Lekker / Niederlande 2018

Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden ist der wichtigste Führer neben dem Michelin ein Führer im Zeitschriftenformat mit dem Titel „Lekker“. Anders als bei fast allen Restaurantführern produziert er für die ersten 100 Plätze ein eigenes Ranking. Die Beschreibung der insgesamt 500 besten Restaurants ist unterschiedlich lang und – sagen wir: nicht besonders analytisch, selten kritisch und kulinarisch eher von begrenzter Aussagefähigkeit. Man zählt meist die Elemente von Gerichten auf, bleibt in der stilistischen und qualitativen Einordnung der Restaurants aber meist unklar. Dafür wird gerne auch über den zum Essen getrunkene Wein berichtet. In der Sicht von „Lekker“ wird in den Niederlanden ganz hervorragend gekocht. Die Tendenz zu einer Art niederländischem Mainstream und der Mangel an wirklich kreativen Küchen wird üblicherweise nicht thematisiert.

In dem jährlich erscheinenden Heft nehmen die Beschreibungen der Restaurants etwa zwei Drittel des Heftes ein. Den Beginn machen diverse Texte im Stil eines eher normalen Food-Magazins. Durch den Verkauf im ganz normalen Zeitschriftenhandel und den begrenzten Preis erzielt „Lekker“ eine erhebliche Verbreitung und ein solides Interesse bei Köchen und Gourmets.

Die Ergebnisse des neuen Rankings zeigen an der Spitze seit Jahren wenig Bewegung. Nr. 1 ist in diesem Jahr wieder Kreativ-Star Jonnie Boer von „De Librije“ in Zwolle, gefolgt von Jannis Brevet vom „Inter Scaldes“ in Kruiningen. Auf 3 steht nun nach einem weiteren Aufstieg Onno Kokmeijer vom „Ciel Bleu“ im Okura-Hotel in Amsterdam. Es folgen „De Leest“ (zweites Drei-Sterne-Restaurant des Landes neben De Librije), das „FG Restaurant“ von Kreativkoch Francois Geurds in Rotterdam und auf Platz 6 nach einem großen Sprung um 15 Plätze schon das nach Amsterdam abgewanderte Zweitrestaurant von Jonnie Boer, „Librije’s Zusje“. Chefkoch Sidney Schutte genießt dort eine beträchtliche Freiheit und wird von seinem Chef übrigens sehr geschätzt.

Ebenfalls einen großen Sprung machte das „Tribeca“ in Heeze in der Nähe von Eindhoven auf Platz 7, „Joelia“ in Rotterdam ist auf 8, „De Lindehof“ in Nuenen (nicht zu verwechseln mit „De Lindenhof“ in Giethoorn) mit der vor allem aromatisch einfallsreichen Küche von Soenil Bahadoer steht auf 9 und nach einem deutlichen Abstieg auf 10 das „Beluga loves you“ von Hans van Wolde. Letzterer hatte vor einigen Jahren sein „Beluga“ in Richtung einer preisreduzierten Küche mit kleinen Portionen bei ähnlicher stilistischer Ausrichtung wie das „alte“ Beluga verändert.

Während sich auf dem platten Land ein Stil irgendwo zwischen dem immer noch großen Vorbildern Sergio Herman und Jonnie Boer mit Einsprengseln der internationalen Moderne hält, scheint sich aber im Moment ein neuer Schwerpunkt zu bilden. „Amsterdam brennt“, sagte mir vor ein paar Tagen Jonnie Boer, und das nicht nur, weil sich dort vor einem Restaurant, das ausschließlich Gerichte mit Avocado anbietet, lange Schlangen bilden. Ähnlich wie in Berlin scheint sich auch in Amsterdam aus den vielen jünger orientierten Gastronomien nun auch eine kreative Küche zu entwickeln, die mit den alten Gourmetrestaurants wenig zu tun hat. Auch in dieser Szene werden die Spuren der klassisch-französischen Küche seltener, die einer neuen Regionalität dafür um so deutlicher (z.B. im „Rijks“ von Joris Bijdendijk im Reichsmuseum in Amsterdam. Beispiel: Auf Holzkohle gegarte Bete mit bitteren Salatsorten und Dashi-Butter). Wenn man die Dynamik der alternativen Szenerien in den Niederlanden kennt, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass auch in den Niederlanden deutliche Veränderungen in der kreativen Gastronomie anstehen.

1 Gedanke zu „Lekker / Niederlande 2018“

  1. Lieber Jürgen,
    durch EAT-DRINK-THINK sind wir auf LEKKER gestoßen worden und Roermond ist ja nicht weit. Das Heft wird in Zeitschriftenläden präsentiert, in reinen Buchhandlungen nicht.
    So können wir in der segelfreien Zeit im Winter über Erfahrungen in uns bekannten Restaurants diskutieren und kulinarische Törns für die kommende Saison planen.
    Herzlichen Dank und viele Grüße
    Barbara D.

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