Wie aus Unkenntnis Unverständnis wird. Die Süddeutsche Zeitung lässt das „Neobiota“ missverstehen

Die Süddeutsche Zeitung hat in ihrer Ausgabe vom Samstag, den 9. Februar die Autorin Fabienne Hurst über das Kölner Restaurant „Neobiota“ eine Restaurantkritik schreiben lassen. Dabei zeigte die offensichtlich fachfremde Autorin eklatante Verständnisprobleme und fehlende Sachkenntnis und kam zudem zu einer irreführenden Beurteilung, die sich nur auf Teile der Leistungen des Restaurants bezieht.

Das grundsätzliche Problem
Das vielleicht wichtigste, grundsätzliche Problem der kulinarischen Berichterstattung bis hin zu den großen überregionalen Medien ist das Fehlen von kulinarisch sachkundigen Redakteuren. Wohlgemerkt: Es geht um die Personen, die dafür zuständig sind, dass Textangebote veröffentlicht werden. Der Mangel an kulinarisch wirklich sachkundigen Mitarbeitern führt dazu, dass die Qualität von Texten und damit vor allem auch die Qualität von Urteilen über Restaurantleistungen oft nicht richtig und verantwortungsbewusst eingeschätzt werden kann. Der Mangel an Fachkenntnis führt dann auch recht häufig zur Beschäftigung von ebenso wenig sachkundigen Autoren, so dass sich insgesamt ein Profil der Veröffentlichungen ergibt, das dem Thema nur selten oder gar nicht gerecht wird. Auf der anderen Seite beschäftigen etwa die Feuilleton-Redaktionen in den klassischen Feuilleton-Fächern wie etwa Literatur, Musik, Theater oder Kunst fast immer Spezialisten mit einer tiefen und breiten Sachkenntnis, die sie befähigt, alle Aufgaben ihres Faches auf einem hohen Niveau zu erledigen. Es erscheint undenkbar, dass man etwa zur Beurteilung wichtiger Aufführungen beliebige Autoren einsetzt, von denen vollständig klar ist, dass sie keine Spezialisten sind. Im kulinarischen Bereich macht man aber genau das und kommt so nicht selten zu einer hochgradig verfälschenden, nicht adäquaten Behandlung des Themas.

Das Problem mit dem „Lokaltermin“ der Süddeutschen Zeitung im allgemeinen
Die Süddeutsche Zeitung beschäftigt in ihrer samstags erscheinenden Restaurantkritik „Lokaltermin“ eine ganze Reihe von Autoren sehr unterschiedlicher Spezialisierung. Die Spannweite reicht von klassischen Redakteuren über eher von der Praxis her kommenden Mitarbeitern bis zu Autoren, die – um es salopp zu formulieren – nach der Prämisse zu arbeiten scheinen, dass ein einigermaßen intelligenter Mensch über Alles schreiben kann – auch wenn er nicht im engeren Sinne „vom Fach“ ist. Damit kommt man natürlich auf das Niveau von Mehrzweckjournalismus, wie er sich zwangsläufig am ehesten in Lokalblättern findet, bedient aber auch das überkommene Klischee, dass das Kulinarische ein Thema ist, über das jeder schreiben kann, weil jeder schließlich jeden Tag isst. Diese grundlegend unreflektierte Position ist nach wie vor häufig zu finden, und das bis hinein in jene Medien, die ihre Arbeit ansonsten durchaus seriös machen. Bei der Süddeutschen Zeitung führt das im „Lokaltermin“ immer wieder zu Einschätzungen in Form von Punktewertungen, die oft nicht nachvollziehbar sind. So werden zum Beispiel einfache Gasthäuser ohne besonderes Profil mit Höchstnoten für die kulinarische Qualität ausgezeichnet, während gleichzeitig kreative Küchen, deren Qualitäten offensichtlich zuweilen von den Autoren nicht eingeordnet werden können, bisweilen deutlich schlechter bewertet werden. Insofern nähern sich solche Bewertungen der Beliebigkeit und unterscheiden sich kaum oder gar nicht von dem, was in den oft banalen und subjektiven Online-Bewertungen zu finden ist.

Wie man ein Restaurant missversteht
Die Restaurantkritik der Autorin Fabienne Hurst liest sich insgesamt eher wie in einem aufgekratzten Szeneblatt und ist weitgehend durch Vorurteile bei der Autorin geprägt, die eine feste Meinung davon zu haben scheint, wann die Dinge richtig und falsch sind und wie sie zu sein haben.

Zitate:
„Beim ‚Lima Benedict‘ packen die Küchenchefs ein mit Orangenhollandaise übergossenes pochiertes Ei auf einige Scheiben roh marinierten Weißfisch. So richtig will das peruanische Nationalgericht Ceviche sich aber nicht mit der Eierspeise verbinden, zu verschieden sind die Konsistenzen. Pochierte Eier wünschen sich Avocado oder knusprigen Speck als Mitspieler, keinen sauer angemachten Kabeljau.“

Etwas später:
„Die für ihren Biss geschätzten Wakame-Algen scheinen sich regelrecht dagegen zu sträuben, warm und püriert serviert zu werden. Warum auch? Schließlich entfalten sie ihre Wirkung doch einwandfrei als Salatbeilage zu Reis und Fisch.“

Diese prämissive Berichterstattung ist unsäglich und vor allem nicht geeignet, kreative Abweichungen von Standards zu bewerten. Die Grundhaltung nähert sich da schon einem merkwürdigen, im Grunde sehr altmodischen kulinarischen Populismus, für den alles nicht gut ist, was man nicht kennt.

Ein gravierender, dem Restaurant zusätzlich schadender Fehler ist die Beschränkung auf den Brunch/das Mittagsmenü. Zwar wird im Text erwähnt, dass es im „Neobiota“ abends Gourmetküche gibt, Beispiele aus dieser Küche werden aber nicht besprochen. Die Folge wird sein, dass das Restaurant mit der schlechten Bewertung leben muss, obwohl seine Leistungen auch formal überhaupt nicht in der nötigen Komplexität gewürdigt wurden.

Von Texten, die vom Renommée der Süddeutschen Zeitung zehren, sollte man annehmen, dass sie ein Bewusstsein von Verantwortlichkeit gegenüber den berichteten Zusammenhängen haben. Die Leistungen von Restaurants sollten korrekt und sachgerecht beschrieben und eingeordnet werden, um den potentiellen Gästen eine klare Orientierung zu geben und sie nicht statt dessen mit der Beliebigkeit subjektiver Einschätzungen ohne Transparenz und erkennbare Grundlagen zu konfrontieren.

10 Gedanken zu „Wie aus Unkenntnis Unverständnis wird. Die Süddeutsche Zeitung lässt das „Neobiota“ missverstehen“

  1. Die „Süddeutsche“ ist an Arroganz nicht zu übertreffen! Ich war mal ein großer Fan, aber das ist lange her und hat sich erledigt.

    Traurig, was aus dem deutschen Journalismus geworden ist: Sie ist Merkels Sprachrohr und Presseabteilung.

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  2. Kann an dem Bericht der Autorin nicht so schlimmes finden,warum ist sie fachfremd?weil ihnen der Bericht nicht gefällt hat sie natürlich keine Ahnung,eigentlich wie immer bei Ihnen Herr dollase,es gibt in der kulinarik nur einen der Ahnung hat und dass sind sie,zumindest sehen sie das so,was selbstverständlich nicht zutrifft.

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  3. Wie genau haben Sie die bisherige Arbeit der Autorin recherchiert? Ich vermute nicht allzu vertieft, man kann die Kritik sicher in einigen Punkten kritisieren, auch das Format generell, aber bevor man jemanden als „offensichtlich fachfremd“ abqualifiziert, sollte man doch mal schauen, wie sehr sich jemand mit der Materie auseinandersetzt. Dabei muss man auch berücksichtigen, dass es für profunde Foodkritik viele Jahre der Erfahrung braucht, die junge Kollegen noch nicht haben können, sie sind dann aber nicht fachfremd, sondern wenig erfahren.

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  4. Verehrter Herr Dollase,

    herzlichen Dank. Auch das „Golvet“ in Berlin musste sich unlängst einer sehr fragwürdigen Restaurantkritik in der „Süddeutsche Zeitung“ stellen. Schade, einen seriösen Ruf mit unprofessionellen Mitarbeitern so zu gefährden.

    Herzliche Grüße,

    Bettina Linnig

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  5. Volltreffer! War jahrzehntelang ein treuer Leser neben der FAZ auch dieser Zeitung. Spätestens seit 2015 lese ich dieses Blatt aus Gründen, die mit der politischen Entwicklung unseres Landes und der in diesem Blatt zunehmend zum Ausdruck gebrachten „Haltung“ und betreutes Denken statt neutraler Information zu tun hat. Ihre Restaurantbesprechungen in FAZ habe ich immer gerne gelesen und mir ist im handwerklichen Vergleich in der SZ mehrfach aufgefallen, dass dort im bezüglich dem Bereich Kulinarik eher Leute schreiben, die selten Ahnung von der Materie haben. Ihre obigen Ausführungen haben mich voll und ganz bestätigt.

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    • Oh man, und was bitte hat Ihre fragwürdige politische Gesinnung mit den Restaurantkritiken zu tun? Haben Sie sonst niemanden, dem Sie das vorjammern können? Oder weshalb belästigen Sie Ihnen unbekannte Menschen damit? Denken Sie etwa, das interessiert irgendjemanden? Schmock.

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  6. Genau auf den Punkt, Herr Dollase – vielen Dank! Ein ähnliches Beispiel ist die SZ-Kritik über das The Jane in Antwerpen, wo die Autorin (eine andere, als hier) lediglich in der Bar gespeist hat und vor allem süffisant-ironisch über das schwierige Reservierungsprozedere und die Stornogebühren des Hauses schreibt.

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