Leben mit Wein: Ein genialer Malbec und eine merkwürdige Kommunikation

„Leben mit Wein“ bedeutet nicht nur, dass man sich nicht auf ein Probierschlückchen beschränkt, sondern sich einem Wein in aller Ruhe und gerne auch noch im Zusammenhang mit gutem Essen widmet. Es bedeutet auch, sich nicht mit Beschreibungen zufrieden zu geben, die irgendwann einmal irgendwo erschienen sind, die möglicherweise von Faßproben stammen oder kurz nachdem ein Wein auf die Flasche gefüllt worden ist entstanden sind. „Leben mit Wein“ bedeutet immer einen Blick darauf, wie man über einen Wein informiert wurde, und in welchem Zustand er ist, nachdem die Verkostungen anläßlich seiner Veröffentlichung längst vergessen sind.

2014 Vina Cobos „Bramare“, Malbec, Rebon Vineyard, Argentinien, die Daten
Es handelt sich um einen hochwertigen Wein aus der Bramare-Linie, aus der es eine ganze Reihe verschiedener Weine und Qualitäten gibt. Gefunden habe ich den Wein bei Ludwig von Kapff in Bremen, und ich wurde auf ihn aufmerksam, weil davon die Rede war, daß man hier versucht habe, aus der Malbec-Traube ein Maximum an Qualität herauszuholen. Der Wein ist nicht ganz billig (75 Euro), wurde aber immerhin mit einer Bewertung von 94 Punkten bei James Suckling beworben. Weitere Angaben waren der Hinweis darauf, dass der Wein 18 Monate zu 65% in neuen Eichenfässern verbringt und zu 35% in Eichenfässern in der zweiten Nutzung. Dazu gab es Beschreibungen wie: „reife rote Früchte und frischer Hauch von Wildkräutern und Veilchen“. Der Wein habe eine „tolle Struktur“, eine „ideale Konzentration“, „samtige Tannine“, eine „ausgeprägte Mineralität“ und einen „langen Abgang“. Diese Beschreibung und die Bewertung ließen hoffen, wobei ich die Beschreibung per se schon einmal für wenig spezifisch halte und eine Bewertung von 94 Punkten bei Suckling für gut, aber bei weitem nicht überragend halte. Da gibt es viele Weine mit ähnlichen Noten und niedrigerem Preis.

Der Blick ins Internet brachte keine größeren Erkenntnisse, außer der Feststellung, daß man bei Ludwig von Kapff offensichtlich und ohne Quellenangabe wörtlich die Weincharakterisierung einer New Yorker Weinhandlung übernommen hat (Verity Wine Partners).

Beschreibung „Bramare“, Rebon Vineyard
Falls Sie jetzt erwarten, dass wieder einmal die Beschreibung und Bewertung eines Weines im negativen Sinne weit auseinander gehen, muss ich Sie enttäuschen. Der Wein ist hervorragend, überraschend und eigentlich richtig sensationell und ein richtig großer Wein – vorausgesetzt, Sie kommen mit schweren, nach sehr dunklen Früchten schmeckenden Weinen gut zurecht. Der Wein glänzt vom Start weg mit diesen abgrundtiefen, „seriösen“ Aromen, die man nur bei den ganz großen Weinen dieser Welt findet. Das Spektrum ist vor allem in Richtung reifer bis konfierter Früchte ausgeweitet, denen aber die Banalität von Süßlichkeit oder oberflächlichen Fruchtnoten fehlt. Er ist mächtig bis sehr mächtig, und den hohen Alkoholgehalt (15%) merkt man sehr schnell. Er ist allerdings in keiner Weise vom Alkoholgehalt dominiert, wie das bei manchen südlichen Weinen der Fall ist.

Was die Weinmacher im Sinne hatten, ist offensichtlich, das Potential der Malbec-Traube für große Weine zu demonstrieren. Dieses Vorhaben funktioniert hier ganz ausgezeichnet. Wir kennen ja von Rebsorten wie Pinot Noir oder Cabernet Sauvignon die Spannweite sehr deutlich. Sie reicht von kleinen, banalen Weinen bis zu Fruchtbomben, die die Kenner nicht immer wirklich erfreuen, dann aber eben auch bis zu jenen großen Weinen, die das Spektrum sehr viel stärker in Richtung nicht primär fruchtiger Noten verschoben haben. Im Glas entwickelt sich dieser Bramare nicht spektakulär weiter – einmal, weil er sehr stabil ist, zum anderen von Anfang an schon beeindruckt. Aber er macht das, was viele Kenner so sehr schätzen, er legt Stück für Stück in feinen Nuancen zu, lässt immer wieder neue Aspekte erkennen, jagt den Kopf durch Erinnerungen an alle möglichen Noten, die man mit solchen Weinen schon verbunden hat, bringt Bilder von Szenarien und nicht nur irgendwelche „Noten“, lässt atemlos werden, weil man versucht, dem einordnend zu folgen, was er an Aromen präsentiert. Kurz und sehr gut: dieser Wein hat mir soviel Spaß gemacht, wie lange kein anderer, mir kaum bekannter Wein vorher.

Irritationen
Da sitzt man also sehr zufrieden mit einem Wein, der absolut ein „Vin de Meditation“ ist, also am besten allein und ohne Essen getrunken wird. Und dann blickt man auf die Degustationsnotizen der Händler und die Bewertung durch Suckling zurück und fragt sich, ob man dort den gleichen Wein getrunken hat. Oder fragt sich – falls es der gleiche war – ob der Wein inzwischen eine Entwicklung genommen hat, die so gut geworden ist, dass seine frühen Bewertungen absurd sind. Wie oben gesagt: es gibt viele Weine mit einer ähnlich hohen Bewertung, die viel schwächer sind, der Bramare ist also noch höher anzusetzen. Man hat auch keinerlei Überinterpretation nötig, mit der man sich manchmal zum Beispiel hochwertigste Bordeaux-Chateaux so zurechtdiskutiert, dass ihre Bewertung irgendwie passt. Die Beschreibungen aus New York sind nur sehr teilweise nachvollziehbar und scheinen einen Wein zu betreffen, dem vor allem die Mächtigkeit fehlt. Inwiefern er „mineralisch“ sein soll, ist mir schleierhaft, und was hier „samtige Tannine meint, klingt für mich ebenfalls nicht so recht zutreffend. Der Wein ist eben reif und voll da. Tannine sind mir da wirklich nicht aufgefallen. Liegt es vielleicht an der Flasche? Hat sie eine sensationelle Entwicklung genommen, die andere nicht genommen haben? Aber – wenn das so wäre und wenn all die Beschreibungen irgendwann einmal zugetroffen haben: was sind sie dann heute noch wert?

Vielleicht schafft ja die Digitalisierung da demnächst neue Systeme. Den Lebenslauf der Weine eben. Im Moment scheint man davon bei vielen Weinen noch weit entfernt zu sein.

2 Gedanken zu „Leben mit Wein: Ein genialer Malbec und eine merkwürdige Kommunikation“

  1. Lieber Herr Schwarz, bei diesen verwegenen Mutmaßungen müssten Sie dann doch etwas präziser werden. Man gewinnt sonst den Eindruck, als ob Sie den Sinn der Serie nicht wirklich verstanden hätten. Meine Anmerkungen stecken voller Kritik an der üblichen Weinbewertung und letztlich auch daran, ob sie außer einer kleinen Orientierung überhaupt etwas bringen kann. Dieses Thema werde ich weiter verstärken, weil ich glaube, dass die Weinkritik noch ganz weit in ganz alten Traditionen steckt.

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  2. Ich verstehe nicht, weshalb es sich um einen großen Wein handeln sollte – ich empfinde die Suckling-Bewertung als (viel) zu hoch. Die Bramare-Malbecs sind sich relativ ähnlich und haben in guten Jahren eine gute Balance aus Reife, Frische, Würze und Kraft. Sie haben i.d.R. aber viel Alkohol und in Summe nur eine überschaubare Eleganz oder Feinheit. Die Reben des Rebon in La Consulta sind relativ jung – gerade mal gute 10 Jahre; insofern sollte man die Entwicklung der Weine beobachten.

    Warum, lieber Herr Dollase, lehnen Sie sich bei Weinverkostungen so weit aus dem Fenster? Ganz offensichtlich ist das nicht Ihre Domäne. Diesen Eindruck hatte ich schon beim Spätburgunder Reserve von Ortenberg. Die knappe „Abhandlung“ über (deutsche) Spätburgunder geht m.M.n. fehl.

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