O Porto

Ich möchte mich mit Ihnen über das Thema „Gemütlichkeit“ unterhalten. Ja, genau, mit Ihnen! Es ist beinahe so wie mit den Zeugen Jehovas – nur andersherum. Sie stehen vor meiner Haustüre und ich bitte Sie herein, weil ich mich mit Ihnen austauschen möchte, über die verschiedenen Definitionen von Gemütlichkeit.
Ich halte Ihnen die Türe auf und bitte Sie mit einer freundlichen Handbewegung über die Schwelle, während Sie sich auf meiner Fußmatte die Schuhe abtreten. Wenn Sie sich wundern, dass es hier oben, im vierten Stock eines Kölner Innenstadthauses so ruhig ist, kann ich Ihnen nur beipflichten. Als ich das erste Mal die schwere Türe dieses Altbaus aufgeschwungen habe, überraschte mich die Stille hier ebenfalls – und die Kargheit dieser Räumlichkeiten. Ich bin passionierter Heimwerker und habe mir allerhand Fähigkeiten angeeignet, die sich als praktisch erweisen, wenn man aus einer trostlosen Wohnung ein gemütliches Zuhause schaffen will. Damit wären wir bei der ersten Kategorie angelangt: die Gemütlichkeit der Umgebung. Dies war für mich immer besonders wichtig, denn ganz gleich wie turbulent das Leben als Gastronom auch war, wie sehr alles nach 14 Stunden Arbeit aus dem Ruder zu laufen schien, zuhause war der Ort, an dem einem nichts passieren konnte.
Wir gehen also gemeinsam den Flur entlang, gegenüber eines bodentiefen Spiegels finden sich zwei weiße Regale. Eines gehört der Dame des Hauses und ist ausstaffiert mit Schuhen aller Art, nach Farbe, Anlass und Höhe des Absatzes sortiert. Das Nachbarregal gehört mir und nur die Hälfte des Platzes wird von Schuhen belagert. Über den Sneakern und Segelschuhen, über Mokassins und Wingtips finden sich zwei Regalbretter, auf denen Hüte – ordentlich sortiert, einer neben dem Anderen – ihren festen Platz finden. Bowlers, Fedoras, Boaters, und Pork Pies in allen Farben, die die Couture des modernen Gentlemans erlaubt. Am Ende der Diele findet sich ein schwerer, dunkler Esstisch, der mit seinen geschwungenen Beinen an Möbel aus der Barockzeit erinnert. Er ist der Ankerpunkt in diesem lichtdurchfluteten Zimmer und lässt einen erst im zweiten Augenblick erkennen, dass die Wand neben diesem von Rosenmalereien aus den späten 20er Jahren geschmückt ist. Wenn Sie mir weiter folgen, finden Sie sich gegenüber einer bordeauxroten Wand, vor der eine weiße Schrankwand thront, mit Sprossenfenstern in den Türen und kleinen Messingknöpfen zum Öffnen derselbigen. Neben der senffarbenen Récamière findet sich ein dunkelrotes Chesterfield Sofa, auf dem Sie unbedingt platznehmen sollten, bevor ich Ihnen von der zweiten Kategorie der Gemütlichkeit erzähle. Der Flachbildfernseher inmitten der Schrankwand versichert Ihnen übrigens, dass Sie sich noch im 21. Jahrhundert befinden und nicht durch ein Zeit-Raum-Portal in einem englischen Herrenhaus gelandet sind.
Die zweite Art von Gemütlichkeit hat mit einem Raum zu tun, den ich Ihnen ehrlicherweise vorenthalten habe. Es dreht sich natürlich um die Küche und damit um die Gemütlichkeit auf dem Teller. Dies ist für mich ein besonders interessantes Thema, da sich als Koch und Angestellter der Firma BOS FOOD der Großteil meines Lebens um einzigartige Lebensmittel, treffender gesagt, den Genuss und allen damit verbundenen Annehmlichkeiten, dreht. Es könnte einem schlimmer gehen, habe ich recht?
Denken wir an die vergangenen Monate, dann fällt es einem leicht über die Gemütlichkeit auf dem Teller zu reden. Knusprige Gänsekeule, hausgemachter Rotkohl, in Semmelbutter geschwenkte Kartoffelklöße. Aber auch eine gute Lachsterrine und gebratene Entenleber sind für mich der Inbegriff an Gemütlichkeit. Ein gemütliches Gericht offenbart sich mir immer darin, dass es sich anfühlt, als würde ich nach Hause kommen, als würde ich die Türe aufschwingen und diesen arteigenen Geruch der Heimat in mir aufsaugen. Wenn ich ein solches Essen vorgesetzt bekomme und alles um mich herum vergessen kann und nur noch zählt, was auf dem Teller und in meinem Glas ist, dann sprechen wir von Gemütlichkeit im kulinarischen Sinne.
Ich bin nicht umhergekommen, die letzte Kategorie von Gemütlichkeit anzuschneiden, geschuldet aus der Tatsache, dass die eine ohne die andere nicht existieren kann. Essen ohne Trinken wäre so spannend wie Tom ohne Jerry oder Starsky ohne Hutch. Die Gemütlichkeit im Glas ist ein Thema, über das Bibliotheken voller Bücher geschrieben worden sind. Ob es sich um ein gutes Glas Sherry, einen alten Obstbrand oder einen süßen, gereiften Riesling handelt. Wie alles in der Kulinarik, hat dieses Thema mehr Facetten, als die Federn einer ganzen Pfauenherde. Obwohl ich mir natürlich der Tatsache bewusst bin, dass Pfauen keine Herdentiere sind. Mein persönlicher Favorit ist hier der Portwein, der im Einzelnen schon wieder so viele Gesichter hat, dass man sich nur mit dieser Spirituose monatelang beschäftigen kann, ohne, dass einem dabei Langeweile drohen würde.
Ob Ruby, Tawny, oder einen Late Bottled Vintage – die Liste der Möglichkeiten ist unbegrenzt. Anlass bietet diese Spirituose auch für meinen heutigen Artikel. So wie wir uns in der kalten Jahreszeit nach Gemütlichkeit und Komfort sehnen, gibt es etwas im Frühjahr, dass uns antreibt, eine bestimmte Kraft, die uns ruft, in uns funktioniert, wie die Gezeiten.
Denn irgendwann kommt die Zeit, in der es uns nach Champagner auf der Terrasse dürstet, nach leichten Rosé-Weinen, nach Ceasar’s Salad, bretonischem Hummer-Cocktail und Austern. Wir wollen die gemütlichen Hallen unseres Zuhauses verlassen und in den Hafen der Möglichkeiten wandern. Wir brauchen etwas Frisches, etwas Fruchtiges, vielleicht sogar etwas Obszönes, das uns in unserem Willen stärkt, im Sommerhemd und Bermudas vor die Türe zu treten und die Welt zu erobern. Vielleicht vergessen wir die Bermudas wieder für einen Augenblick und tun so, als hätte ich sie nie erwähnt. Dennoch; glauben Sie, dass Portwein das richtige Getränk für diesen Zweck sein könnte? Oh ja. Bleiben Sie ruhig noch etwas auf der Couch sitzen und schauen mir zu. Ich zeige Ihnen etwas, das Sie in den sonnigen Frühlingstagen nicht mehr missen möchten.
Heute kann der Shaker im Schrank bleiben. Sie brauchen einen schönen Tumbler und frisches, klares Eis. Sie füllen das Glas mit Eiswürfeln und nehmen einen Barlöffel zur Hilfe, um mit kreisenden Bewegungen des Eises das Glas herunterzukühlen. Mit einem Strainer gießen Sie das Schmelzwasser ab und füllen gegebenenfalls noch einen oder zwei Eiswürfel nach. Der Portwein, Cherry Brandy, den Orangen Bitter, sowie den Hickory Smoke werden auf das Eis gegeben und Sie rühren wieder in kreisenden Bewegungen, bis der Drink heruntergekühlt ist. Das Ganze dauert ungefähr 30 Sekunden. Zum Schluss wird mit Bouvet Rosé und Rosenlimonade aufgegossen. Vorsichtig wird ein letztes Mal mit dem Barlöffel umgerührt, damit sich alles verbindet.
Der vermeintlich „gemütliche“ Portwein bildet hier die Basis für einen Cocktail, der nach Nervenkitzel, nach Abenteuer und dem Unbekannten schmeckt. Ein Drink, der uns aus dem dunklen Tal der Winterzeit in die schöne neue Welt, die uns der Frühling jedes Jahr aufs Neue beschert, geleitet.

Zum Wohle!
Der heilige Helge

Zutaten bei BOS FOOD zu bestellen: 4 cl Graham’s Six Grapes Reserve Port (Art. Nr. 27166) • 2 cl Bols Cherry Brandy Kirschlikör (Art. Nr. 29966) • 6 cl Fentimans Rose Lemonade (Art. Nr. 47447) • 6 cl Bouvet Tresor Rose Brut (Art. Nr. 39217) • 1 Dash Bitter Truth Orange Bitters (Art. Nr. 25943) • 1 Dash Liquid Hickory Smoke (Art. Nr. 44662)

5 Gedanken zu „O Porto“

  1. Heiliges Kanonenrohr!
    Wenn es so mundet, wie es sich liest, dann Prost Mahlzeit.
    Tipp: Port Rosé von Vallegre in Pinhao (Bezug: Orbis Vini, Mainz)
    Rosa Zeiten, Teil 2.

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    • Hallo Herr Arnst,

      Vielen Dank für diese Anmerkung. Ich habe mir den Namen direkt notiert und werde gerne berichten! Rosa Zeiten, Teil 2?
      Daran werde ich mich wohl bedienen!

      Ich wünsche weiterhin viel Vergnügen beim Lesen und Genießen,
      beste Grüße,
      Der heilige Helge

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    • Hallo Herr Kunkel,

      Vielen Dank für Ihr Feedback – ich freue mich natürlich immer sehr, wenn es gefällt und neue Impulse gibt!
      Die „Bitter Truth“ – Bitters haben wir nur zum Teil in unserem „Standardsortiment“. Einige – darunter auch der Orange Bitter – sind aber bei uns auf Vorbestellung mit ein paar Tagen Vorlaufzeit zu erhältlich. Um Verwirrungen zu vermeiden, erscheinen allerdings nur die Produkte, die auch lagernd sind, in unserem WebShop. Daher ergibt die Suche leider keine Treffer. Ich wollte die Artikelnummer allerdings der Vollständigkeit halber angeben, falls sie den Artikel einmal telefonisch vorbestellen möchten!

      In diesem Sinne – besten Dank für die Anmerkung, viel Spaß beim Lesen und Mixen,
      herzliche Grüße,
      Der heilige Helge

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