Der Geist von Schloss Prielau

Andreas Mayer: Der Duft von Gemüse. Vegetarische Gerichte für Geniesser. Matthaes Verlag, Stuttgart 2021. 241 S., geb., Hardcover, 49.90 Euro

 

 

 Die Qualität der fleischlosen Gerichte (um den Begriff „vegetarisch“ einmal rein kulinarisch einzuengen..) ist besser geworden, befindet sich aber immer noch in einer Übergangsphase. Einerseits gibt es nach wie vor eine Schwemme von vegetarischen Gerichten aus der Hand von Hobbyköchen, die per Popularität unter Ihresgleichen zu mehr oder weniger erfolgreichen BloggerInnen werden und auf diesem Weg – auch ohne größere Qualifikationen – es teilweise irgendwann auch in die Bücher schaffen. Dass sie dort oft genug Veröffentlichungen der besten Köche im grunde verhindern, sollte ihnen bewusst sein. Sie werden gedruckt, weil man ihre Sachen verkaufen kann oder sich einen guten Verkauf verspricht, sie werden nicht gedruckt, weil ihre Leistungen so überragend sind. Diese komplette 180° – Wende vieler Verlage in der Grundlegung ihrer verlegerischen Prinzipien ist keine gute Entwicklung. Bücher sollten von den Besten gemacht werden. Punkt.

Aber – es gibt zunehmend auch Bücher aus der Hand von Könnern, von Köchen, die sich nicht darauf beschränken müssen, wahllos ein paar Sachen zusammenzuwürfeln, die dann „lecker“ aussehen, sondern die in der Lage sind, das Spektrum von Gemüsegerichten wesentlich auszubauen. Wegen des guten Geschmacks geht es dahin, wo es Spaß macht und auch größere Kreise von Essern eine Küche gut finden, weil sie eben gut ist, und nicht, weil sie sie politisch korrekt finden oder sie zu einer bestimmten kulinarischen Weltanschauung passt. Man muss das immer wieder erwähnen, weil die Arbeit mancher Verlage da schon große Schäden angerichtet hat.

Glücklicherweise haben wir ja noch zum Beispiel den Matthaes-Verlag, der die Szene gut beobachtet und sich auf das konzentriert, was wesentlich ist. In diesem Buch geht es um die vegetarische Küche von Andreas Mayer vom Restaurant Schloss Prielau in Österreich (wo vor ihm der legendäre Sensibel-Koch Jörg Wörther gearbeitet hat). Mayer hat – wie Wörther – auch schon bei Eckart Witzigmann gearbeitet und präsentiert im Restaurant auch ein vegetarisches Menü von Rang (5 Gänge 135 Euro, 7 Gänge 165 Euro).

 

 

 

Das Buch

Ein wenig überraschend stellt man zuerst einmal fest, dass Andreas Mayer die Sache mit dem Duft etwas ernster meint, als man vermuten könnte. Es geht tatsächlich erst einmal um Gerüche und um seine Experimente mit „Genussparfüms“. Das Ganze findet allerdings nur auf wenigen Seiten statt. Ich kenne solche Ansätze aus früheren Zeiten und bin da sehr zurückhaltend. Die Sensibilisierung für den „Duft von Gemüse“ ist sicherlich eine gute Sache und bringt in Zeiten, in denen viele Leute ihre Sinne kaum zu nutzen wissen, sicherlich einen Fortschritt. Weil das, was in diesem Buch dann weiter veröffentlicht ist, viel Sensibilität bei Mayer verrät, kann man die Sache mit den „Genussparfüms“ vielleicht erst einmal ohne größere Kommentare stehen lassen.

 

Ab Seite 24 geht es dann mit den Rezepten los, und zwar erst einmal im Kapitel „Vorratsschrank“. Es beginnt mit einer Gemüsebrühe, die bei vielen Zubereitungen eine Rolle spielt und die leider angesichts ihrer Wichtigkeit keine wirklich präzisen Mengenangaben enthält. Pro Liter „2 Karotten, eine Schalotte“ usw. anzugeben, sollte heute so ungenau nicht mehr stattfinden. Da wird die Zahl der Variablen schnell so groß, dass man ein Rezept nicht reproduzieren kann. Abgesehen von diesem, leider kaum jemals nicht zu findenden Mangel, geht es nun an eine feine Gemüseküche auf der Basis einer eher an bewährten Spitzenküchenmustern einer deutsch-österreichischen Gourmetküche orientierten Küche. Das muss man so kennzeichnen, weil es hier nicht um eine Nova Regio-Küche oder eine sonstwie puristisch-avantgardistisch orientierten Küche geht. Insofern wundert es dann auch nicht, dass bei den Grundzubereitungen im „Vorratsschrank“ allerlei Schäume der klassischen Art zu finden sind (die ich vor Jahren, als viele ältere Köche an Espuma und Air herumkrittelten, immer gerne „Altschäumchen“ genannt habe). Es gibt Portweinschaum, Steinpilzschaum, Meerrettichschaum usw. usf.

Es folgt „Fingerfood“ („Rote Bete-Pralinen mit Schokolade und Kren“), dann Vorspeisen, Suppen, Zwischengerichte, Hauptgerichte und Desserts. Man findet zum Beispiel einen „Buchweizenburger mit Brioche und Trüffelcreme“, „Terrine und Sülze vom Sellerie mit Petersilienwurzelsalat, Pekannuss und schwarzem Trüffel“, „Rote Bete-Carpaccio mit Kartoffel-Meerrettichsavarin und Schnittlauchvinaigrette“, eine „Vegane Gulaschsuppe“, „Auberginen mit Steinpilzen und Bergkäse-Eis“, „Blumenkohllasagne mit Mangold und Trüffelsauce“, „Krautwickel mit Brezenknödeln, Navetten und Kohlrabi“,„Kräuterfalafel mit Tomatenmarmelade“ oder „Krenravioli mit Rote Bete, Kohlrabi und Meerrettichschaum“, eine Komposition, die in ihrer zurückhaltenden Anlage unbedingt an Jörg Wörther erinnert (was man als Kompliment verstehen sollte…). Diese Beispiele, die stilistisch typisch sind und nicht wesentlich vom gesamten Programm abweichen, machen klar, dass diese Küche etwas für Leute ist, die – sagen wir: die Spitzenküche schon seit einiger Zeit kennen und nun auf Gemüsegerichte treffen, die bei Andreas Mayer ein adäquates Niveau zu den „normalen“ Fisch- und Fleischgerichten erreicht haben. Man wird bei diesen Geschmacksbildern und der präzise erarbeiteten Raffinesse nichts vermissen und auch einmal ein vegetarisches Menü essen können, ohne überhaupt an Fisch und Fleisch zudenken.

 

 Fazit

Andreas Mayer ist kein Revolutionär der Gemüseküche, schließt aber mit seiner Arbeit ganz selbstverständlich und in gewisser Weise auch erstaunlich ausgereift eine wichtige Lücke. Die Gemüseküche hat selbstverständliche alle Perspektiven der Welt und muss keineswegs irgendeine Form der Reduktion sein. Sie muss sich weder in willkürlichen Assemblagen nach BloggerInnen-Art erschöpfen, noch eine Sprödigkeit haben, die Freunde der feinen Küche abschreckt. In diesem Buch sind die Vorteile einer entwickelten Gemüseküche präzise repräsentiert. Was vielleicht ein Stück weit fehlt, ist etwas, das auch in der Vergangenheit oft wenig mit der Spitzenküche zu tun hatte, nämlich ein höherer Anteil von Zubereitungen mit rohen Produkten. Andreas Mayer glänzt eher mit seiner Fähigkeit, Gemüse zuzubereiten und zu interessanten Kompositionen zusammenzufügen. Für Leser, die – siehe oben – entsprechend orientiert sind, ist das Buch ein echter Gewinn.

Das Buch bekommt 2 grüne BB

Credits Fotos: Klaus Bauer

3 Gedanken zu „Der Geist von Schloss Prielau“

  1. Liebe Frau Mayer,

    Sie haben natürlich völlig recht. Mein Beitrag bezog sich auf Dollases Ausführungen, dass BloggerInnen „seriöse“ Autoren aus den Verlagen verdrängen würden. Damit wurde ihr Buch quasi in Konkurrenz zu diesen Publikationen gesetzt. Diese ist jedoch, wie Sie völlig zu recht bemerkt haben, gar nicht gegeben, da eine ganz andere Klientel angesprochen werden soll. Will man nun eine breitere Gruppe ansprechen sind Bücher wie die von Ihnen herausgegebenen eben kein Modell- anders als in Dollases Artikel suggeriert.

    Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit Ihrem neuen Buch!

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  2. Man sollte sich bezüglich der Verlagspolitik vielleicht klar machen, dass es unterschiedliche Kundengruppen gibt. Zum einen sind dort die kulinarisch interessierten, die zudem über die Zeit verfügen, aufwendigere Rezepte umzusetzen. Zum anderen ist da aber die weitaus größere Gruppe der Familien mit Kindern in der beide Elternteile arbeiten. Mangels Zeit liegt hier der Fokus auf schnellen Zubereitungen (<30 Minuten), wenigen und einfach zu beschaffenden Produkten und einer ausgewogenen Ernährung. Gerade letzteres sollte angesichts einer sich epidemieartig ausbreitenden Adipositas/Typ II Diabetes in unserer Bevölkerung ein ernstes Anliegen all derer sein, die sich mit Essen beschäftigen. Offensichtlich genießen Bücher wie dieses, in welchem "Portweinschaum, Steinpilzschaum, Meerrettichschaum" für den "Vorratsschrank" empfohlen werden oder sich Rezepte für „Auberginen mit Steinpilzen und Bergkäse-Eis“ und „Blumenkohllasagne mit Mangold und Trüffelsauce“ befinden nicht so sehr das Vertrauen dieser weitaus größeren Käufergruppe 2. Das Verhalten der Verlage ist da vorprogrammiert. Also statt zu jammern sollten sich Spitzenköche/Kritiker vielmehr überlegen, wie diese Kundengruppe mit sinnvollen Kochbüchern angesprochen werden kann.

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    • Lieber Marius,

      der Matthaes Verlag ist ein Profiverlag für Fine Dining. Viele Themen in deren Edition sind hochkomplex und eigentlich für Profis in der Küche gedacht. Aber es gibt doch genügend Verlage wie z.B. G&U, die genau die von Ihnen beschriebenen Anforderungen haben. Die beschriebenen und gekochten Essenzen sind leicht und sicherlich nicht ein Grund für steigende Zahlen Adipositas erkrankter Menschen. Das Buch „Der Duft von Gemüse“ beschäftigt sich intensiv mit Aromen, deren Zusammenspiel und Ursprung und seiner möglichen Verwendung. Und Sie haben völlig Recht: kein Buch für die große Käufergruppe 2. Doch ein intensives und sehr interessantes Kochbuch für Käufergruppe 1, die ja auch mit Büchern angesprochen werden möchte. Es ist die gleiche Situation bei Restaurants: selbstverständlich kommen Sie nicht abgehetzt, mit hungrigen Kindern in unser Gourmetrestaurant, sondern besuchen in dem Fall die Schlosswirtschaft unseres Hauses. Doch wenn ein Gast wirklich eine außergewöhnliche Küche sucht, dann bucht er einen Tisch im Gourmetrestaurant. Seien wir doch froh, dass der Mensch in so vielen Facetten lebt und für jedes Bedürfnis heute ein geeignetes Produkt findet.

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