Das EDT-Meinungsprofil deutsche Spitzenküche. Ergebnisse.

Hier nun die Ergebnisse unserer Umfrage zu einem „Meinungsprofil deutsche Spitzenküche“. Soweit man die Teilnehmer einschätzen kann, handelt es sich bei ihnen weitgehend um eine Mischung aus Köchen, Profis aus anderen kulinarisch relevanten Bereichen (z.B. Produzenten, Zulieferer) und Höchstinteressierte. Man hat sich bei der Teilnahme also zum Teil direkt mit Fragen des eigenen Berufsstandes befasst. Das hält natürlich die Selbstkritik ein wenig in Grenzen, schafft aber eine besondere Relevanz hinsichtlich von Aussagen, die etwas zum Selbstverständnis und den Problemen eines Berufsstandes sagen können. Die Ergebnisse sind sehr interessant. Vielen Dank fürs Mitmachen!

Die Zahlen sind so zu verstehen: 75,4% für eine Aussage bedeuten, dass in 75,4% der abgegebenen Bögen die betreffende Aussage angekreuzt war. Nach den Einzelergebnissen finden Sie einige Anmerkungen von mir zu den Ergebnissen.

Einzelergebnisse
1. – 75,4% – Die deutsche Spitzenküche müsste im öffentlichen Bewusstsein längst einen viel höheren Stellenwert haben.

2. – 73,1% – Die deutschen Spitzenköche sollten ganz selbstverständlich auch bei Staatsessen als wesentliche Repräsentanten der deutschen Kultur eingesetzt werden.

3. – 69,2% – Es macht keinen Sinn, wenn man von Sylt bis München im Prinzip die gleichen Gerichte bekommt.

4. – 69,2% – Die Presse sollte die deutsche Spitzenküche kritisch, aber regelmäßig begleiten. Dauernde Lobeshymnen nutzen ihr ebenso wenig wie ihre völlige Unterschlagung.

5. – 68,5% – Die deutsche Spitzenküche sollte wie in anderen Ländern auf dem gleichen Level wie die anderen Künste gesehen werden. Sie gehört z.B. regelmäßig nicht nur ins Mittagsmagazin, sondern auch in Kultursendungen.

6. – 60,0% – Die deutsche Spitzenküche braucht eine nationale Institution wie etwa eine Deutsche Hochschule für Kochkunst.

7. – 59,2% – Das größte Problem der deutschen Spitzenküche ist der Mainstream. Alles, was gerade als schick und neu gilt, wird sofort von so vielen Köchen kopiert, dass es wieder überall zu finden ist.

8. – 56,9% – Die deutsche Spitzenküche braucht eine nationale Aktionswoche nach Art der französischen „Semaine du goût“, in der z.B. Schüler und Jugendlich Kontakt zu guten Produkten und guter Küche bekommen können.

9. – 55,4% – Der deutschen Spitzenküche fehlen – ganz einfach ausgedrückt – Spitzenrestaurants, in denen die Schweinshaxe immer noch Schweinshaxe ist, aber von sagenhafter Qualität.

10. – 51,5% – Die Verbindung aus regionalen Produkten und Traditionen und Avantgarde („Nova Regio“-Küche) ist die Küche der Zukunft und sollte viel häufiger zu finden sein.

11. – 46,9% – Die deutsche Spitzenküche steht absolut auf gleichem Niveau wie andere Spitzenküchen dieser Welt.

12. – 43,9% – Die neue kreative Berliner Szene (z.B. „Horvath“, „Einsunternull“, „Nobelhart & Schmutzig“, „Ernst“) ist ein Segen für das Land.

13. – 38,5% – Man kann in den besten deutschen Restaurants sehr viel preiswerter essen als bei der europäischen Konkurrenz.

14. – 38,5% – Die deutsche Spitzenküche ist schwächer als z.B. die französische, italienische oder spanische, weil sie zu wenig Bezug zu den eigenen kulinarischen Traditionen hat.

15. – 36,9% – An den Gerichten in jedem deutschen Spitzenrestaurant sollte man ohne weiteres erkennen können, in welcher Region es sich befindet.

16. – 35,4% – Die besten deutschen Köche sollten eine Vereinigung gründen, die die Interessen und Ansichten und Fähigkeiten der Spitzenküche offensiv nach außen vertritt – auch international.

17. – 32,3% – Eine Reihe von Spitzenrestaurants müssten längst niedriger bewertet werden.

18. – 33,8% – Es ist ausgesprochen erfreulich, dass sich in Deutschland eine Art „demokratische“ Spitzenküche entwickelt, die mit „Schicki-Micki“ wenig zu tun hat.

19. – 33,1% – Die Bewertungen der besten deutschen Restaurants in den Restaurantführern entspricht weitgehend den Realitäten.

20. – 30,0% – In den deutschen Spitzenrestaurants müsste es preislich sehr viel unterschiedlichere Angebote geben, vor allem in einem preisgünstigeren Sektor.

21. – 28,5% – Die Anleihen bei französischer, mediterraner oder asiatischer Küche sollten immer die Ausnahme und nicht die Regel sein.

22. – 26,9% – Die deutsche Spitzenküche braucht dringend Restaurants (oder auch Menüangebote), die wirklich kreativ sind und völlig neue kulinarische Horizonte öffnen.

23. – 24,6% – Die neue Berliner Szene ist sehr interessant, aber zu weit weg vom „normalen“ Publikum.

24. – 23,1% – Die deutsche Spitzenküche ist handwerklich sehr gut, aber langweilig.

25. – 22,3% – Der deutschen Spitzenküche fehlen kreative Köche von internationalem Format.

26. – 20,0% – Der deutschen Spitzenküche fehlen die überragenden Leitfiguren.

27. – 16,9% – Die besten deutschen Köche sollten ihr Können auch in andere Bereiche einbringen und sich nicht nur auf ihr Hauptrestaurant beschränken.

28. – 8,5% – Die Bewertungen der besten deutschen Restaurants in den Restaurantführern sind zu niedrig.

29. – 6,9% – Unsere besten Köche sind einfach nicht cool genug. Es fehlen die echten Typen, die ihr Ding machen und sonst nichts.

30. – 4,6% – Die Bewertungen der besten deutschen Restaurants in den Restaurantführern sind zu hoch.

Anmerkungen
Die beiden Aussagen mit der höchsten Zustimmung verweisen darauf, dass die mangelnde Anerkennung der Spitzenküche in Deutschland (vor allem ja auch im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder Spanien) als ein Hauptproblem gesehen wird. Auch die Plätze 3 und 5 gehen in diese Richtung, wobei im Hintergrund wohl steht, dass es der Berichterstattung/der Rezeption der Spitzenküche in Deutschland einfach an der nötigen Selbstverständlichkeit mangelt. Sowohl in Zeitungen wie z.B. in TV-Magazinen wird über Spitzenküche oft wie über eine entlegene Kuriosität berichtet. In der Regel wirken die Journalisten so, als würden sie das Thema einfach nicht verstehen.

Zu einer möglichen Verbesserung der Lage wird auch etwas ausgesagt. Überraschend viele (60%, Platz 6) können sich als Schwerpunkt für alle kulinarischen Fragen eine Deutsche Hochschule für Kochkunst vorstellen. Nur 35,4% sind dagegen für eine Vereinigung der Spitzenköche. Vielleicht spricht aus dieser eher niedrigen Zustimmung die Besorgnis, es könne sich dann – anders als etwa bei einer Hochschule – schnell wieder um Vereinsmeierei oder primär kommerzielle Interessen handeln.

Die konkrete Kritik richtet sich (schon auf Platz 3) vor allem gegen den Mainstream, der schon seit vielen Jahren verhindert, dass Küchen mehr Profil und mehr Identität bekommen. Mit 59,2% und Platz 7 wird das Thema noch einmal spezifiziert. Auch die – für mich in dieser Höhe durchaus überraschenden – 55,4% pro Spitzen-Schweinshaxe auf Platz 9 gehört in diese Abteilung, ebenso wie die Erwartung, dass die Nova Regio – Küche (die ja in der Konsequenz eine klar regionale/nationale Kreativität erbringen würde) so positiv gesehen wird. In diesem Zusammenhang steht auch die recht positive Bewertung der neuen Berliner Küche (43,9%) – mit der Einschränkung (24,6%), dass sie noch zu weit vom breiten Publikum entfernt ist.

Die Bewertungen in den Führern sind offensichtlich nicht das wichtigste Thema, wobei allerdings erstaunt, dass man die Bewertung von einer Reihe von Spitzenrestaurants (die schon länger in der Spitze sind) für zu hoch hält (immerhin 32,3%). Insgesamt fällt auf, dass die Notwendigkeit an Änderung bei den Köchen (also etwa mehr Kreativität, mehr Individualität, mehr Leitfiguren, mehr Ideen und nicht nur Handwerk) für eher gering gehalten wird. Ein größerer Teil der Aussagen, die am wenigsten Zustimmung finden, gehört in diese Abteilung.

Vielleicht sollten wir bei EDT die Meinungsbilder fortsetzen und dabei detaillierter in Themen vorstoßen. Mögliche Themenbereiche gibt es – von Vorschlägen für die Schulernährung bis zu kochtechnischen Diskussionen – in großer Zahl.

1 Gedanke zu „Das EDT-Meinungsprofil deutsche Spitzenküche. Ergebnisse.“

  1. Sehr interessante Zusammenfassung, wenn man dies so im ganzen liest.
    Danke Herr Dollase.

    Wenn man dies auch noch in irgendeiner Form, in kleinen Teilen, in der Praxis zur Umsetzung durchsetzt, wird sich dies bestimmt ins positive wenden.
    Größtes Problem wird aber weiterhin der Nachwuchs sein, hier sollte man, gerade in der Öffentlichkeit, viel präsenter sein und die Vorteile aufzeigen was die Profi-Küche GUTES zu bieten hat.
    Es wird wenn dann nur die Nachteile in den Medien aufgezeigt. (Arbeitszeit, richtig schuften, Überstunden usw…..)

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