Die Köche müssen es selber machen!

Auf dem CHEF-SACHE-Kongress gestern und vorgestern in Düsseldorf habe ich u.a. ein Live-Online-Interview mit dem amerikanischen Nachhaltigkeits-Starkoch Dan Barber in New York geführt. Barber ist vielleicht derjenige Koch, der am meisten über seinen Beruf und die Ernährung nachgedacht hat. Sein umfangreiches Buch „The Third Plate“ hat eine große, ebenso kulinarische wie schriftstellerische Qualität. Barber hat früher englische Literatur studiert und wollte eigentlich Schriftsteller werden…

Ich möchte hier ein paar der markantesten Aussagen aus dem an markanten Aussagen wirklich reichen Interview vorstellen.

Die Köche müssen es selber machen
Ich hatte danach gefragt, welche Verbündete die Köche brauchen, um ihre Ideen der Nachhaltigkeit auch in einem größeren gesellschaftlichen Rahmen umzusetzen und durchzusetzen. Braucht man Intellektuelle, Politiker, Journalisten – vielleicht auch den ein oder anderen Prominenten, wie das bei uns in vielen Fällen so üblich ist? – Die Antwort von Dan Barber war sehr klar und in gewisser Weise auch radikal. „Nein“, sagte er sinngemäß nach einer offensichtlich nachdenklichen Pause, „das müssen die Köche schon alleine machen. Die Politiker, Intellektuellen oder Prominente bringen uns gar nichts. Die haben einfach zu wenig Ahnung vom Kochen und Essen und werden uns überhaupt nicht helfen können. Es hat keinen Zweck, immer in diese Richtung zu schielen.“ Und dann wies er unter anderem darauf hin, dass in den USA die Berufsgruppe der Köche mittlerweile von allen Berufen das größte Ansehen hat, dass man den Köchen am meisten vertraut.

Ich habe in Deutschland ähnliche Umfragen in Erinnerung, in denen es um das Ansehen wirklich nicht schlecht bestellt ist – wenn auch nicht ganz so gut wie in den USA. Außerdem habe ich in Deutschland Zweifel, ob der ein oder andere Klamauk-Fernsehkoch und Koch-Komiker dem Ansehen des Standes in dieser Richtung wirklich nutzt. Was Barber meint, wurde auch etwas später noch einmal deutlich. In seinen Augen ist der Koch, der sich nur in seiner Küche aufhält und sich nicht auch mit anderen Dingen der Ernährung befasst, kurzsichtig und in gewisser Weise von gestern. Den Vertrauensvorschuss an Seriosität – so ein Koch ihn eben hat – sollte man intensiv nutzen, um die ganze Sache vorwärts zu bringen. Insofern sind die letzten „Enthüllungen“ der „Zeit“ (siehe mein Bericht dazu) natürlich das Allerletzte.

Vergessene Gemüse, alte Sorten? Nicht unbedingt
Dan Barber ist so ungefähr das Gegenteil von den vielen Öko-Theoretikern, denen BIO alles ist, und die die Neigung dazu haben, gesundes Essen mehr oder weniger technisch zu definieren. Ich habe schon oft angemahnt, das Bio-Essen, Vegetarisches oder Veganes vor allem richtig gut schmecken muss, um auf der Genussschiene zu überzeugen. Das ist auch voll und ganz die Position von Dan Barber, der dabei sogar noch weiter geht und einen Bereich attackiert, der für viele nachhaltig denkende Menschen schon fast eine heilige Kuh ist. Auf die Frage nach der Verwendung von alten Sorten oder vergessenen Gemüsen etc. weist er darauf hin, dass das nicht seine wichtigste Zielrichtung ist, sondern die optimale Produktion von Lebensmitteln an erster Stelle steht. Er sieht vor allem bei den Farmern große Probleme bis sie in der Lage sind, neue Sorten so zuverlässig in so großen Mengen zu produzieren, dass das Sinn macht.

Überraschend antwortete er auf die Frage, ob denn in New York tatsächlich die ganze Bevölkerung mit nachhaltig erzeugten Lebensmitteln versorgt werden könne ganz klar mit Ja: „Es gibt rund um New York mittlerweile so viele Farmer mit nachhaltiger Produktion, dass man weit mehr als die Bevölkerung von New York versorgen könnte.“ Das hört man gerne, wird aber mißtrauisch. Dan Barber weiß, was man einwenden könnte und weist immer wieder darauf hin, dass es um eine Veränderung der Essgewohnheiten gehen muss. Wir essen zuviel, vor allem natürlich tierisches Eiweiß, wir müssen sensibler werden, lernen, uns wirklich mit dem Essen zu befassen, weil es so gut schmeckt und uns deshalb fasziniert. Das wiederum habe ich in meinem Buch „Pur, präzise, sinnlich“ in allen Details ebenfalls durchdacht – obwohl ich mir klar war, dass die Idee einer solchen ganzheitlichen Gourmandise viele Leute bei uns im Moment noch weit überfordert. Barber erweckt da den Eindruck, als ob dieser Weg nicht nur gangbar ist, sondern in den USA auch schon so weit fortgeschritten, dass sich eine klare Erfolgsspur für die Zukunft abzeichnet.

Vegetarisch? Vegan? Nicht unbedingt. Aber weniger und viel besser essen
Dan Barber ist kein Vegetarier und hält auch die Beschränkung auf Pflanzen und Co. nicht für eine wirklich gute Lösung. Dafür ist er aber ein radikaler Verfechter von optimal produziertem Fleisch, von dem man sehr viel weniger isst, als das bisher je der Fall war. Ganze Steaks sind für ihn eine komplette Unmöglichkeit, Unsinn, Kontraproduktiv. Er serviert bei seinen Gerichten natürlich alle Teile, aber vor allem eben nur in der Menge von einigen wenigen Bissen. Auch das ist komplett nachvollziehbar, logisch und sehr zukunftsträchtig. Ich habe einmal gesagt: wenn wir nur das, was wir einfach zuviel essen, weglassen, könnte man damit wahrscheinlich halb Afrika ernähren. Der Kurs bei Dan Barber geht in Richtung einer genussorientierten von guter Qualität überzeugten Ernährung, mit vielen neuen, guten Ideen, die Dinge populär machen könne, die noch nicht populär genug sind. Es geht nicht um Verzicht, sondern um einen genussorientierten Umbau unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und der Ökologie.

Ich glaube, dass es bei diesem Interview eine ganze Reihe von sehr überzeugenden, manchmal geradezu magischen Momenten gab. Mit solchen überzeugenden Persönlichkeiten in der Kochwelt kann es wirklich weitergehen.

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