Interview mit H.B. Ullrich, Rheingau Gourmet & Wein Festival

Jürgen Dollase (JD): Wieviel Leute befassen sich mit der Organisation des Rheingau Wein und Gourmet-Festivals?

Hans B. Ullrich (HBU): Die Vorbereitung für das jeweilige Festival geht quasi das ganze Jahr über. Das heißt: wir sind jetzt schon mit der Vorbereitung für 2023 beschäftigt. Die Organisation des eigentlichen Festivals mache ich selbst, beziehungsweise – nachdem meine Tochter hier in die Geschäftsführung eingestiegen ist – gemeinsam mit ihr, mit dem Ziel, dass sie das irgendwann selbstständig macht. Eingebunden sind natürlich unsere Mittarbeiter an der Rezeption, die den Schriftverkehr abwickeln.

JD: … lässt sich das in dieser Form so und ohne eine eigene große Organisation schaffen? Woher haben Sie die Beziehungen zu den ganzen Köchen und Winzern weltweit?

HBU: Das war eine rein zufällige Entscheidung, dass ich dieses Festival vor 25 Jahren installiert habe. Damals haben mir alle möglichen Winzer und Köche und Journalisten von dem Festival „Masters of Food and Wine“ in Kalifornien vorgeschwärmt. Ich habe irgendwann einmal die Gegenfrage gestellt: „Warum gibt es so etwas eigentlich nicht in Deutschland?“ Es gab immer ein Schulterzucken und es hat sich niemand dafür interessiert. Dann habe ich eigentlich spontan gesagt: „O.k., dann mache ich das mal.“ Ich habe dann von einem Sommer auf den nächsten das erste Festival organisiert. Ich habe den Macher des Festivals in Kalifornien angeschrieben und ihm gesagt: „Sie machen das jetzt so erfolgreich und seit vielen Jahren und ich möchte Sie gerne kopieren.“ Ich habe das ganz offen gesagt. Der Amerikaner fand das klasse und hat dann gesagt: „Wenn Sie mich dann auch noch als Paten für Ihr Festival nennen, unterstütze ich Sie in allen Bereichen.“ Das erste Festival stand dann auch unter dem Motto „Kalifornien“. Er kam dann mit seinem Hoteldirektor, mit seinem Chefsommelier und dem Eigentümer des Hotels. Er hat dann auch noch Kontakte zu Journalisten vermittelt und Kontakte zu einer Vielzahl von amerikanischen Weingütern, die ich noch nicht persönlich kannte. Das erste Festival war also zum größten Teil nur mit Unterstützung der amerikanischen Kollegen möglich.

JD: Heute stehen Sie da komplett anders da. Ist das Festival mittlerweile so weit bekannt, dass Sie überall auf der Welt mit ihren Anfragen auf offene Ohren treffen?“

HBU: Ja, mittlerweile ist das so, aber es hat eine Anlaufzeit von über 20 Jahren gebraucht. In den ersten Jahren musste ich – sagen wir: zwanzig Köche anschreiben bis einer von Ihnen zugesagt hat.

JD: Gibt es hier eigentlich feste Honorare für die Köche?

HBU: Ja, für die Drei-Sterne-Köche. Die Ein-Stern-Köche, die mittags meist den Lunch übernehmen, bekommen kein Honorar…

JD: … für diese Köche ist die Teilnahme hier ein großer Vorteil…

HBU: …wir zahlen hier einen sehr ordentlichen Betrag für den Wareneinsatz, der liegt dann schon pro Menü bei etwa 60 Euro, so dass dieser Bereich großzügig abgedeckt ist…

JD: …ich kenne das von der FAZ-Gala… Wie ist das mit den Winzern? Wenn man das Programm des Festivals sieht, macht man sich so seine Gedanken. Die Sache mit den Kontakten zu den Köchen kann ich aus meiner Sicht ja noch einigermaßen verstehen, ich weiß ja auch, wie man Kontakte herstellt und wie einfach oder schwierig es ist, wie wichtig ein langjähriger Kontakt und ein gewisser Ruf sind. Aber bei den Weinen staune ich immer, mit welchen hochklassigen Weinen Sie hier arbeiten können. Das finde ich eigentlich noch spezieller. Wie hat das funktioniert?

HBU: Nach demselben Prinzip. Ich habe die Winzer angeschrieben und mache das auch heute noch. Ein persönliches Anschreiben ist da immer sehr wichtig – nicht über ein Organisationsbüro oder über die Sekretärin. Ich kenne die meisten Inhaber der Weingüter inzwischen persönlich. Sie waren ja auch fast alle schon hier bei uns, auch die ganz Großen.

JD: Geht die Beschaffung der Weine nur über die Weingüter oder haben Sie auch Sammler, von denen Sie Weine beziehen? Das ist ja auch ein bekannter Weg, um bei solchen hochrangigen Veranstaltungen spezielle Qualitäten anbieten zu können.

HBU: Nein, überhaupt nicht. Mit Privatleuten haben wir noch nie irgendeinen Deal gemacht, weil dann doch die Privatinteressen irgendwo durchschimmern …

JD:…und Sie kommen auch so ohne weiteres an die Jahrgänge (Anm.: also an ältere Weine, oft sehr große Jahrgänge) …

HBU: Ich überlasse es den Weingütern und Winzern, uns ihre Weinvorschläge zu machen. Ich schicke ihnen die Unterlagen, was ihre Kollegen bisher bei uns auf dem Festival gemacht haben. Das ist die beste Referenz überhaupt. Sie können dann abschätzen, in welcher Art und Weise sie welche Weine vorschlagen sollten. Wenn sie sich entschieden haben dabei zu sein, dann wollen sie sich auch nicht blamieren und stellen dann die besten Weine zur Verfügung. Und wir machen noch etwas, das eine unabdingbare Voraussetzung ist: die Inhaber bzw. Winzer müssen persönlich anwesend sein. Ganz allgemein möchte ich nicht irgendwelche Weine zusammenkaufen und sie dann beim Festival präsentieren.

JD: Was für ein Preisniveau wird von den Erzeugern angesetzt? Sind das dann die Handelspreise oder eher Freundschaftspreise. Sie haben ja diese eine Probe dabei (die Raritätenprobe), die immer absolut speziell und hochwertigst besetzt ist.

HBU: Man muss unterscheiden. Diese Raritätenproben sind unabhängig von den Winzern, da sind die Winzer dann auch gar nicht anwesend. Alle diese Flaschen stammen aus meinem eigenen Weinkeller.

JD:…und diese Veranstaltungen sind immer am schnellsten ausverkauft…

HBU: Ja. Diese Proben sind immer auf 24 Personen limitiert. Die Weine sammele ich ja seit fast 30 Jahren, seitdem ich in die Gastronomie eingestiegen bin. Vorher hatte ich übrigens mit Wein überhaupt nichts zu tun. Trotzdem hat mich das vom ersten Tag an fasziniert.

JD: Kaufen Sie direkt oder auch bei Zwischenhändlern, mit denen Sie zusammenarbeiten?

HBU: Ich kaufe nie direkt. Ich kaufe fast ausschließlich über die verschiedenen, spezialisierten Händler, und ich kaufe sehr viel auf Auktionen.

JD: Ein paar gute Erinnerungen: Was hat Sie bei den Köchen am meisten beeindruckt?

HBU: Am meisten beeindruckt mich bis heute die Unkompliziertheit. Wir haben einige der berühmtesten Köche in den verschiedenen Jahren eingeladen. Sie kommen vorher und bleiben sie ja meist drei oder vier Tage hier. Sie haben nicht nur ihren eigenen Auftritt bei ihren eigenen Menüs, sondern sind auch an den Vorbereitungstagen da. Wie selbstverständlich gehen sie an den anderen Tagen in die Küche und helfen ihren Kollegen bei deren Menüs – wie ein ganz normaler Küchenmitarbeiter. Das fasziniert mich.

JD: Bringen die Köche viel Personal mit?

HBU: Die Ausländer nicht. Die haben in der regel zwei Personen dabei und suchen diese Mitarbeiter oft danach aus, wem sie eine große Freude machen wollen. Das ist für die Köche so etwas wie eine Motivation, ihre eigenen wichtigsten Mitarbeiter zu belohen…

JD:…das kenne ich auch von der „Chefsache her… Sprechen wir einmal über die Leistungen. Es ist immer die Diskussion, wie gut die Leistungen bei solchen Festivals eigentlich sind. Wie würden Sie aus Ihren persönlichen Erfahrungen die Leistungen einschätzen?

HBU: Da muss man unterscheiden. Als wir das Festival gegründet haben und auch in den ersten Jahren waren die Leistungen noch deutlich unterschiedlich zu denen in ihren eigenen Restaurants, weil es damals noch sehr unterschiedliche technische Ausstattungen der Küchen gab. Jeder Chef war nur seine eigene Küchentechnik gewohnt. Das Problem gibt es heute nicht mehr.

JD: Haben Sie hier in ihrer Küche eigentlich nachgerüstet für das Festival – vielleicht ein Stäpelchen Hold-O-Mat oder Ähnliches…

HBU: Das haben wir hier unabhängig vom Festival ohnehin gemacht. Wir haben die Standards immer auf höchstem Niveau gehalten, weil wir auch ansonsten viele Caterings und Großveranstaltungen machen. Deswegen sind wir bestens ausgestattet.

JD: Haben Sie auch schon einmal erlebt, dass sich Köche etwas übernommen haben und die große Anzahl von Tellern – zu Lasten der Qualität – unterschätzt haben.

HBU: Nein, eigentlich nicht. Außer – da gab es einmal eine asiatische Köchin aus Hongkong. Sie wurde damals unglaublich gehyped. Wir haben sie dann verpflichtet, sie ist mir auch empfohlen worden und hatte vorher auch auf dem Gourmetfestival in St. Moritz gekocht. Die Kommunikation war schon vorher etwas merkwürdig. Ich habe sie immer nach ihren Menüvorschlägen gefragt und bekam dann aber immer irgendwelche Tee-Zeremonien. Irgendwann hat sie dann doch etwas geschickt. Als sie dann aber hier war, stellte sich heraus, dass sie gar nicht kochen kann. Ich habe dann das Glück gehabt, dass ich sie an diesem Abend nicht als einzige Köchin verpflichtet hatte, sondern einen der damals superguten deutschen Köche dabei hatte. Das fiel dann nicht so auf. Ich muss dazu noch sagen, dass unsere Festivalgäste, die seit vielen Jahren zu den Veranstaltungen kommen, sehr geschult sind. Die merken sofort, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Ich mache ja bei diesen Veranstaltungen sowohl die Begrüßung wie auch die Verabschiedung und da blieb mir an diesem Abend nur zu sagen, dass wir eine spezielle Art der authentischen Küche erlebt hätten, was sie sofort verstanden haben. Die zwei Gänge, für die die Nicht-Köchin verantwortlich war, gingen dann so einigermaßen

JD: Da fällt mir ein: Wie ist es denn eigentlich so mit Starallüren?

HBU: Wir haben die Erfahrung gemacht: je berühmter die Köche, desto weniger Starallüren haben sie. Das ist geradezu faszinierend, wie normal die Chefs hier ankommen. Ich hatte einmal einen chinesischen Koch hier, bei dem erst einmal alles unglaublich kompliziert war, weil man fast einen Aktenordner nur für einen einzigen Besuch brauchte – vor allem wegen der Produkte. Man musste zehnmal hintereinander über Wochen hinweg die gleichen Fragen stellen und immer wieder nachbohren bis man irgendwann einmal zu einem Ergebnis kam. Mir wurde immer wieder gesagt, wie kompliziert und schwierig dieser Chefkoch ist, wie vorsichtig man mit ihm umgehen muss, dass ich ihn natürlich persönlich am Flughafen abholen müsse und nicht irgendjemand hinschicken dürfe usw. usf. Außerdem müsse ich mich zur Begrüßung auch noch verbeugen. Ich habe dann irgendwann geschrieben, dass er sich bei uns auch in das einzuordnen habe, was wir hier machen in unserem Kulturkreis. Wenn ich nach China fahre, richte ich mich ja auch nach dem dortigen Kulturkreis und erwarte dann umgekehrt das Gleiche auch hier. Aber – das waren alles theoretische Überlegungen. Als ich ihm dann tatsächlich morgens am Flughafen abgeholt habe, haben wir uns gegenseitig auf die Schulter geklopft. Er war vollkommen normal und unkompliziert

JD: Sind Sie bei Ihren bisherigen Einladungen irgendwo einmal gescheitert und haben Sie noch eine Art Wunschliste?

HBU: Ja, natürlich haben wir noch eine ganze Reihe von wichtigen. Köchen, die wir wahnsinnig gerne dabei hätten, zum Beispiel einige der berühmten Köchinnen. In Frankreich haben wir unzählige Anläufe gemacht, um Madame Pic zu bekommen…

JD… die habe ich in Kopenhagen im „Geranium“ mit Rasmus Kofoed und Dominique Crenn erlebt. Crenn war sehr gut, absolute Spitzenqualität. Aber Anne-Sophie Pic war irgendwie auf einem merkwürdigen Trip mit einem sehr merkwürdigen, „bunten“ Stil, den ich aus ihrem Restaurant so auch gar nicht kannte. Rasmus Kofoed ist natürlich ein ganz harter Knochen mit einem extrem hohen Niveau. Man hatte da eine Veranstaltung mit ausschließlich handverlesenen internationalen Journalisten als Gäste. Wer das dann immer so alles bezahlt, weiß ich nicht so genau…

HBU: Mit den französischen Stars ist das immer etwas schwierig. Wir haben Gagnaire probiert, aber das hat auch noch nicht so recht geklappt

JD: Mit deutschen Köchen haben Sie keine Probleme gehabt…

HBU: Nein, mit Ausnahme von Helmut Thieltges, der ganz klar immer gesagt hat, dass er sein Restaurant nicht verlässt. Das verstehe ich immer, kein Problem.

 

Fotos: Kronenschlösschen

1 Gedanke zu „Interview mit H.B. Ullrich, Rheingau Gourmet & Wein Festival“

  1. Großartiges Interview über ein wirklich Sensationelles Festival! Gehört mittlerweile zu den Top 10 Weltweit! Chapeau H.B.U.Chapeau & Allen Organisatoren /innen ! Herzliche Grüße Aus Der Hauptstadt HPW

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