Neue Restaurantkonzepte – „Brot und Bier“ in Keitum auf Sylt

Das „Brot und Bier“ ist ein gutes Konzept. Sicher nicht einfach zu multiplizieren, aber sowohl für den Gast wie für den Betreiber eine mehr als befriedigende Gastronomielösung.

Brot und BierAuch wenn man es am Anfang nicht glauben will: Die Räumlichkeiten des „Brot und Bier“ sind bis in die 50er Jahren noch eine voll funktionsfähige Tankstelle gewesen. Der Betreiber, Spitzenkoch Alessandro Pape, erklärt den Gästen gerne, dass da, wo sie jetzt sitzen, früher die Hebebühne war. Aber außer diesen sentimentalen Erinnerungen erinnert heute nicht mehr viel an die ursprüngliche Funktion. Dafür haben aber nicht nur Alessandro Pape und sein Team gesorgt, sondern auch die Pächter, die die Räume vorher genutzt hatten. Zuletzt war es die Confiserie Leysiffer, die den Räumen schon ein attraktives Ambiente verschaffte. Heute hat die Familie Mankel, denen auch das Fährhaus Munkmarsch gehört, dieses Gebäude gepachtet und mit Alessandro Pape als Projektgeber nicht etwa zufällig einen Glücksgriff getan. Beide arbeiten seit vielen Jahren miteinander, und aus dieser Erfahrung hat sich eine beträchtliche Vertrautheit ergeben.

Alessandro PapePape hat aus der Location in Zusammenarbeit mit seiner reizenden Gattin Filiz ein echtes Kleinod geschaffen. Beleuchtung und Möblierung sind sanft aufeinander abgestimmt und erzeugen eine angenehm neo-rustikale Atmosphäre, die dem Gast jegliche Berührungsangst nimmt, die eventuell aufkommen könnte, wenn man erfährt, dass Alessandro Pape eigentlich ein Zwei-Sterne-Koch ist. Viele Jahre lang war er der Küchenchef und Spiritus Rector des Gourmetrestaurants im nicht weit entfernten „Fährhaus Munkmarsch“. Da Alessandro nebenher auch noch Geschäftsführer der Sylter Salzmanufaktur, seiner Brauerei und seiner Pastamanufaktur ist, war es irgendwann naheliegend, im Einvernehmen mit der Familie Mankel das Gourmetrestaurant zu schließen und seine Energie auf die neuen Teile seines Universums zu konzentrieren, dessen Pläne schon seit Jahren in seiner Schublade schlummerten.

Papes Wunschkind
Das „Brot und Bier“ war ein lang gehegter Wunsch, der schließlich vor zwei Jahren realisiert werden konnte. Das warme Ambiente und die hohen technischen und kulinarischen Fertigkeiten des Kochs ergeben ein Projekt, das in seiner Art und in seiner Qualität in Deutschland noch vollständig neuartig ist. Der Name des Projekts ist Programm. Alles dreht sich um das perfekte Butterbrot. Man hat das Lieblingskind des Deutschen auf eine andere Ebene gehoben, indem man die Qualitäten und die Fähigkeiten eines Zwei-Sterne-Kochs auf das Brot, den Belag und das begleitende Getränk fokussiert hat.
Die Ergebnisse sind in vielerlei Hinsicht einzigartig und oft atemberaubend gut. Die Biere werden auf der Insel gebraut. Alle drei verfügbaren Varianten sind durchaus süffig, haben aber eine präsente Hopfenbitterkeit, die man braucht, um mit den durchaus gehaltvollen Belägen der Brotspezialitäten mitzuhalten. Beim Bier fällt auch das allgegenwertige Wortspiel mit der inseleigenen Wattlage zum ersten Mal auf. So heißt das helle Bier „Watt Blondes“ und das dunkle Bier „Watt Dunkles“. Auf diesem Wortspiel und grammatikalischen Grundgerüst aufbauend, wird in der kompletten Speisenkarte das Wort „etwas“ durch das Wort „Watt“ ersetzt. So ist etwas Süßes dann „Watt Süßes“, und so weiter.

Die gute, alte Ölsardine
Auf der Leidenschaft für ein gutes Butterbrot aufbauend, wird auch eine weitere, fast vergessene Liebe der Deutschen im „Brot und Bier“ gepflegt. Es ist die Liebe zur Ölsardine, die auf Sylt auch in anderen Häusern bereits salonfähig gemacht wurde. Alexandro ist hier mit seinem hochtalentiertem Küchenchef Sven Pietschmann einen Schritt weiter gegangen und hat neben den Ölsardinen in höchster Qualität auch andere Fischkonserven von Premiumherstellern in sein Portfolio aufgenommen. Vor dem eigentlichen Essen serviert er gerne eine kleine Auswahl davon, zusammen mit einem sehr guten, weichen Stangenbrot und einem kräftigen Olivenöl. Wir bekamen zur Vorspeise neben den Ölsardinen auch Ölmakrelen, Tintenfischtuben und Pulposcheiben in Öl in der Originaldose serviert. Dazu gab es einen leicht angemachten Kirschtomatensalat und eine kleine Schüssel mit frischem Kräutersalat. Separat wurde dafür ein Dressing, das ein wenig an ein klassisches, aber sehr gutes French Dressing erinnerte, serviert. Alle diese Komponenten, zusammen mit dem hochwertigen Öl in den Fischkonservendosen ergaben eine wirklich äußerst süffige Vorspeise, die von „Watt Blondem“ trefflich begleitet wurde.

Ein Butterbrot als Hauptgang
Die Hauptgänge sind allesamt belegte Brote, aber immer in einer Art, wie man sie noch nie vorher gegessen hat.
Das Brot mit warmem Taleggio Käse und Preiselbeeren wird zum Beispiel mit Kartoffelscheiben, die zusammen mit Kräutern gegart wurden, belegt. Die Brotscheibe alleine hat schon ein gutes Ausmaß, durch die „Doppelbelegung“ wird aus dem Käsebrot eine vollwertige Mahlzeit, die sehr ausgewogen daher kommt. Die Brotscheibe (von einem Brot geschnitten, das extra für dieses Gericht konzipiert wurde), wird dünn geschnitten und dann mit den Kartoffelscheiben belegt. Jeder kann sich vorstellen, wie gut Kartoffeln mit geschmolzenem Käse schmecken. Das frische Brot als Basis, die Kartoffeln mit den Kräutern, der ausgezeichnete Taleggio und die genau richtige Menge an Preiselbeeren schaffen es, dass jeder Bissen eine Genuss ist und man nie das Gefühl hat, dass „das Leckere noch kommt“, wie man es oft bei einem Burger oder einem Brot mit Spiegelei erlebt.

Ein Butterbrot als Hauptgang

Burgermeister oder Meisterburger
Kommen wir zum Burger, der in einem offenen Bun serviert wird. Auf der einen Hälfte findet sich ein perfekt gebratener und sehr gut gewürzter Burger Patty, der mit einer angenehmen Sauce überzogen ist. Auf der anderen Hälfte des Buns gibt es einen Berg von Pastrami Scheiben auf etwas angemachtem Feldsalat und einigen gecrashten Erdnüssen. Dazu kommt eine kleine Schale Kartoffelchips und ein Schälchen mit einem Dip, der sowohl zur Kartoffel wie zum Burger und zum Pastrami passte und Lust machte, alle Komponenten in verschiedenen Konstellationen zu kombinieren. Ich glaube, man braucht nicht zu erwähnen, dass auch hier der Anspruch an einen Burger sowohl qualitativ als auch quantitativ weit übertroffen wurde.

Burgermeister oder Meisterburger

Brisket oder Brisquet?
Ein weiterer Hingucker war das Brisket Sandwich. Das Brisket ist ein Bruststück vom Rind, dessen Zubereitung bei Köchen und Grillfans zur Königsdisziplin gehört. Wenn man es richtig macht ist es rosa, butterzart, saftig und hocharomatisch. Genau so ist auch das Brisket im „Brot und Bier“. Das warme Brisket wird auf gebuttertem Brot mit einer gehaltvollen Kartoffelschaum-Sauce auf dem Fleisch serviert und wird zusätzlich noch von einer braunen Sauce auf dem Teller begleitet, die mit viel Vergnügen mit dem Brot aufgesaugt werden kann. Ich weiß nicht, ob Sie es nachvollziehen können, wenn ich versuche, die Gänge zu beschreiben, aber es ist wirklich bei jedem Gang eine Art von Sinnlichkeit zu spüren, die durch das Zusammenspiel von Üppigkeit, Saftigkeit und sahniger Cremigkeit zustande kommt. Ich führe diese Qualität auf die hohe Professionalität im Umgang mit Speisen, in Verbindung mit dem Fingerspitzengefühl für das richtige Küchenpersonal zurück. Die Köche im „Brot und Bier“ sind hoch talentierte Spezialisten, die es schaffen, optisch und technisch hervorragende Produkte zu kreieren und sie in gleicher Qualität immer wieder zu reproduzieren.

Brisket Sandwich

Das Krabbenbrot
Diese Qualitäten kann auch an meinem Liebling auf der „Brot und Bier“-Karte verdeutlichen. Es ist ein Krabbenbrot mit zweierlei vom Sylter Landei. Das Krabbenbrot ist ein Klassiker, den ich schon Dutzende Male gegessen habe, aber nie so gut wie hier. Traditionell wird das Krabbenbrot in Friesland auf dunklem Vollkornbrot serviert, so auch hier. Schon das Brot hat einen Sonderpreis für das leckerste Vollkornbrot verdient. Auf ihm liegen zwei Finger dick die köstlich sahnig fein angemachten Nordseekrabben, die durch die Würzung nichts von ihrem Eigengeschmacks verlieren. Vielmehr wird dieser von den benutzen Komponenten unterstützt und verstärkt. Obenauf gibt es ein leichtes, fluffiges und gut gewürztes Omelette, auf dem zwei wachsweiche und im Kern noch flüssige Eigelbe thronen. Dazu – wie genial – für den Crunch ein wenig Kroepoek, also Krabbenbrot. „Krabbenbrot mit Krabbenbrot“, wer kommt denn auf so was? Ein kleiner Dip aus ausgelassenem Speck und Kartoffelespuma reicht aus, um aus diesem Krabbenbrot eine echte Delikatesse zu machen.
Dieses Gericht ist auf jeden Fall mehr als gut. Der Reflex, dass man es am liebsten direkt noch einmal haben möchte, stellt sich bei fast allen Broten im „Brot und Bier“ ein, aber bei keinem so stark wie bei diesem. Nur die reine Größe der Brote und die Lust, ein Dessert zu probieren, hindern mich daran, auf der Stelle noch eines zu bestellen.

Krabbenbrot

Lachsbrot mit echtem StörkaviarBrot fürs Volk
Natürlich besteht die Karte nicht nur aus den vier beschriebenen Butterbroten. Es gibt eine Auswahl, die von ganz einfach (Tomatenbrot, Lachsbrot oder Bratheringsbrot) über ganz edel (Brot mit echtem Störkaviar) bis zu ganz verwegen (Leberwurstbrot oder Brioche mit Ei und Foie gras) für jeden etwas bereit hält. Und – jedes Brot ist ein echter Treffer.
Der Blick auf die Weinkarte verrät im übrigen, dass der Name des Lokals hier Programm ist. Die eher begrenzte Auswahl an Weinen besteht aus sicheren Kredenzen, die durchweg sehr fair kalkuliert sind. Man kann mit geschlossenen Augen bestellen und man trifft immer den richtigen Wein.
Der Barkeeper arbeitet deutlich anspruchsvoller. Dieser junge Mann ist ein großes Talent in Sachen Cocktail. Er kennt sich nicht nur sehr gut Bratheringsbrotaus, sondern kreiert auch gerne eigene Cocktails – ganz nach Stimmungslage der Gäste. Deshalb empfiehlt es sich, zum Abschluss des Essens einen Cocktail mixen zu lassen. Wenn Sie neugierig und experimentierfreudig sind, überlassen Sie die Auswahl dem Barkeeper. Er wird Ihnen den richtigen Drink mischen.
Beim Dessert haben wir uns auf den armen Ritter eingeschossen. In gewohnter Tradition wird auch hier eine Brioche karamellisiert und in Ei gebacken und mit verschiedenen süßen Ingredienzen, wie einem Salzkaramelleis, frischen Himbeeren und Puderzucker genau so saftig, süffig und aromastark serviert wie der Rest der Karte.

Ein Konzept für ein echtes Talent
Der Grund, warum ein solches Konzept nicht so leicht zu kopieren oder zu vervielfältigen ist, liegt an der Kombination aus dem hohen Können des Betreibers in Kombination mit der Lage des Lokals. Dieses Konzept braucht hier auf Sylt einen sensiblen Umgang mit der Speisenkarte. Hier geht man hin, weil man seinen Burger oder sein Krabbenbrot essen möchte. Ein allzu schneller Wechsel der Gerichte wäre kontraproduktiv. Genauso problematisch wäre eine ausufernde Karte, da jedes weitere Gericht die Aufrechterhaltung von Frische und Sorgfalt insgesamt beeinträchtigen könnte. So etwas funktioniert nur in Metropolen oder in extrem hochfrequentierten Touristenzentren. Ich bin mir sehr sicher, dass Alessandro Pape mit seinem Konzept auch in München, Frankfurt und Berlin, vielleicht sogar in London, Paris oder New York Erfolg hätte. Ich bin mir aber genau so sicher, dass der Erfolg von anderen Köchen nicht so ohne weiteres reproduzierbar wäre, weil der Erfolg des „Brot und Bier“ eben stark vom speziellen Talent von Allessandro Pape abhängt.

Auszug aus der Speisenkarte
Auszug aus der Speisenkarte

9 Gedanken zu „Neue Restaurantkonzepte – „Brot und Bier“ in Keitum auf Sylt“

    • Hallo Laurent,
      mit sicheren Kredenzen bezeichnet man Weine von Winzern, die Jahr für Jahr gleichbleibende, hohe Qualitäten erzeugen. Auch bei den Traubensorten greift man bei sicheren Kredenzen eher zu massentauglichen Traubensorten wie Riesling, Sauvignon Blanc, Chardonnay, Weißburgunder, Spätburgunder, Merlot und Cabernet Sauvignon und verzichtet auf Exoten oder auf autochthone Rebsorten. Quasi Weine, bei denen keine Seite ein Risiko eingeht. Sowohl der Gast als auch der Gastgeber.

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  1. Schön das es Euch auf Sylt gibt.
    Geht das auch auf Wangerooge?
    Da fehlt nämlich wirklich mal was richtig Gutes!!!
    Liebe Grüße aus Wuppertal

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  2. Die Brote sind super aber sehr reichlich, man sollte genügend Appetit haben.
    Wie alles, was Alexandro und Sven machen.
    Einmalig, höchste Qualität, und tolle Geschmacksvielfalt.
    Ob Brot,Belag, Hamburger, Bier, Cocktail oder Nachtisch.

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  3. Beim nächsten mal auf der Insel werde ich es hoffentlich schaffen. Leider war das letztemal zu wenig Zeit. Durch den Artikel ist die Spannung noch gestiegen.

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  4. Hallo Michael, sauberes Bier, handwerklich hergestellt und als Spesenbegleiter konzipiert. Also leicht bitter. Nach dem dritten Glas wird es dann richtig süffig. Macht ziemlich viel Spaß. Grüße, bis bald.

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