Ralf Bos wird 60! Wie konnte das passieren?

Es ist kaum zu fassen: Ralf Bos, der Herr über Millionen von Produkten, Chefingenieur im Maschinenraum der deutschen Gastronomie, Hoflieferant der Großen, der Spitzen- und weniger Spitzenküchen, Ausstatter sämtlicher kulinarischer Opern bis hin zu Kreuzfahrtschiffen, Trüffelpapst und Wohltäter wird heute doch tatsächlich 60 Jahre alt. Aber – lassen wir uns nicht von Zahlen täuschen. Ralf wird immer irgendwo zwischen 35 und 45 liegen, mal knapp darunter, selten darüber. Er ist und bleibt im Kern auch immer einer dieser Freaks, die irgendwann in frühen Pop- und Hippie- und was weiß ich was für Zeiten eine Idee hatten und damit groß geworden sind. Dass er in Zeiten des Lockdowns seinen Lagerkoller mit emsigen Filmtätigkeiten und Podcasts bekämpft, ist ganz typisch für ihn. Er kann staatstragend sein, aber nur befristet. Dann muss es wieder freier sein, unkonventioneller, abenteuerlich, privat, menschlich näher und immer ganz anders als die Modelle, die man sich unter „Business“ heutzutage vorstellt. Das Büro in Meerbusch mag ja elektronisch bestens ausgerüstet sein: der Schreibtisch von Ralf (und manch ein anderer Schreibtisch in diesem Büro) sieht mit Unmengen von Flaschen, Dosen, Tüten und Krimskrams aus wie die kreative Unordnung schlechthin. Hier paradieren die Aromen der Welt und immer wieder greift eine Hand zu und bringt sie in einem Katalog unter, mit dem schon viele Gastronomen und Gourmets ins Bett oder in die Badewanne gegangen sein dürften.

Ralf Bos und die Kultur
Kennen Sie Père Tanguy (1825–1894)? Der Herr war ein Farbenhändler, der die französischen Impressionisten mit Malmaterial wie zum Beispiel den damals neuen Farben in Tuben und den entsprechenden Chemikalien und sonstigen Dingen belieferte, die das Malen unter freiem Himmel erst ermöglicht haben. Man sieht ihn heute als einen großen Förderer der damaligen Kunstszene. Ohne ihn wäre Vieles an Kunst also möglicherweise gar nicht erst entstanden.

Und was hat das mit Ralf Bos zu tun, werden Sie vielleicht fragen? Der Einfluss von Lieferanten dieses Kalibers, die Unmengen an neuen Produkten finden und bekannt machen kann überhaupt nicht hoch genug bewertet werden. Speziell die kreative Küche ist immer darauf angewiesen, neue Produkte zu finden und sie vor allem auch geliefert zu bekommen. Wer sich heute daran macht, den Katalog von Bos Food wirklich einmal komplett durchzulesen, wird mit ganz großer Sicherheit Inspirationen bekommen. Die weltweite Verbreitung von Informationen bedeutet für den Bereich kulinarischer Ressourcen einen geradezu sprunghaften Anstieg von Dingen, mit denen man arbeiten könnte. Und das gilt nicht nur für Produkte aus fernen Ländern, sondern auch für das, was vor der Haustür wächst und in neuen Formen (also zum Beispiel gefriergetrocknet) zur Verfügung steht. Ohne diese Materialien, ohne die Möglichkeit, sie überhaupt irgendwo zu entdecken, gäbe es viel kreative Entwicklungen nicht.

Insofern hat ein Lieferant wie Ralf Bos eine große Bedeutung für die kulinarische Kultur. Er ist ein wichtiger Kulturträger, dessen Bedeutung sehr hoch eingeschätzt werden muss. An anderer Stelle gibt es immer wieder Verlage oder Buchhändler, Filmverleihe, Studiobesitzer oder Konzertveranstalter, die als wichtige kulturelle Instanzen gesehen werden. Ich habe immer wieder betont, dass das auch für jene gilt, die für den Betrieb und die Entwicklung der Esskultur wichtige Impulse geben.

Ralf Bos und das kulinarische Wissen
Formal und funktional gesehen erinnert man sich bei Ralf Bos an die Entwicklung des Buchhandels, der unter dem Druck des Marktes das Sortiment aufgegeben hat und sich weitgehend nur den Bestsellern widmet. Bos Food ist ganz anders, Bos Food ist ein echtes Fachgeschäft, ein Sortimenter par excellence, der dafür sorgt, dass man so gut wie alles bekommt, was man braucht und was für Inspirationen sorgt. Da geht es eben nicht nur um die teuren weißen Alba-Trüffel, sondern auch um den kleinen Holzpiekser für Oliven. Und wenn es zum Beispiel um Olivenöle geht, geht es nicht um eine Auswahl einiger guter Öle, sondern um eine enorme Breite und Tiefe für jede Art von Küche.

Das Sortiment bedeutet Wissen, und kulinarisches Wissen ist neben der Produktvielfalt das zweite große Kapital, das Ralf Bos mit seiner Arbeit angesammelt hat. Er und seine Mitarbeiter sind in der Lage, so gut wie jeden Kunden auch noch mit den speziellsten Wünschen zu beraten, was bei einem gigantischen Sortiment wie diesem bedeutet, dass man hier von einer der wichtigsten Sammelpunkte für kulinarisches Wissen reden muss. Da ich selber auch zu den Leuten gehöre, für die Wissen allgemein und Neues im besonderen wie tägliches Brot ist, sind meine Treffen mit Ralf Bos immer allein schon deshalb ganz besondere Ereignisse, weil man mit ihm so wunderbar durch die „Prärie“ streifen kann, vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt und auf die speziellsten Details zu sprechen kommen kann. Ich bin bei ihm noch nie aus dem Haus gegangen, ohne wieder irgendetwas Neues gelernt zu haben. Was ist da Wikipedia? Machen Sie einmal die Probe. Sie werden in den Details schnell an Grenzen stoßen. Und – nicht zuletzt wird dieses Angebot sozusagen demokratisch zugänglich gemacht und ist auch ohne Mindestbestellwert jedem Kunden zugänglich.

Ralf Bos heute
Die Corona-Krise und vorher der Brand in einem Lagerhaus der Firma haben für Ralf Bos in den letzten Jahren schwere Krisen produziert, die aber genau so bewältigt werden konnten und können, wie das zu diesem Haus passt: Der Brand zum Beispiel mit viel Einsatz seiner wirklich passionierten Mitarbeiter, aber auch mit der Solidarität von Kunden und Lieferanten, die in diesem so bodenständig-menschlichen Milieu ihre besten Seiten gezeigt haben. Und ganz ähnlich, schnell und pragmatisch, mit viel Einfallsreichtum und mit vielen Freunden wird man auch die furchterregenden Probleme der Corona-Krise bewältigen. Ich war einmal gerade dort im Büro, als ein Lockdown verhängt wurde. Natürlich schlug das – trotz aller Vorankündigungen – ein wie eine Bombe. Aber man war sozusagen schon Sekunden später wieder dabei, Wege zu suchen und zu finden.

Bodenständigkeit und Empathie sorgen natürlich auch für ein kooperatives Arbeitsklima. Bei Bos Food hat man als Gast immer ein wenig den Eindruck, als handele es sich um eine hierarchisch organisierte Kommune. Das klingt wie ein Widerspruch, ist es aber nicht. Und – dieses System mag ein paar Wurzeln in guten alten Zeiten haben: Es ist gerade dabei, wieder ein echtes System der Zukunft zu werden. So kann man arbeiten, nach innen und nach außen.

Wünschen wir Ralf Bos, dass er uns noch lange mit seiner Arbeit erfreuen kann. Für Nachwuchs ist gesorgt, seine Frau Susanne und die Familie stehen fest an seiner Seite, und der Patriarch weiß ganz genau, wann es einmal wieder ein gutes Auto, ein Trip in die weite Welt oder nach Sylt sein muss.

Alles Gute, lieber Ralf, halt‘ die Ohren steif!

2 Gedanken zu „Ralf Bos wird 60! Wie konnte das passieren?“

  1. Zwei Lastwagen haben mich immer bei jeder Begegnung gefreut (mal ganz abgesehen von den wunderbar bemalten Lieferwagen englischer Hoflieferanten). Auf den einen stand „Bosfood“ auf den anderen „Rungis Express“. Schön, dass es so viel Begeisterung, Hingabe und Passion noch gibt. Ach ja… die Tourtrucks der Stones In GE waren auch cool, denn drauf stand: „Henderson Trucking – you rock. We roll.“

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