht. Vor allem aber: Horst Lichter, bitte melden!

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  5. Im Vergleich zu Koch-Shows aus Japan, Italien oder Frankreich fällt auf, dass dort stets das Produkt im Mittelpunkt steht. In Deutschland hingegen steht die Zubereitung als technischer Vorgang im Fokus. Das Produkt ist keiner besonderen Erwähnung wert. Den Deutschen wird damit suggeriert, man müsse nur bestimmte Techniken beherrschen und Geräte besitzen, und schon ließen sich die herrlichsten Gaumenkitzel produzieren. Dass das in aller Regel nicht funktionieren kann, fällt den Meisten nie auf, da sie ja die wirklich hervorragenden Produkte mangels Informationen nie kennenlernen werden. Schöne Beispiele sind der „Weber-Grill“ und das „Sous-Vide-Garen“.

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