And the winner is: Christian Bau. Der neue Gault Millau und das Ränkespiel mit den Rankings

 Die Überschrift zu diesem Text ist vielleicht nicht auf den ersten Blick verständlich. Die betroffenen Köche haben aber sofort erkannt, dass die neuen Bewertungen im Gault Millau ihre Auswirkungen haben werden. Für den Konsumenten wird es nicht viel ausmachen, ob ein Koch nun 5 oder 4 rote oder schwarze Kochmützen hat, er ist für sie in der Spitze, seine Leistung wurde als stabil eingestuft. Auch mein persönlicher Eindruck ist da erst einmal nicht viel anders. Ich hatte vor einigen Tagen zu den minimalen Auf- und Abwertungen gesagt, dass man das so machen könne oder auch nicht. Es kommt bei der schwachen testtheoretischen Bilanz von Restaurantführern immer auf das entsprechende Sample an, und da wird eben nie das ganze Programm gegessen, sondern Ausschnitte, und die können jederzeit dezent unterschiedliche Bilder bringen. Aber das ist eben nicht alles.

 

 

 

Ein Hauch von Abwertung

Über der Spitze der Restaurants liegt in diesem Jahr – neben einigen kleinen Aufwertungen – vor allem ein Hauch von Abwertung. Es sind zwar oft nur „halbe Stufen“, die aber trotzdem eine Art Ordnung bringen, die von der bei Michelin oder Gusto abweichen. Erste Gespräche mit betroffenen Köchen zeigen Ratlosigkeit oder auch schon Unzufriedenheit mit den angebotenen Erklärungen. Wenn man die 5 roten Kochmützen mit 19,5 parallelisiert, die schwarzen mit 19, die 4 roten mit 18,5 usw. ergeben sich zum Beispiel in der absoluten Spitze de facto Abwertungen gegenüber dem letzten Führer bei Tim Raue („Restaurant Tim Raue“, Sven Elverfeld („Aqua“), Torsten Michel „Schwarzwaldstube“), Claus-Peter Lumpp („Bareiss“), Kevin Fehling („The Table“), Andreas Krolik („Lafleur“), Peter-Maria Schnurr („Falco“), Christian Jürgens („Überfahrt“), Klaus Erfort („Gästehaus Klaus Erfort“). Und weil sich gleichzeitig bis auf Marco Müller („Rutz“) in dieser Gruppe keine Aufwertungen ergeben haben, spricht das ein wenig für das, was ich einmal „Währungsreform“ genannt habe. Damit meinte ich, dass die Bewertungen zwar oft steigen, es aber aus den verschiedensten Gründen sehr viel schwerer ist, sie wieder zu reduzieren. Ich hatte damals einen „Cut“ vorgeschlagen, also eine grundsätzliche Reduzierung aller Bewertungen, um dann wieder nach oben differenzieren zu können. Im Zusammenhang mit einer Umstrukturierung der Bewertung wie jetzt beim Gault Millau konnte man so etwas vergleichsweise unauffällig machen. Dass es als Erklärung heißt, die Punkte wären wie Schulnoten und so etwas wäre heutzutage nicht mehr angebracht, scheint mir ein vorgeschobenes Argument zu sein. Alle Noten sind und bleiben Noten, und der Drang vieler mehr oder weniger professioneller oder unprofessioneller Kritiker zur Zensurengebung (statt einer differenzierten Vermittlung) ist und bleibt ein Hauptproblem der ganzen Sache. Es zeigt sich bei den unteren Rängen (1 und 2 Kochmützen) übrigens, dass die Spannbreite der Leistungen diffus weit auseinander geht. Aber das nur am Rande.

 

Das Ränkespiel mit den Rankings

Als vor etlichen Jahren einmal klar wurde, dass ein halber Punkt mehr bei Gault Millau dafür sorgen konnte, dass letztlich der GM darüber entschied, wer in den Summenrankings (also etwa das Hornstein-Ranking) vorne steht, konterte man beim Gusto mit der Einführung einer Stufe mit einer Zusatzqualifizierung (dem Pfeil nach oben), womit man die Auswirkungen der GM-Bewertungen teilweise kompensieren konnte.

Etwas Ähnliches hat sich nun abermals mit dem neuen Schema bei GM ergeben. Durch die Verengung der Spitze auf drei Köche (Wissler, Rambichler, Bau) haben nur noch diese drei theoretisch die Möglichkeit, in den Summen-Rankings an der Spitze zu stehen. Weil aber Wissler im Moment nur 2 Michelin-Sterne hat und Rambichler bei Gusto keine Höchstnote, bleibt als einziger Koch mit Höchstnote in allen Führern nur Christian Bau übrig. Bau wird dann also jetzt die neue Nummer 1 der Summenrankings und löst Sven Elverfeld und Torsten Michel ab. Ist das Absicht so? Ich nehme es an. Abgesehen von den nationalen Rankings wird das allerdings auch Auswirkungen auf internationale Rankings (wie etwa die französische „La Liste“ haben). Eine Spitze beim deutschen Gault Millau mit nur drei Namen wird das internationale Standing schwächen. War das gewollt? Ich nehme es nicht an. Man hat das wohl übersehen.

 

So, wie ich seinerzeit empfohlen hatte, die halben Punkte als eigene Stufe ernst zu nehmen (was dann auch geschah, deshalb konnte der Gusto quasi kontern), vorher aber rechnerisch durchgespielt hatte, was passiert, wenn man Höchstnote Höchstnote sein lässt und nicht mit irgendwelchen zusätzlichen Abstufungen arbeitet, könnte man sich heute einmal ansehen, wie die Sache aussieht, wenn man 5 Toques (egal ob rot oder schwarz) genau so als Höchstnote ansieht wie die 10 bei Gusto (egal, ob mit oder ohne Pfeil), die drei Sterne sowieso und die 5er Maximalnoten der anderen Führer. Die Spitzen in den Rankings würde wieder breit werden und das internationale Standing nicht geschwächt.

Soweit ein paar kleine Anmerkungen zum neuen Gault Millau.

 

5 Gedanken zu „And the winner is: Christian Bau. Der neue Gault Millau und das Ränkespiel mit den Rankings“

  1. Grundsätzlich begrüße ich die Vereinfachung des Gault Millau auf ein 5-Punkte-System (respektive 10-Punkte-System, mit roten Toques).
    Allerdings kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man oft eher marketingtechnisch als kulinarisch entscheidet und sich mit allen Mitteln vom Michelin unterscheiden will, siehe Wissler oder indifferent gleiche Bewertungen für Tulus Lotrek, Ammolite und Wolfshöhle, die ich in sehr unterschiedliche Kategorien einstufen würde.
    Auf der anderen Seite hat man den Mut, in die Jahre gekommene Adressen wie Rosin und Heinz Winkler von ihrem Podest zu holen.
    Ich bin mir generell nicht so sicher, wie verlässlich ich die Empfehlungen des Gault Millau einordnen soll.

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  2. Mann, Mann, Mann!
    ist das alles so von Belang?
    In jeder Szene (Musik, Theater, sonstige Kunst, Wirtschaftsbranchen etc.) gibt’s dergleichen kleinkarierte Diskussionen. Ist es das wert?
    Ich glaube das nicht.

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    • Na ja, wenn dann Torsten Michel nicht mehr als Nummer 2 der Welt bezeichnet werden kann, sondern wegen der Abwertung durch GM irgendwo weiter hinten landet, haben wir im internationalen Zusammenhang in der Spitze nichts mehr zu bieten – obwohl er übrigens besser kocht denn je….

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      • “ im internationalen zusammenhang“ existieren doch mittlerweile so viele unterschiedliche rankings, la liste, OAD, nestle-ranking etc zt mit unterstufen und gliederungen, da gibt es doch kein bewertungsraster, das internationaler goldstandard ist.

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  3. Sie hauen Ihren lesern da ganz viele zahlen um die ohren zu einem thema, das man auch viel einfacher betrachten und bewerten kann : der GM deutschland befindet sich seit jahren auf schlingerkurs, es gab zahlreiche verlagswechsel, personelle rochaden, mehr oder weniger geglückte versuche, sich neben dem guide noch anderwertig medial aufzustellen, und natürlich auch änderungen im bewertungssystem. so richtig ernst nehmen kann man das nicht, der GM hatte und hat in der brd niemals das standig und die bedeutung wie zb in österreich oder in der schweiz und nach wie vor ist es der michelin, der zählt und an dem sich die köche orientieren.

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