Der Zabert-Sandmann-Verlag übernimmt Gault Millau: Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?

Gault MillauNach Ablauf der Gault&Millau-Lizenzen für die deutschen Ausgaben (Restaurantguide und Weinguide) hatten sich mehrere Interessenten um die Fortführung beworben, darunter auch solche mit viel Know-how in Sachen Spitzenküche und Wein. Den Zuschlag erhielt der ZS-Verlag. Er wird die Führer fortführen, allerdings in veränderter Besetzung. Gault& Millau-Herausgeber und Ex-Chefredakteur Manfred Kohnke scheidet aus, Chefredakteurin Patricia Bröhm bleibt. Weinguide-Chef Joel B. Payne bleibt Herausgeber, nicht aber Chefredakteur. Diesen Posten übernimmt Britta Wiegelmann. Insgesamt ist das Ziel, „einen dynamischen Ausbau von Gault&Millau in neue Geschäftsfelder voranzutreiben. Gault&Millau soll sich von einer Printausgabe hin zur führenden multimedialen Premium-Plattform für alle Genuss-Themen entwickeln“ – so der Pressetext.

Vermutung I: Da braut sich Anderes zusammen
Der ZS-Verlag ist bisher nicht unbedingt als Anwalt der Spitzenküche aufgefallen, sondern eher als extrem kommerziell orientierter Vermarkter, zum Beispiel von bekannten TV-Köchen wie Alfons Schuhbeck, und als ein Verlag, der eher Trends aufnimmt und ausschöpft, denn irgendwelche kreativen Risiken geht. Insofern wundert ZSes nicht, dass man es nicht dabei belassen will, nur die Führer herauszubringen, sondern plant, die „Marke“ Gault&Millau stärker auszubauen. Über den Herausgebern und den Chefredaktionen wird es einen „Commercial Director“ geben (Carina Rey), und auch Dorothee Seeliger, „Verlagsleitung Dr. Oetker & New Business“.
Zitat von ihr: „Wir übertragen die Idee der französischen ‚Communauté des Chefs’ in eine deutsche Gemeinschaft der Köche, Winzer und Genießer“. Das klingt erst einmal etwas anders, als das Image eines Führers, der wegen einer – sagen wir: leicht andersartigen Berichterstattung zumindest in früheren Zeiten auch den essenden Bildungsbürger erreicht hatte.

Vermutung II: Vor lauter Wind vergisst man das Kerngeschäft
Der Restaurantführer ist in den letzten Jahren etwas in die Defensive geraten. Laut einer Umfrage der Zeitschrift „Sternklasse“ ist der Guide Michelin bei weitem die Nr. 1 was die Glaubwürdigkeit und Professionalität angeht, mittlerweile aber gefolgt von „Gusto“, der ebenfalls wortreichen Konkurrenz des Gault&Millau. Die alte Dominanz ist also verschwunden.
Insofern hätte man guten Grund, von den neuen Lizenznehmern eine energische Reformierung zu erwarten, um die alte Position zurückzugewinnen – vielleicht in Form einer stärkeren Professionalisierung der immer wieder umstrittenen Tester, vielleicht in einer sachlicheren Ausrichtung, vielleicht in einer klareren Funktionalität, wie sie vor vielen Jahren einmal existierte, als man noch z.B. zwischen kreativen und klassischen Küchen unterschied.
Hat man bei ZS diese Entwicklung nicht mitbekommen? Hält man sie für unwichtig? Glaubt man nicht mehr an die Zukunft von Restaurantführern im klassischen Sinne und will nun noch schnell die Marke anders füllen? Es steht zu befürchten, dass es den Gault&Millau im traditionellen Sinne bald nicht mehr geben wird. Die Aufräumer sind am Werk – wie in manchen Hotelgruppen, in denen kulinarische Qualität aussortiert wird. Warten wir es ab.

1 Gedanke zu „Der Zabert-Sandmann-Verlag übernimmt Gault Millau: Ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?“

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