Zur Wahl. Wünsche und ein paar Ideen.

Wir alle wissen, dass Politik und Gourmandise in Deutschland noch sehr weit voneinander entfernt sind – zumindest in der Öffentlichkeit. Es gibt keine Partei, von der man in dieser Richtung größere Veränderungen erwarten könnte und so gut wie keine Politiker, die etwas anderes als einen interessengesteuerten kulinarischen Tunnelblick haben. Gut ist nur, was ihnen in den Kram passt. Die SPD „ist Currywurst“, andere ersticken im Interessenausgleich mit Industrie und Verbänden, wieder andere sind schon zufrieden, wenn nur überall „Bio“ draufsteht. Sie alle eint das ganz alte Klischee, dass gute Produkte und die Leistungen der Kochkunst irgendwie abgehoben wären, Luxus und nichts für den Normalbürger. Gleichzeitig unterstützen sie mit vielen Millionen eine „Kulturszene“ rund um Theater, Museen, Oper und klassische Musik, die in vielen Fällen längst jede Beziehung zu größeren Teilen der Bevölkerung verloren hat. Dass die kulinarische Kultur, die einzige von wirklich umfassender, gesellschaftlicher Relevanz ist, weil jeder Bürger jeden Tag mit ihr zu tun hat, hat sich in den gewöhnlich kulinarisch uninformierten Kreisen der Politik immer noch nicht herumgesprochen.
Hier nun zur Bundestagswahl 2017 einige bescheidene Wünsche und ein paar Ideen, die Zeichen setzen könnten.

Ein paar Wünsche
Es wäre schön, wenn die Politik Essen nicht mehr nur als Ernährung ansehen würde, sondern als die ganz große kulturelle Klammer, die vom Genuss und Wohlbefinden des Einzelnen bis zum öffentlichen Leben eine Gesellschaft zusammenhalten, inspirieren und in vielen Bereichen verbessern kann

  • Es wäre schön, wenn die Politiker begreifen würden, dass die Qualität des täglichen Lebens der entscheidende Faktor für die Qualität einer ganzen Gesellschaft ist und dass das Kulinarische dabei eine entscheidende Rolle spielt
  • Es wäre schön, wenn die Politiker endlich aufhören würden, sich per Currywurst & Co. als volkstümlich darzustellen, wobei ihnen nicht klar zu sein scheint, dass sie damit eher ihre völlige Unkenntnis der Esskultur signalisieren
  • Es wäre schön, wenn Politiker auch im kulinarischen Bereich gute kulinarische Zeichen setzen würden, die erkennen lassen, dass sie Qualität schätzen und die Erzeuger kulinarischer Qualität für tragende Mitglieder unserer Gesellschaft halten. Gute Symbole sind z.B. Staatsessen, die – wie in vielen anderen Ländern üblich – ganz selbstverständlich in den besten Restaurants des Landes stattfinden.
  • Es wäre in diesem Zusammenhang schön, wenn Politiker auch einmal privat demonstrieren würden, dass sie die Leistungen hervorragender Restaurants schätzen und die Besten des Faches gleichberechtigt neben andere hervorragende kulturelle Leistungsträger stellen.

Ein paar Ideen

  • Einrichtung eines Wettbewerbs „Deutscher Meisterkoch“ nach dem Vorbild der französischen Auszeichnung „Meilleur Ouvrier de France“ („Bester Handwerker Frankreichs“). Ziel: Zertifizierung einer hohen handwerklichen Qualität unabhängig vom Küchenstil und den oft interessengesteuerten Bewertungen der Restaurantführer
  • Einführung kulinarischer Staatspreise, verliehen nach Auswahl durch ein Gremium von allseits anerkannten Spezialisten. Ziel: Es gibt zwar Unmengen von Ehrungen im kulinarischen Bereich, die aber alle nicht die Öffentlichkeit erreichen, die das Fach verdient. Die Verleihung der Staatspreise sollte ganz selbstverständlich ein Ereignis sein, das größte mediale Öffentlichkeit erreicht – ähnlich wie Filmpreise oder Musikpreise.
  • Gründung einer „Deutschen Hochschule für Kochkunst“, in der alle relevanten Informationen und Fachrichtungen rund um Essen und Kochen zusammengeführt werden – von der Ökotrophologie und Pädagogik bis zur kreativen Spitzenküche. Ziel: die Kulinarik leidet unter einer unübersehbaren Vereinzelung von Ausbildung und Wissen, die ihre Stellung in der Gesellschaft deutlich schwächt. Die in anderen Fächern selbstverständliche Einrichtung zentraler Hochschulen wird auch im kulinarischen Bereich dazu führen können, dass das Gewicht von Forschung und Lehre steigt und das Fach den gesellschaftlichen Rang einnimmt, der ihm schon lange zusteht
    P.S. Ein Strukturmodell einer solchen Hochschule habe ich schon vor Jahren entworfen und mehrfach veröffentlicht. Ich werde es demnächst auch bei www.eat-drink-think.de nochmals herausgeben.
  • Einführung eines Restaurantsiegels zur Förderung der regionalen und traditionellen Küche – vergeben von einem Gremium allseits anerkannter Spezialisten aus Kochkunst und Kulturwissenschaft (ein wenig in Anlehnung an entsprechende Siegel z.B. in Österreich). Ziel: die deutsche Regionalküche bedarf dringend einer Förderung, die verhindern hilft, dass Traditionsrestaurants z.B. aus wirtschaftlichen Gründen schließen oder ihr Programm in kontraproduktiver Weise anpassen müssen.
  • Intensivierung und Ausweitung des Schutzes für bestimmte kulinarische Produkte, Produzenten und Rezepturen. Ziel: Sicherung des kulinarischen Erbes und Förderung der Tradition, ausdrücklich über den geschützte Herkunftsbezeichnungen hinaus auch auf Ideelles wie bestimmte Rezepturen bezogen, die z.B. dringend einer Dokumentation bedürfen
  • Veränderungen im System der Mehrwertsteuer für kulinarische Produkte wie Dienstleistungen zur Förderung gewünschter Entwicklungen wie zur Erschwerung der Ausweitung unerwünschter Entwicklungen. Wenn es inhaltlich gewünscht ist, kann man z.B. Fast Food und industrielle Fertiggerichte steuerlich belasten und frische Nahrungsmittel entlasten. Man kann die steuerliche Unterscheidung zwischen „normalen“ Restaurants und Take-Away-Restaurants verändern und man kann über ein System nachdenken, wie z.B. der Besuch von Restaurants mit Siegel (siehe oben) steuerlich „belohnt“ wird (einen Vorschlag dazu habe ich, er kommt später).

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