Es geht ein Gespenst um in Deutschland…

Und wieder wird mit dem Gourmetrestaurant „Himmel un Äd“ im Kölner Hotel Wasserturm ein Restaurant mit Spitzenküche geschlossen. Die Meldungen von solchen und ähnlichen Aktionen häufen sich und kommen im Moment quasi wöchentlich. Wo ist das Problem? Läuft Spitzenküche in Deutschland im Moment nicht mehr? Ist sie in einem Zustand angekommen, in dem sie nicht mehr läuft? Machen die Köche die Fehler? Oder vielleicht die Gastronomen? Man sollte sich zu einer realistischen Sicht durchringen – auch wenn diese Sicht den Optimismus bremsen könnte. Ein paar Dinge waren abzusehen, und es gibt eine ganze Reihe von Kennern der Szene, die frühzeitig auf kommende Probleme hingewiesen haben. Hier ein paar Punkte: 

Das Schneeballsystem kann nicht immer weiter funktionieren
Machen wir uns nichts vor: Die guten Köche haben sich stärker vermehrt, als das Publikum, das gute Küche schätzt. Der Aufschwung der Neuen Deutschen Schule seit etwa 2005 mit der Generation Bau, Bühner, Elverfeld, Wissler und Co. hat gleichzeitig auch eine große Anzahl von Schülern produziert, die ebenfalls quasi alle das Potential haben, ein Sternerestaurant zu führen. Die Logik: Lernen bei einem Drei Sterne-Koch – selber ein Restaurant aufmachen – ebenfalls einen oder mehrere Sterne bekommen ist oft ohne den Blick auf die potentiellen Kunden gemacht worden. Insofern ist der ausbleibende Zuspruch ein natürliches Phänomen und das Scheitern einer durchaus größeren Anzahl von Sternerestaurants unausweichlich.

Ohne kulinarisches Profil kein Erfolg
Jeder Marketing-Spezialist würde vor Eröffnung eines Restaurants die Frage stellen, wie das denn eigentlich mit der Zielgruppe ist. Bei den guten Köchen aber scheint man darauf zu vertrauen, dass ein Michelin-Stern es schon richten wird. Allerlei positive Meldungen über die Wirkung von Auszeichnungen aller Art scheinen das zu bestätigen. Aber – sind hohe Auszeichnungen wirklich mehr als ein zeitlich begrenztes Lüftchen im Wasserglas? Wenn man sich einmal die erfolgreichen Restaurants und ihre Arbeit und nicht die gescheiterten ansieht, gibt es oft deutliche Hinweise auf Erfolgskonzepte. Da spielt die Lage eine Rolle, das gastronomische Konzept oder einfach eine Art von Küche, die ein relativ großes Publikum interessiert, die einen Hype erzeugt und die dazu führt, dass man hier einfach einmal gegessen haben muss. Für den kulinarischen Teil muss man aber in Deutschland nach wie vor einen eklatanten Mangel an spannenden Küchen konstatieren. Die Zeiten, in denen die Küche einfach nur gut sein musste, um sich am Markt durchzusetzen, sind vorbei. Heute muss sie sehr gut sein, sehr speziell, am besten sensationell und wahnsinnig gut. Wer da nichts zu bieten hat oder sich einredet, seine Küche sei kreativ oder überragend, dem ist manchmal nicht zu helfen. Wo die realistische Sicht auf die eigenen Leistungen fehlt, sind Probleme vorprogrammiert.

Ohne neue gastronomische Konzepte kein Erfolg
Und das ist dann erst die eine Seite der Medaille, nämlich die rein kulinarische. Dazu kommt in der letzten Zeit vermehrt der gastronomische Teil, also die Form, in der Küche – im weitesten Sinne – kommuniziert wird. Das große Degustationsmenü zu einem möglichst strammen Preis mag ja unter Umständen der Höhepunkt einer kulinarischen Leistung sein, der Wunschtraum des Publikums ist es nur äußerst selten. Vom Ambiente über den Service bis zu den gestaffelten finanziellen Möglichkeiten, sich eine gute Küche einzuverleiben – ja bis hin zu der Art und Weise, wie man gute Küche kulinarisch verstehen und präsentieren kann, ist es zu einer völlig am Publikum vorbeigehenden Erstarrung der Mechanismen gekommen. Dass ein Gast eine minimale Vorspeise essen möchte und danach nur noch ein Hauptgericht, und dass so etwas (das man ja meist mit der bürgerlichen Küche verbindet) wieder zum Normalfall wird, ist in dem eingefahrenen Menü-System einfach nicht vorgesehen. Selbst international erfolgreiche Ideen wie die Tapas-Menüs haben sich bei uns noch nicht einmal ansatzweise durchgesetzt, von komplett „offenen“ Systemen wie etwa das im „Tickets“ in Barcelona ganz zu schweigen. Es wird immer eine ganze Reihe von luxuriösen und kostspieligen Gourmetrestaurants geben. Sie werden das machen, was sie immer gemacht haben, und es wird funktionieren, weil sie ihr Publikum haben, weil sie überragend gut oder überragend interessant sind. Als Modell für z.B. die Provinz, für die neue kulinarische Großstadt oder für ein neues und jüngeres Publikum taugen sie nicht oder nur sehr begrenzt.

Wir haben jetzt ein paar Jahrzehnte lang sozusagen Spitzenküche gespielt. Es wird Zeit, dass

die Küche endlich mitten in der Gesellschaft ankommt – von einem Ende bis zum anderen, also von sehr viel kreativeren Autoren-Restaurants bis zu raffinierten Formen einer entspannten und preisgünstigen Gastronomie für jeden Tag.

 

Foto: Hotel Wasserturm / Atelier Steinbüchel und Partner

4 Gedanken zu „Es geht ein Gespenst um in Deutschland…“

  1. Zwei Punkte fehlen meines Erachtens:

    1.Die abnehmende Anzahl luxuriöser Geschäftsessen. In der Zwickmühle von „Compliance“ und allgegenwärtigem Sozialneid, ist die Bereitschaft auf diesem Gebiet vermeintlich über die Stränge zu schlagen, deutlich gesunken. Ehe sich ein Vertriebler oder Manager des Verdachtes der „Verschwendung“ aussetzt, lässt er die Einladung ins Sterne-Restaurant lieber gleich bleiben.

    2. Eine überbordende Fitnesswelle sorgt dafür, dass gutes Essen erst einmal grundsätzlch verdächtig ist. Es ist eher Askese als Epikur angesagt.

    Man kann beide Punkte werten wie man will: Sie führen zum Niedergang der Küchenkultur!

    Antworten
  2. Da haben Sie die aktuelle Lage der deutschen Gastroszene sehr gut in Worte gefasst, lieber Herr Dollase.
    Wir für unseren Teil setzen auf traditionelle Werte und Kontinuität.
    Hier und dort ein paar Highlights das wars ganz einfach.
    Liebe Grüße
    Christopher Wilbrand

    Antworten
  3. Klare Gedanken, welche die Situation richtig beschreiben.
    Gastronomie muß sich mehr an die Bedürfnisse von Gästen orientieren,
    und damit neue Wege gehen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Burkhard Randel Antworten abbrechen