Christian Steska: Pekannuss-Oliven-Eis mit Apfelessig und Süßholz

Foto: Christian & Friends,Pekanuss-Oliven-Eis mit Apfelessig und Süßholz

Christian Steska ist Koch im „Christian & Friends“ in Fulda und arbeitet dort mit einem ungewöhnlichen Konzept. Das Boutique-Restaurant hat einen vorderen und einen hinteren Gastraum. Dazwischen ist die Küche, die definitiv daran erinnert, dass es sich um eine ehemalige Wohnung handelt. Die Küche sieht aus wie eine gute, aber nicht besonders spektakuläre Privatküche mit einer Zeile an der Wand und einer Kochinsel. Von professionellem Küchengerät ist jedenfalls kaum etwas zu sehen. Und trotzdem gibt es hier eine gute Küche, die sicher noch bekannter werden wird.

Für die Analyse eines einzelnen Gerichtes auf www.eat-drink-think.de muss die Komposition etwas ganz Besonderes haben. Als ich nach einigen Gängen dieses Dessert bekam und probierte, war ich sofort begeistert und konnte es nur als eines der besten Desserts sehen, die ich in der letzten Zeit bekommen habe. Und weil ich selber ganz genau wissen wollte, woher denn nun eigentlich mein Eindruck kommt, habe ich um das Rezept gebeten. Im Prinzip sind Desserts mit Olive nicht unbedingt selten. Pekannüsse gibt es regelmäßig, Süßholz und Säure wie hier vom Apfelessig kommen ebenfalls vor. Macht es die Mischung, oder gibt es sonst einen Schlüssel dazu, dass dieses Dessert so gut ist?

Hier erst einmal die Details.

Pekannuss-Oliven-Eis mit Apfelessig und Süßholz
Die Basis auf dem Teller bildet ein Apfelessig-Süßholz-Sirup, für den erst ein Karamell gekocht wird, das dann mit recht viel Apfelessig und Lakritzpaste vermischt wird. Bei einem Verhältnis von 200 g Zucker zu 300 ml Apfelessig entsteht eine Proportion, die durchaus Einiges an Säure hat. Das Pekannuss-Oliven-Eis hat neben der Basis aus Pekannusspaste und frischen Pekannüssen, eine schwarze Oliventapendade und weiße Schokolade. Die Nussaromen haben eine gute Nähe zu den Olivenaromen und machen das Aroma der Eiszubereitung breiter. Für die Oliven-Karamell-Hippen werden getrocknete Oliven mit Isomalt vermischt, mit einem feinen Sieb auf einer Silpat-Matte verteilt und im Ofen bei 160° C geschmolzen. Weitere Elemente beim Anrichten sind Stückchen von getrocknetem Pumpernickel und Gold Peta Zeta-Körner. Die Zahl der Elemente hält sich also eigentlich in Grenzen.

Degustation: Räumlichkeit als zweite Dimension neben der Aromatik
Christian Steska stammt aus einer Bäckerei-Konditorei-Familie und hat erst einmal eine entsprechende Lehre gemacht. Die Kochausbildung kam dann später. Insofern hat er also eine besondere Affinität zum süßen Bereich, die ihn offensichtlich die Dinge etwas anders schmecken lässt. Bei diesem Dessert fällt sofort ein exzellenter Akkord auf, der sich zwischen Süße, Oliven, Nussigkeit, Säure und dem speziellen Pumpernickelaroma (das nahe an die Tapenade kommt) entfaltet, wobei ein echtes neues Aroma, ein innovativer Geschmack entsteht. Dieser Akkord schmeckt dabei trotz der normalerweise recht massiven Elemente nicht zu dicht und aufdringlich-plakativ, sondern entfaltet eine beträchtliche Eleganz.

Es fällt beim Essen im „Christian & Friends“ ganz allgemein auf, dass man Steskas aromatische Ergebnisse nicht einfach als „Akkorde“ bezeichnen kann. Was er macht, gleicht eher einer ausgetüftelten Geschmacksarchitektur, die offensichtlich im Mittelpunkt seiner Bemühungen steht. Alles wird so zugeordnet, dass ein übergeordneter Akkord entsteht, es geht also nicht so sehr um ein Hauptprodukt mit Begleitung oder um ein mehr oder weniger gesteuertes Spiel der Elemente untereinander (wie das oft bei Gerichten mit Reihen von texturell unterschiedlichen Elementen der Fall ist). Erkennt man diesen Zusammenhang, wird die Wirkung klarer, entschlüsselt sich aber immer noch nicht ganz.

Das zweite große Thema dieses Desserts ist die Räumlichkeit. Wir sind ja beim Essen normalerweise zuerst einmal auf die Aromatik fixiert und stellen dann schnell fest, ob etwas „gut schmeckt“ oder nicht. Bei diesem Dessert wird aber schnell deutlich, dass die Texturen und Temperaturen eine ganz wesentliche Rolle spielen und die Aromen quasi inszenieren. Man hat Vordergründiges wie die Pekannussstücke, die Hippen oder die Kälte des Eises. Und weil diese Elemente ihr Aroma erst nach einer gewissen Zeit freigeben, erlebt man ganz klare zeitliche Verläufe, die in diesem Falle – klar erkennbar – in gewisser Weise parallel laufen. Hat man ein Stück Hippe auf dem Löffel, steht der krosse Biss erst einmal im Vordergrund. Das Nussaroma entwickelt sich danach mit dem Zerkauen und wird dabei vom Pumpernickel modifiziert, das – wie die Nuss – ebenfalls ein klein wenig „Vorlauf“ braucht. Das Eis zeigt sein Aroma beim Schmelzen, ist aber ein wenig schneller als das Nussaroma. Es kommt dann nach einigen Sekunden zu einem dichten Hin und Her von Überscheidungen und Vermischungen, die kurzfristig unterschiedliche Summen zu bilden scheinen, tatsächlich aber mit dem Karamell auf den aromatischen Akkord hinauslaufen. Das kann man wirklich so mitbekommen – auch ohne sich allzu stark zu konzentrieren. Die Peta-Zeta-Körner sind übrigens in diesem Geschehen eher dezent eingebunden und kein vordergründiger Effekt. Sie sorgen für eine Art kleine, irritierende sensorische Unterhaltung, unterstützen also die anderen Ereignisse bei Texturen und Temperaturen. Diese räumlichen Ereignisse sorgen ganz entscheidend dafür, dass dieses Dessert trotz der kräftigen Teilaromen eine wunderbare Transparenz entwickelt, die ausgesprochen hochwertig und interessant wirkt.

Ob Steska das absichtlich macht oder nicht, spielt eigentlich kaum eine Rolle. Aber – wenn Intuition analysierbar wird, wenn man feststellen kann, warum bestimmte Kreationen so gut wirken, wie sie das in diesem Falle tun, kann man darüber nachdenken und lernen. Das gilt dann nicht nur fürs Kochen, sondern auch fürs Essen: Das differenzierte Erlebnis ist eben etwas ganz anderes, als der banale Abgleich mit den eigenen Vorlieben ….

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