Michelin legt sich in die Kurve. Aber nicht zu sehr.

Guide Michelin Deutschland 2019

Die neuen Sternelisten des Guide Michelin für das Jahr 2019 sind da und die Befürchtungen von radikalen Punkte-Pöbeleien wie im französischen Guide mit seiner Abwertung von gleich drei Drei-Sterne-Restaurants haben sich nicht erfüllt. Das wird der ein oder andere abgewertete Koch zweifellos anders sehen. So hat man den Aufstieg von Nico Sackmann in Baiersbronn gebremst (von zwei zu einem Stern), und das ausgerechnet in einer Phase, wo sich der Betrieb vergrößert. Mit dem Kronen-Restaurant von Familie Kuntz in Herxheim ergibt sich ebenfalls eine unschöne Situation (der eine Stern des Gourmet-Restaurants wurde gestrichen). Karl-Emil Kuntz, der eigentlich immer eher auf einen zweiten Stern gehofft hatte, hat mir immer wieder von seinen Schwierigkeiten erzählt, seine Art der Küche nach seinem Rückzug adäquat weiterzuführen. Nun muss die „Krone“ erst einmal ohne Stern auskommen – obwohl dort selbst die Regionalküche sternewürdig ist. Mit dem „Fallert“ in Sasbachwalden hat die Abwertung übrigens auch noch ein weiteres Traditionshaus getroffen. Diverse andere Abwertungen betreffen in erster Linie Konzeptänderungen oder Restaurantauflösungen.

Neue Tendenzen sind unübersehbar und das ist gut so.

Man hat bei Michelin im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es in Deutschland viele junge Köche mit interessanten Konzepten gibt. Diese Einschätzung kann man bei den Beförderungen auf zwei oder einen Stern deutlich erkennen. Was man nicht so ohne weiteres erkennen kann, ist eine Akzeptanz für Konzeptänderungen bekannter Häuser, die Sterneküchen in andere Formate umgewandelt haben und das ja schließlich mit sehr guten Küchenleistungen tun („Villa Rothschild“ in Königstein, „Fritz & Felix“ in Baden-Baden). Hat man bei Michelin diese Konzepte noch nicht komplex genug durchdacht? Aber – eine ganze Reihe von Köchen mit jungen und kulinarisch mutigen Konzepten können sich jedenfalls freuen.

Ich beginne mit dem Ein-Stern-Bereich, weil es dort besonders auffällig zugeht. Das Berliner Dessert-Restaurant „Coda“ von René Frank hat jetzt einen Stern, also eine Küche, die wie vor Jahren schon bei Christian Hümbs‘ „Aromenmenüs“ von den Dessert-Geschmacksbildern her gedacht wird. Das radikale „Ernst“ in Berlin hat einen Stern bekommen, ebenso wie das „100/200“ in Hamburg, das nordische „SAVU“ in Berlin oder Baumann/Scheffler vom „Neobiota“ in Köln, die ich erst vor wenigen Tagen gegen eine höchst unprofessionelle Kritik in der „Süddeutschen Zeitung“ verteidigt habe. Andere Namen, die ins Bild passen sind sicherlich das „blanc“ in Hamburg oder das „Waidwerk“ in Nürnberg, wo Rottner junior sich mit all den Teilen beschäftigt, die die Tiere außer Filets sonst noch haben. Sagen wir es so: die Verschiebungen hin zur kreativen Avantgarde oder einer moderneren, an der Avantgarde im weiteren Sinn orientierten Küche sind unübersehbar. Es wird jetzt darauf ankommen, wie konsequent man weiter geht und dass man erkennt, dass es auch für sehr ungewöhnliche Formate Unterstützung durch gute und schnelle Bewertungen bei Michelin gibt.

„Sosein“ zwei Sterne!! Das nennt man dann wohl ein Zeichen

Bei den fünf neuen Zwei Sterne-Köchen geht es ebenfalls recht zeitgenössisch zu. Überstrahlt wird die Versammlung guter Köche sicherlich durch den für manch einen Beobachter überraschenden zweiten Stern für Felix Schneider und das „Sosein“. Ich kann mir natürlich nicht verkneifen, dass ich ihn gerade bei der FAZ als „Liebling des Jahres“ in der Kategorie „Aufsteiger“ geehrt habe. Ich hatte meine Gründe dafür. Ja, Felix Schneider hat in seinen Anfängen in Heroldsberg so seine spröden Momente im Menü gehabt. Die Küchenmannschaft war noch nicht ganz auf Kurs und vielleicht das Konzept ebenfalls noch ein wenig unvollständig. Bei meinem letzten Besuch dort traf ich dann aber auf einen handwerklich sehr gut gemachten Minimalismus mit exzellentem Geschmack – zum Beispiel beim pralinösen Schweinebauch, bei den Salaten nebst Strünken oder einer hervorragenden Wachtel und gänzlich entspannt-natürlichen Desserts. Mit diesem handwerklichen Fortschritt ist der im Prinzip radikale Ansatz ein echtes kulinarisches Schwergewicht geworden. Ich gratuliere auch ganz persönlich.

Dass Christian Eckhardt im „Purs“ in Andernach schon wieder zwei Sterne bekommen hat, war abzusehen. Er hatte sie schließlich schon in der „Villa Rothschild“. Daniel Gottschlich vom „Ox & Klee“ in Köln hat die Beförderung auch glatt verdient, weil er sich in den letzten Jahren stetig weiter entwickelt hat und schon immer über eine gute persönliche Handschrift verfügte. Christoph Rainer im „Luce d’Oro“ in Schloß Elmau ist sozusagen ein alter Haudegen – auch das ist keine Überraschung. Und Alexander Herrmann hat in Wirsberg einen geschickten Schachzug getan und sich dabei auch politisch korrekt verhalten. Das Restaurant des vielfältig beschäftigten TV-Starkochs hat jetzt den Namen „Alexander Herrmann by Tobias Bätz“, und diesem Koch machen diese neuen Möglichkeiten und diese Anerkennung erkennbar viel Vergnügen. Da könnte man auch noch ein paar andere Restaurants umtaufen…

3 Gedanken zu „Michelin legt sich in die Kurve. Aber nicht zu sehr.“

  1. Ach das ist alles nur GESCHÄFTEMACHEREI. Seine Sterne kann sich der Michelin an den Arsch hängen. Die Tester glauben sie haben den besten Gaumen. Fakt ist, Geschmack ist eine Drecksau. Was denen schmeckt muss mir nicht schmecken und was mir schmeckt muss ihnen nicht schmecken. Also was soll dieser Unsinn? Beispiel: Ich kenne die Talmühle von Herrn Fallert, von mir kriegt er 3 Sterne im Gegensatz zur Schwarzwaldstube zu Zeiten von Herrn Wohlfahrt, von mir nur 1 Stern (ich wäre an einem Menü beinahe erstickt, habe es kaum runtergekriegt so trocken war es). Dass die Vergabe dieser Sterne reine Willkür und Politik ist sollte jedem klar sein. Wer spurt kriegt Sterne nur bei Wohlwollen, wer nicht spurt wird „abgestraft“. Was den Geschmack angeht mache ich meine persönlichen Erfahrungen, basta. Was soll denn hier nachvollziehbar sein?

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  2. Ich meine der Guide Michelin besteht ja nicht nur aus Restaurants die mit Sternen geschmückt sind.
    Und bei denen ist eine Vielzahl dabei, die für mich den Ausbund der Geschmacklosigkeit darstellen.
    Da ich nicht alle Lokalitäten die „sternegekrönt“ sind persönlich kenne, nur zu denen die ich kenne, und da sind doch einige dabei, wo der Höhepunkt der Küchenleistung längst überschritten ist . . . .

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  3. Alle Bewertungen des Michelin sind absolut nachvollziehbar,natürlich sehen das Köche die abgewertet wurden anders,alles in allem hat der Michelin das super professionell bewertet.

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