MAKITA

Bars und Werkstätten haben auffällig viele Gemeinsamkeiten. Glaubt ihr nicht? Nun gut; beides ist ein Rückzugsort für den Mann.
Sie bieten Schutz vor den Strapazen der Welt und dem Ärger mit den Frauen, nicht zu vergessen, wenn die Männer nicht den Müll heruntergebracht oder die Wäsche zusammengelegt haben. (Vielleicht ist genau das der Grund, warum die Menschheit so hochtechnisiert ist?). Die Leute mögen einen dort und stellen keine Fragen. Und für beides gilt: Was dort passiert – verbleibt an dieser Stelle. Ich selbst bin für beide Örtlichkeiten schnell zu begeistern.

Ich habe eine kleine Werkstatt in einem Hinterhof, in die ich mich zurückziehe, wenn ich meine Ruhe brauche – wobei „Werkstatt“ vielleicht gar nicht mehr das richtige Wort ist. So wie ein Mann kein „Haus“, sondern vielmehr ein „Nest“ baut, richtet er sich auch keine „Werkstatt“ ein. Der Begriff „Herrenzimmer“ trifft es mittlerweile wohl eher. Denn neben Kantbank und Amboss befinden sich auch eine Couch, eine Kaffeemaschine, ein tragbarer Fernseher und eine Vielzahl von Snacks und Fertiggerichten. Der notdürftig verlegte Strom wird von Bandsäge, Kaffeemaschine, Radio und bunten Partylampions bis an die Belastungsgrenze getrieben. Ein Blechschild mit der Aufschrift „Wer Bier trinkt, hilft der Landwirtschaft“, sorgt, neben einem alten Centerfold von Claudia Schiffer, für die richtige Atmosphäre. Ein kleiner Teppich liegt ebenfalls vor der Couch – der macht die ganze Werkstatt erst richtig gemütlich, wie ich finde. Für den Winter gibt es sogar einen kleinen Radiator und ein paar alte Pullover, mit ausgewaschenen Motiven von „Guns N‘ Roses“ oder „Joy Divison“. Fabelhaft.
Es ist mittlerweile also keine richtige Werkstatt mehr, sondern eher ein Zweitwohnsitz – sagt meine Freundin zumindest. Sie hat recht – das urige Ambiente lädt dazu ein, nach getaner Arbeit noch etwas herumzulümmeln. Mein dortiger Einrichtungsstil ist also „Industrial“, würde man wohl neudeutsch sagen. Mehr „Industrial“ würde nur mit Hochofen oder Hebebühne gehen, wobei ich an Letzterem bereits arbeite.
Da sich das Herrenzimmer in fußläufiger Distanz zu meinem eigentlichen Wohnsitz befindet, kommt es in letzter Zeit häufiger vor, dass das alte Zündapp Moped oder der VW-Bus nur noch als fadenscheiniger Vorwand genutzt wird, um sich mit seinen Freunden zu einem kleinen Werkstatt Sit-in zu verabreden – das Schweißgerät allerdings ausgeschaltet bleibt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich zwischen den WD-40 Dosen und Liqui Moly Flaschen, die ein oder andere Flasche des etwas anderen Treibstoffes tummelt.
Neulich überreichte mir mein Kollege Hans eine Probeflasche Wodka, eines mir bis dato unbekannten Herstellers.
„Den musst du probieren“, sagte er euphorisch. „Schmeckt fabelhaft …“.
„Hm, ich hasse Wodka …“, murmelte ich und nahm die Flasche argwöhnisch entgegen.
Argwöhnisch, weil es sich um eine Blechbüchse handelte und daher eher den Anschein erweckte, als könne ich mit dem Inhalt den fünfzig Jahre alten Vergaser meines Mopeds säubern. Die Dose gefiel mir allerdings nach kurzem Überlegen (sogar immer mehr, je länger ich sie betrachtete).
Auf dem Nachhauseweg hielt ich bei der Werkstatt, stellte die Wodka-Büchse zunächst in das Regal zu den anderen Flaschen und musste unweigerlich feststellen, dass sich diese viel besser in die Putz- und Schmiermittel einreihte, als die Flasche, mit dem weißen Schokoladenlikör (kommt schon; jeder Mann hat mal einen schwachen Moment …).
Es wirkte so, als gehörte sie hierher, als wäre sie schon immer da gewesen und nur durch eine volle Dose ersetzt worden.

Weder das Friemeln an einer alten Zündspule, noch die Steve Miller Band im Radio konnten mich so richtig in Feierabendlaune bringen. Ich legte also meine Arbeit zur Seite, öffnete eines der Fächer in einem kleinen, ausrangierten Werkstattwagen und nahm einen Stamper, wie man sie aus alten Westernfilmen mit Burt Lancaster kennt, heraus. Ich stellte ihn auf die hölzerne Oberfläche meines Arbeitstisches, als ich die Wodka-Dose nahm, einen Schluck eingoss und den Rest des Abends damit verbrachte, mich in dieses tolle Getränk zu verlieben.

Ich bin froh, dass mir dieser Wodka in die Hände gefallen ist. Er kommt aus Düsseldorf, von der Ronsdorfer Straße um genau zu sein. Der Sitz des Herstellers befindet sich direkt neben dem alten Con-Sum, in dessen Keller schon so einige Rockbands ihre Proben abgehalten haben. Das passt mir als „Düsseldorfer Jung“ natürlich ganz besonders gut in den Kram, muss ich sagen. Wichtiger ist allerdings, dass sich durch all diese Kleinigkeiten ein Bild zeichnet. Wenn man durch die Regalreihen der verschiedenen Wodkas geht, bleibt der Blick immer an dieser Büchse hängen. Die Andersartigkeit der Aufmachung macht diese Spirituose authentisch, um nicht zu sagen genuin. Der Wodka hat eine weiche Struktur und durchzieht die Kehle mit einer wohligen Wärme, statt eines unangenehmen Brennens (so wie ich es sonst von Wodka kannte …). Es ist ein ehrlicher Drink, das richtige Getränk für den rauen, kompromisslosen Mann, der dem Alltag – mit seinen Freunden oder alleine, an seinem Moped schraubend oder auf der Couch liegend – für einen Augenblick lang entfliehen möchte.

Ich habe Euch daraus einen feinen Cocktail gezaubert. Es ist eine Abwandlung von einem (na, wie sollte es anders ein?) Screwdriver. Aber das alleine wäre mir zu langweilig. Um es mit Tim Taylors eigenen Worten zu sagen: „Wir brauchen mehr Power!“

Wir nehmen also noch zwei leckere Zutaten aus dem fernen Japan und machen uns einen besseren Screwdriver, einen intensiveren, die Makita unter den Schraubenziehern, sozusagen!

Für diesen feinen Cocktail braucht ihr
3 cl W-Wodqa, 4 cl Ile Four Yuzu Sake und 6 cl Iyokan Mandarinensaft*.

Alle Zutaten kommen mit einigen Eiswürfeln in einen dreiteiligen Shaker und werden kräftig geschüttelt, bis das Metall des Shakers beschlägt. Durch einen Strainer wird das Ganze in ein Martiniglas gefüllt. Zwei Cocktailkirschen werden auf einen Spieß gesteckt und mit einer Mandarinenzeste umschlängelt.
Ein wundervoller Cocktail, mit einer leichten Bitternote des betörenden Iyokans und einem angenehmen Spiel zwischen Wodka und Sake. Ein Geheimtipp, der Cocktail und der Wodka – viel zu schade zum Ausplaudern. Also denkt daran; was in der Werkstatt passiert, bleibt in der Werkstatt.

In diesem Sinne, Wohlsein!

Helge Unterweg

* Bei BOS FOOD zu bestellen: W-Wodqa – Art. Nr. 45404), Ile Four Yuzu Sake – Art. Nr. 45198, ´Iyokan Mandarinensaft  – Art. Nr. 45053

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