Kollektion politisch nicht ganz so korrekter Weine (die man trotzdem immer wieder so erstaunlich gerne trinkt).

Folge 2: Zwei gute Erlebnisse mit Lidl-Weinen

Als Beobachter der Szene habe ich natürlich auch immer ein Auge auf das Weinangebot der Discounter. Es wäre sicher leicht, mal wieder z.B. über das Geschäft mit dem „Namedropping“ zu schreiben, also den vielen Grand Crus oder Cru Classés, die diese Bezeichnung noch tragen dürfen, sie aber längst nicht mehr verdienen. Ich möchte heute ganz im Gegenteil über zwei positive Erlebnisse berichten, die allerdings in gewisser Weise ebenfalls typisch für das System sind. Es handelt sich um zwei Weine mit einem ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnis. Den einen kann man mit etwas Glück noch bekommen, den anderen wohl nicht mehr. Ich beschreibe den „Fall“ trotzdem, weil er sich jederzeit wiederholen kann.

AmaroneErstens: Ein Amarone della Valpolicella Classico, Jahrgänge 2011, 2012, 2013
Die Amarone-Weine sind mittlerweile überall zu finden, weil sie im Vergleich zum Preis recht häufig einen intensiven Geschmack haben. Dass zwischen einem großen Amarone und den vielen nicht so großen Welten liegen können, brauche ich vielleicht nicht eigens zu erwähnen. Schlechte können so sein, dass man überhaupt nichts von dem „Trockenbeerencharakter“ eines Amarone schmeckt, sondern einfach einen banalen, oft krumm und schief schmeckenden Rotwein vor sich hat. Wegen der so oder so aufwändigen Herstellung gehören Amarone und Co. zu den teuersten Weinen, die man bei Lidl direkt im Laden kaufen kann. Es ist oft zu erkennen, dass Weine in dieser Preisklasse nicht besonders gut verkauft werden. Der genannte Amarone kostete einmal 12,99 Euro, wurde dann aber in verschiedenen Filialen auch mit 9,99 Euro als Sonderangebot präsentiert.
Warum ich mich darum gekümmert habe, liegt an einem speziellen Effekt, den es bei Amarone-Weinen geben kann. Es gibt einen Punkt, in dem sich die Amarone-Typik mit der Typik eines „ganz normalen“ Rotweins trifft, in dem sozusagen ein Rotwein angereichert wird. Es kommt vor, dass schwächere Amarone-Weine diesen Punkt treffen und dann zwar kein besonders guter Amarone sind, aber ein sehr angenehmer Rotwein (etwa in Richtung eines guten Valpolicella oder Ripasso). Das ist hier der Fall, und zwar ganz explizit mit dem Jahrgang 2013, der wesentlich besser ist als 2011 und 2012 (was natürlich im Laden nicht differenziert wird). Vielleicht finden Sie noch irgendwo ein paar Flaschen…

Zweitens: Ein 2007er Sauternes AOC von Chateau Suduiraut
Zu einem recht frühen Zeitpunkt nach Aufnahme der gesteigerten Lidl-Wein-Aktivitäten fiel mir einmal ein Sauternes auf, und zwar wegen seiner recht reifen Farbe, die mir als großem Sauternes-Freund natürlich Einiges signalisiert. Ich hielt die Flasche, auf der nur „Sauternes“ stand, gegen das Licht und sah mir die Farbe noch einmal etwas genauer an. Sie war prächtig, komplex und voller Tiefe, also so, wie sich ein gut gereifter Sauternes zeigt (allerdings oft erst nach vielen Jahren). Die 2007 als Jahrgang hatte ich sofort bemerkt und wusste natürlich, dass es sich auch im Sauternais um ein schwaches Jahr handelte, in dem viele Chateaux keinen „großen Wein“ (also ihren Erstwein) herausgebracht hatten. Ich wusste auch, dass man in solchen Fällen, wo man den Chateaux-Namen wegen eines schwachen Jahrganges nicht „verbrauchen“ will, den Wein schon mal als einfachen Sauternes AOC herausbringt und vermutete sofort, dass dies vielleicht auch hier der Fall sein könnte. Und tatsächlich fand ich als Produzenten Chateaux Suduiraut, immerhin ein 1er Cru Classé der soliden, absolut erfreulichen Sauternes-Mittelklasse. Die Probe zu Hause bestätigte alles, was ich mir erhofft hatte. Ich hatte einen gut gereiften Sauternes im Glas, der in einer Blindverkostung möglicherweise genau in den Regionen landen würde, die er wegen der Schwäche des Jahrganges angeblich nicht repräsentierte. Vielleicht war die Süße ein klein wenig forciert, aber das Bild insgesamt machte einfach Spaß, vor allem angesichts von 12,99 Euro. Merke: Wenn ein schwacher, aber technisch gut gemachter Jahrgang gut reift, holt er einiges an Qualität wieder auf. Ich habe alles eingesammelt, was ich an Flaschen besorgen konnte und dann regelmäßig gute Freunde überrascht…

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