Zum Tode von Rüdiger Kowalke

Der Senior-Chef des Hamburger „Fischereihafen-Restaurants“, Rüdiger Kowalke ist am Samstag seinem Krebsleiden erlegen. Und wie es seine Art war, hat er auch die schon lange schwelende Krankheit nicht verheimlicht oder überdramatisiert, sondern in seine Art von Normalität geholt. Es gibt Fotos, die ihn in seiner typischen Restaurant-Montur mit seinen drei Ärzten zeigen.

Ein grandioser Gastgeber ist tot, und die Ehrung für seinen Sohn Dirk als „Gastgeber des Jahres“ bei der Gala der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vor zwei Wochen in Schloss Bensberg war selbstverständlich auch eine Ehrung für Rüdiger Kowalke. Als ich Dirk Kowalke nach meiner Laudatio auf die Bühne rief, unterlief mir auch prompt ein kleiner Lapsus: Ich habe begonnen, „Rüdiger“ statt „Dirk“ zu sagen. Während der Gala saß ich mit Dirk Kowalke am Tisch und habe ihn nach dem Gesundheitszustand seines Vaters gefragt. Er machte keine Hoffnung. Mit 71 Jahren ist er viel zu früh gestorben.

Was mich bei den Nachrufen ein wenig stört, ist die Bezeichnung „Promiwirt“. Ja, er hat es genossen, dass die Großen der Republik und darüber hinaus alle bei ihm vorbeikamen, er war ihnen durchaus auch so nahe, wie man anderen Prominenten nahe ist, wenn man selber zu einem Prominenten geworden ist. Tatsächlich war er aber ein Koch und Gastronom, der sein Fach konsequent gelernt hat und mit einem großen Realitätssinn genau wusste was er macht und wo er steht. Er hat uns im Laufe der Jahre stundenlang Geschichten erzählt, darunter auch die vom Besuch von Angela Merkel, die nicht reserviert hatte, nicht sofort vom Service erkannt wurde und dann tatsächlich das Angebot wahrnahm, an der Bar zu warten bis ein Platz frei wird. Er hat auch die Geschichte von Kiez-Größe „Neger-Kalle“ erzählt, der einmal – wie es der Zufall will – Rücken an Rücken mit einem Bischof im Restaurant saß. Natürlich konnte er ununterbrochen die ganz Großen, oft sehr dezenten der Hamburger Wirtschaft begrüßen, die Konzerninhaber- oder Erben, die kaum jemand kennt, die aber von Hamburg aus viele Geschicke der Republik lenken. Aber – er schenkte ihnen im Prinzip keine wirklich andere Aufmerksamkeit als jedem anderen Gast. Er sorgte dafür, dass sich jeder Gast bei ihm wohlfühlte und sorgte mit seiner Zuwendung, einer trocken-hanseatischen Sprache und einem ebensolchen Humor dafür, dass das auch alles so ankam, wie es gemeint war. Der Erfolg des Restaurants beruht zu einem beträchtlichen Teil auf dem, was Rüdiger Kowalke als Gastgeber entwickelt hat und an seinen Sohn Dirk und Stiefsohn Benjamin Kast weitergegeben hat.

Das „Fischereihafen Restaurant“ ist eines der ganz wenigen Restaurants in Deutschland, das mittags wie abends gefüllt ist und das schon seit Jahrzehnten. Es ist eine der großen gastronomischen Institutionen des Landes geworden. Wer immer es auf etwas reduziert, das vor allem mit „Promis“ zu tun hat, hat die Zusammenhänge nicht vollständig verstanden. Glücklicherweise hat er seinem Sohn Dirk das Restaurant offiziell schon im Jahre 1997 übergeben – auch wenn er danach nach wie vor große Teile seiner Zeit dort verbrachte. Er hat nicht nur dafür gesorgt, dass es so grandios geworden ist, wie es geworden ist, sondern mit großer Übersicht auch dafür, dass es so weitergehen kann. Auch dafür ist zu danken.

Man wird ihn in der gastronomischen Abteilung des Himmels sehr gut gebrauchen können.

Foto: © Fischereihafen-Restaurant

5 Gedanken zu „Zum Tode von Rüdiger Kowalke“

  1. Leider habe ich meine Verwandschaft nicht Kennen gelernt.
    Wir sind 1946 aus Danzig ausgewiesen.
    Familie Kowalke mit Tante Minna, Bruno mit Familie und Heinz.
    Heinz ist aus einem Gefängnis geflüchtet, er hatte im Krieg von einen russischen
    Scharfschützen,die Nasenspitze abgeschossen bekommen und wir Kinder haben uns den ganze Zeit auf ihn gesessen.
    Heinz war der Gründer des heutigen Restaurants.
    Warum wird er in allen Berichten nicht erwähnt ?

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  2. Ach Mensch, Karl und Rüdiger an einem Tag.
    Als Sohn eines „wichtigen“ Hamburgers bin ich oft bei Kowalke gewesen und ich habe immer noch auf meinem Zettel, genau vor dem Laden, bei dem Lehrkai abzulegen, um nach New York zu segeln und da an diesem Schoner festzumachen, der die tollen Hummersemmeln hat. Das Restaurant ist Teil meiner Biographie, auch und gerade, weil mein Sohn selbst als Kleinkind da immer willkommen war. „Der Lachs war furztrocken“ hat er mal mit 4 konstatiert, aber genauso engagiert alles, vom Räucheraal bis zum Seeteufel genossen und begeistert gelobt. Mein Lieblingsrecall: Wir sind mit der ganzen großen Familie gerade die Treppe hoch, haben RK die Hand gegeben und ich geh mit meinem Sohn (11) wie immer als erstes an die Bar (Geheimtip dort). An der Bar: die gesamten Präsidien von Bayern München und HSV, ich glaube sogar mit uns Uwe. Ich: Malt, Sohn: Cola mit viel Eis und Früchten. Sohn zieht seine Jacke aus. Nun waren wir damals, in den Neunzigern schon sehr engagiert im American Football im Ruhrgebiet. Sohn trägt ein T-Shirt (von Papa entworfen), in dem auf dem Rücken ein Fußball in eine Mülltonne fliegt, gekrönt von dem geflügelten Satz „Soccer is for Sissies“.
    Die Gesichter werd ich nie vergessen. Ebenso wenig, wie RK. Mist, ich dachte immer, ich könnte ihm mal sagen: „Grandios wie immer. Muss los. meine Swan liegt da draußen. Zeit für den Hudson Channel.“

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  3. Dem kann ich mich nur anschließen, war dort schon zu „Sellmer“ Zeiten mit meinen Eltern essen und nun mit meiner Tochter, hier ein ganz großes Hoch auf die Redundanz, Herr Dollase

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