Antoniewicz: Gewürze

Heiko Antoniewicz: Gewürze. Das Kochbuch. Dorling Kindersley – Verlag, München 2023. 240 S., geb. Hardcover, 34.95 Euro

(Fotos: Vivi D’Angelo)

Heiko Antoniewicz, der Meister aller Kochtechniken und Materialien, schreibt üblicherweise meist Bücher für den mehr oder weniger professionellen Bereich, was dann aber glücklicherweise nicht zu maximal trockenen Lehrbüchern ausartet, bei denen vor allem der Technik im engeren Sinne viel Platz eingeräumt wird, die Rezepte aber oft weder besonders erfreulich noch besonders zeitgenössisch sind. Die Bücher sind immer schöne Bücher mit einem starken Focus auf Anregung. Entsprechend groß ist dann auch ihre Wirkung bei professionellen Köchen – aber eben wegen der Fokussierung auf Motivation durch „anmachende“ Beispiele auch bei PrivatköchInnen, die sich gerne aus dem High End-Bereich ihre Inspirationen holen. Bei seinem neuen Buch über Gewürze zielt Antoniewicz stärker auf dieses größere Publikum. Dass das Buch in diesem Falle bei einem der großen Verlage für Kochbücher (i.w.S.) erscheint, macht also Sinn. Natürlich gibt es jedes Gewürz in Unmengen von unterschiedlichen Formen und Qualitäten. Hier geht es aber mehr um das, was üblicherweise im Handel oder auch im etwas stärker spezialisierten Handel zu finden ist, um das Material, mit dem man gerne einmal arbeiten möchte, aber vielleicht nicht so recht weiß wie. Ein Teil der Produkte ist dann auch direkt bei Antoniewicz zu erhalten, ohne dass man aber den Eindruck hätte, es ginge vor allem um diese Produkte/Gewürze.

 

Das Buch

Antoniewicz hält sich bei den Einleitungen zurück. Er schildert seine Motivationslage bei der Arbeit mit Gewürzen („Als wanderte ich durch eine Welt voller Aromenbilder“), sagt Allgemeines wie zum Beispiel „von der Pflanze zum Gewürz“ oder liefert Grundrezepte. Das ist knapp und klar. Die eigentliche Aufteilung des Buches lässt die emotionalen und motivationalen Aspekte deutlich erkennen. Die Hauptkapitel sind überschrieben mit „Waldbaden“, mit den Gewürz-Charakteristiken „herb, harzig, bitter, frisch, eukalyptisch, kräuterig und röstig“. Dann „Sprung ins kalte Wasser“, mit „salzig, erfrischend, kühl, klar, sauer, fruchtig“. „Hitze der Nacht“, mit „scharf, schwer, indisch, rauchig“ und „Windspiel“,mit „leicht, süß, sanft, zart, blumig, elegant“.

Nehmen wir als Beispiel einmal den „Waldbaden“. Die zugeordneten Gewürze (bei Antoniewicz wird der Begriff „Gewürze“ klassisch bis pragmatisch genutzt) sind: Birkenrinde, Dill, Drachenblut, Estragon, 5-Gewürze-Pulver, Huacatay, Koriander, Kubebenpfeffer, Liebstöckel, Lorbeerblätter, Mohn, Orangenblüten, Paradieskörner, Safran, Sakame-Fischsalz, Sellerieblätter, Wacholderbeeren, Zimtblüten. Diese Gewürze werden sodann in kleinen Abschnitten mit Bild etwas genauer vorgestellt – inklusive typischer Verwendungsmöglichkeiten.

Die Liste beim „Waldbaden“ deutet bereits an, dass der Duktus des Buches populär ist, der Inhalt aber durchaus nicht banal oder über die Maßen verkürzt. Dieser Eindruck setzt sich bei den Rezepten fort, die Antoniewicz wieder als ausgesprochen kreativen Kopf zeigen. Es gibt – wir sind immer noch beim „Waldbaden“ – zum Beispiel: „Gebackene Rote Bete mit Frischkäse und Cashewnuts“, die u.a. mit Zitronengras, Ingwer und 5 – Gewürze – Pulver behandelt werden. Oder: „Ziegenkäse mit Tomaten und Kubeben-Pfeffer-Salsa“, eine Sauce die gleich eine ganze Reihe von Gewürzen hat und in der Lage ist, das scheinbar bekannte Geschmacksbild erheblich aufzuwerten. Den Abschluss des Kapitels „Waldboden“ bildet dann noch etwas Material zum Foodpairing (auch darüber hat Antoniewicz bereits ein Buch geschrieben) – hier natürlich „Gewürzpairing“ genannt. Bei „Waldbaden“ sind dies Zimt und Sellerie, denen jeweils Produkte mit guter und sehr guter Aromenharmonie zugeordnet werden.

Die analog entwickelten weiteren Kapitel haben zum Beispiel Rezepte wie: „Kalbsrücken mit Schwarzkümmelkruste und Linsen“ (-Dukka), „Auberginen mit Garam Masala und Lammbällchen“, Frittierte Grüne Bohnen, Schokolade und Chili im Taco“, „Sardinen mit Hibiskusblütenbutter auf grüner Brioche“ oder „Kaffeeparfait mit Kardamom“. Viele Aromatisierungen gehen dabei über eine oft beträchtliche Anzahl von Aromen, die aber eher als Assemblage entstehen und nicht kompliziert hergeleitet/hergestellt werden müssen. Stilistisch fällt eine gewisse Nähe zum östlichen und südlichen mediterranen Bereich auf, also den Regionen, deren Küche gerade für jüngere Leute extrem attraktiv ist und die sich gerade durch die sinnvolle Verwendung von Gewürzen auch in der heimischen Küche gut erschließt. Kochtechnisch bedeutet der Einfallsreichtum von Heiko Antoniewicz in diesem Buch aber keine Hürde. Die Rezepte sind weitgehend für PrivatköchInnen zugeschnitten und benötigen nicht allzu viele Voraussetzungen. Antoniewicz beendet das Buch mit etwas Material zu „Allem, was satt und glücklich macht“, also die Beilagen Kartoffeln, Reis, Brot und Pasta, die – man ahnt es – einer adäquaten. Behandlung unterzogen werden.

Fazit

Es wird sofort deutlich, dass es einen Unterschied macht, ob ein Koch versucht, sein großes Wissen zu komprimieren und für populärere Verwendungen auf den Punkt zu bringen, oder ob es sich um eine mittelmäßige AutorIn handelt, die zwar vielleicht Überblick behauptet, aber keinen Überblick hat. Für dieses Buch bedeutet das, dass es Antoniewicz gelingt, die Sache mit den Reizen aus den hochinteressanten, weiten Welten der Gewürze anzureichern, die machbar sind und einen wirklich guten Effekt machen – ohne daß er dem Leser auch nur an der kleinsten Stelle die Motivation nimmt. Das ist ein ziemliches Kunststück und zeigt einmal mehr, wie wichtig dieser Autor in der Vermittlung von Kochkunst ist.

Das Buch bekommt 2 grüne BB

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