Auch Du, mein Sohn Johann! Steigt Johann Lafer aus oder um?

Johann Lafer (Foto © Lukas Jahn)
Johann Lafer (Foto © Lukas Jahn)
Mit Johann Lafer beendet ein weiterer Koch sein Engagement im Sternekoch-Bereich. Sein Gourmetrestaurant „Val d’Or“, das in der Hand wechselnder Küchenchefs nach wie vor mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde, wird geschlossen. Als Gründe nennt Lafer das, was man in der letzten Zeit im Zusammenhang mit der Schließung bzw. Umorganisation von Gourmetrestaurants häufiger hören kann. Hier das entscheidende Zitat aus einem Pressetext:

„Ich habe meine Sternejahre immer genossen, aber im Zuge meiner redaktionellen Genussreisen für mein Magazin in den letzten zwei Jahren entdeckte ich überall auf der Welt wieder die einfache Küche – ob Streetfood in Asien oder Humus im Libanon.“ Die Klarheit der Speisen und die hohe Qualität des Produkts hat Lafer von jeher begeistert. Nun möchte er zurück zu seinen Wurzeln, zum Herzschlag des Genusses und doch, wie gewohnt, auf hohem Niveau. „Die Kunst liegt in der einfachen Küche auf der Basis nachhaltiger Produkte und perfekter Verarbeitung mit dem gewissen Etwas, begleitet von unprätentiösem und exzellentem Service für den Gast. Und dieser hat sich verändert“, konstatiert Lafer.

Dazu hier zwei grundsätzliche Anmerkungen.

Ein Prozess des Gesundschrumpfens
Die letzten rund zehn Jahre haben in Deutschland bei den Restaurants eine Entwicklung gezeigt, die sich zu einem beträchtlichen Teil ohne „Rückendeckung“ durch das Publikum abgespielt hat. Die avancierte Küche hat sich im Zuge der stark verbesserten nationalen und internationalen Kommunikation rasend schnell entwickelt (wie eine Exponentialkurve), während sich die Entwicklung beim Publikum nach wie vor eher linear und langsam vollzieht. Das Resultat ist oft eine immer größer werdende Distanz zwischen Publikum und Spitzenküche – mit der Folge, dass viele Restaurants mangels Nachfrage in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Es zeigt sich dabei bei uns ganz deutlich, dass es noch keine wirkliche Genusspyramide gibt, mit vielen einfachen, aber guten Restaurants als Basis und einem Publikum, das mit positiven kulinarischen Erfahrungen auf allen Niveaus automatisch auch ein solides Interesse für die Spitzen des Fachs entwickelt.

Um eine „gesunde“ Bedarfspyramide herzustellen, fehlt es sowohl an guten Basisqualitäten als auch an dem so wichtigen Mittelbau, in dem deutlich besser als in der bürgerlichen Küche gearbeitet wird und der mit allerlei kulinarischen Verbindungen zur Spitzenküche das Interesse auch an der kompromisslosen Qualität der absoluten Spitze erzeugt. Es ist also gut für die Szene, wenn die Spitze etwas ausgedünnt wird und statt dessen ein solider Mittelbau entsteht. Die Szene muss sich gesundschrumpfen – wenn man so will. Eine viel so große Zahl nicht wirklich markanter Spitzenrestaurants hat keine Zukunft. Immer gleiche Mainstream-Gerichte, die den gerade aktuellen Anrichtemoden folgen, „braucht kein Mensch“ – wie man salopp sagen könnte.

Eine Prognose: Das geht vorbei
Wenn man sich allerdings ansieht, welche Art von Restaurants im Moment allerorten aus dem Boden schießt und welch ähnliche Sätze von der größeren Publikumsnähe und der unkomplizierteren Gastronomie immer wieder fallen, muss sich der Verdacht einschleichen, dass viele dieser Neuigkeiten wieder mehr Welle als Entwicklung sind. Die Inneneinrichtungen vieler „neuer“ Restaurants werden schon in wenigen Jahren als abgrundtiefer Kitsch wirken, nicht zeitlos gut, sondern extrem an kurzfristige Designer-Moden gebunden. Und wenn das Publikum wirklich einen kulinarisch „gesünderen“ Mittelbau braucht, darf man nicht vergessen, dass dies eher eine Medizin für einen nicht ganz gesunden Patienten ist als der kulinarischen Weisheit letzter Schluß. Es ist im kulinarischen Bereich immer ein Problem gewesen, zu weit auf das Publikum zuzugehen und darauf zu verzichten, es mit genialen Ideen (egal, ob einfach oder spektakulärer) zu begeistern. Wie sagt man so schön: das Gegenteil von entspannt ist spannend…

Es kann sein, dass man in Deutschland vor lauter Trend schon wieder überreagiert und über jedes sinnvolle Ziel hinausschießt. Es gibt Unmengen von kulinarischen Hausarbeiten zu erledigen – zum Beispiel mit der Optimierung und Mocdernisierung der Regionalküche. Die diversen Defizite habe ich hier bei www.eat-drink-think.de in der Abteilung „Gastronomie“ schon häufiger erwähnt. Statt dessen in einen wilden Mischmasch aus allen Küchenstilen zu flüchten, die man mittlerweile an jedem großstädtischen Hauptbahnhof bekommen kann, ist extrem vorschnell gehandelt – selbst dann, wenn man versucht, es überzeugend gut zu machen.

Da wird mittlerweile vorschnell gedacht und gehandelt und das Fähnlein nach dem Wind gehängt. Deshalb mein Verdacht und meine Prognose, dass wir diese Phase – vor allem in ihren Versionen „Weltküche mit südamerikanischen, südasiatischen und vorderorientalischen Elementen“ demnächst einmal für ziemlich albern halten werden.

6 Gedanken zu „Auch Du, mein Sohn Johann! Steigt Johann Lafer aus oder um?“

  1. Ich konnte schon des öfteren die kochkünste von Johann lafer genießen,und das waren immer kulinarische erlebnisse,dass er das geschäftliche auch im Auge behalten muss ist natürlich selbstverständlich und auch gut,hatte so manches sternerestaurant nicht,und es werden auch noch einige mehr in finanzielle Schieflage geraten.ich sehe Johann Lafer auch nicht als wellenreiter,lafer wird mit seiner kochkunst großen Erfolg haben,die nach lafer kommen sind die wellenreiter.

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  2. Hallo Herr Dollase, so ganz kann ich Ihre ausführungen vom gesundschrumpfen der szene nicht teilen- ist die spitze gekappt , bedeutet das keinesfalls einen positiven erfolg für mittel-und unterbau; dieser prozess löst keinen derartigen effekt aus. abgesehen davon-an welche spitze denken Sie jetzt ganz konkret? Lafers Val d’dor ist sicher seit jahren nicht mehr durch kulinarische innovation und entwicklung aufgefallen, andererseits bedeutet die schliessung thomas bühners LaVie sicher keinen positiven schub für die mittlere gastro in der region osnabrück.

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  3. Dem Herrn lafer werden in den nächsten Jahren noch viele Folgen mit diesem konzept,dass ist es was die Leute wollen,gutes Essen aus guten produkten,nova regio usw wird es nicht mehr lange geben zumal sich hier auch keiner dafür interessiert,Johann lafer ist wieder einmal der trendsetter in der Deutschen kulinarik,dafür wünsche ich ihm viel Erfolg.

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    • Die Rede von „gutem Essen“ usw ist viel zu abstrakt. Ich treffe in solchen und ähnlichen Zusammenhängen tatsächlich fast immer auf oberflächlich-modisch zusammengewürfelte Dinge, die wenig Sinn machen. Und weil bei Johann Lafer oft das Geschäft die entscheidende Grundlage bildet, nimmt er sich meist nicht die nötige Zeit, wirklich Gutes zu entwickeln. Außerdem trifft „Trendsetter“ wohl weniger zu als vielleicht „Wellenreiter“….
      Die „Nova Regio“ – Küche ist noch auf längere Zeit Avantgarde, auch wenn sie sich enorm verbreitet hat. Aber – sie ist auch ein Teil der Zukunft, in der die Menschen vielleicht einmal auch Dinge essen, die ökologisch sinnvoller sind, als das, was sie heute zu sich nehmen…

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