Ralf Frenzel zum 60. Geburtstag. Einige persönliche Anmerkungen zum Jubeltag eines großen kulinarischen Impresarios

 

Man muss sich das einmal vorstellen. Ralf Frenzel hatte als Gastwirtssohn eine Lehre als Koch und Restaurantfachmann gemacht und kam dann im Alter von nur 20 Jahren als Sommelier in die „Ente vom Lehel“ nach Wiesbaden, die Hans-Peter Wodarz 1979 dorthin aus München transferiert hatte. Dass er schon wenige Jahre später unter anderem mit den Herren Wolf (später: Rungis Express) und Kastner (später: Rungis Express) in den Weinhandel einstieg (Wein Wolf) und dabei immer noch sehr, sehr jung war, ist aber nicht das, was ich hier anmerken will. Am interessantesten an dieser Biographie sind für mich erst einmal die Szenen, die sich in der „Ente“ der 80er Jahre entwickelten und zum anderen das, was dort rund um den Wein passierte.

Die „Ente“ wurde damals in rasender Geschwindigkeit zu einem Gourmetrestaurant, wie es heute kaum noch vorstellbar ist. Die Lage mitten im wohlhabenden Wiesbaden, gegenüber Casino und Theater und unweit des ZDF und der Medienszene brachten ein unglaubliches Publikum, das zu dieser Zeit noch regelrecht abfeierte, dass es in Deutschland überhaupt Gourmetrestaurants gab. Der „Laden“ war quasi jeden Abend brechend voll, im Vergleich zu heute extrem lebendig und man ließ es echt „knallen“ – vor allem auch beim Wein. Heute gibt es so etwas vielleicht noch ab und an im Winter im Arlberg-Hospiz. Damals wollte man die richtig guten Sachen und – wie man heute sagen würde – einfach viel „Spaß haben“. Der Nebeneffekt der Tatsache, dass sich hier Gott und die Welt trafen, war die Ausbildung von Beziehungen und Netzwerken – ebenfalls in einem heute kaum noch vorstellbaren Ausmaß. Was Ralf Frenzel seit geraumer Zeit als große Qualität seiner Arbeit benennen kann, hat sich damals ausgebildet. Wenn man heute mit Frenzel über eine Idee redet und er Feuer fängt, kann man nach wie vor erleben, wie er beginnt, die Dinge durchzuspielen und dann kurz zum Telefon greift, um mal eben ganz erstaunliche Gesprächspartner in der Leitung zu haben, mit denen er die ein oder andere Idee in kurzen, direkten Worten durchtestet. Auf diesem Netzwerk mit Ursprung in der „Ente“ konnte er – nein, musste er aufbauen, immer mit Sinn für Merkantiles, immer mit Sinn für Risiken (also sie nicht vermeidend…), immer mit viel Emphase und schnellem, präzisen Engagement.

Es ist klar, dass so etwas am besten funktioniert, wenn man mitspielt. Als er mich bei irgendeiner Veranstaltung in den frühen 2000er Jahren ansprach, hatte ich schnell das Gefühl, dass hier im kulinarischen Bereich jemand so ähnlich dachte, wie ich das aus meinen Jahren als Rockmusiker her kannte. Wir machten die „Geschmacksschule“ und ich konnte erleben, wie sich mit einer Reihe von gut platzierten Aktionen rund um die „Löffelgerichte“ eine ganz erstaunliche Vielfalt von Medienterminen öffnete, die bei der Verbreitung der „Geschmacksschule“ sehr geholfen haben. Dass war sozusagen ein Hauch von „Rock ‚n‘ Roll“, übertragen auf ein kulinarisches Thema. Später konnte ich dann mit anderen Büchern erleben, wie der – sagen wir: Beamtenapparat anderer Verlage funktioniert, wo schematisch Listen von Bemusterungen abgearbeitet werden, aber einfach kaum jemals Netzwerke mit den entsprechenden kurzen Wegen existieren und schon gar nicht Ideen, die unkonventionell über das Übbliche hinausgehen. Wann immer sich Ralf Frenzel dann für Themen interessierte, ging es vorwärts oder hätte es vorwärts gehen können – wenn denn, siehe oben, alle Beteiligten mitgezogen hätten. Sein Einsatz für die damalige Deutsche Akademie für Kulinaristik gehört dazu (woher auch der später berühmt gewordene Eckart Witzigmann-Preis kommt) oder für die international hoch beachtete Performance deutscher Köche rund um den spanischen Kongress „Lo mejor de la gastronomia“. Dass im Tre Torri Verlag auch früh eine ganze Reihe wichtiger Bücher unserer Spitzenköche erschienen sind, dürfte allgemein bekannt sein.

Der zweite Punkt in der „Ente“ war die Sache mit dem deutschen Wein und der damals kaum vorhandenen Verbindung guter deutscher Winzer zu guten deutschen Restaurants. In den 80er Jahren war einfach die Nähe zu Frankreich noch gigantisch und selbstverständlich auch zu französischen Weinen, während man in Deutschland noch heftig mit mehr oder weniger viel Restsüße arbeitete. Wodarz, Frenzel und Co. gehörten zu den wichtigsten Befürwortern und Anregern in Sachen eines trockeneren, gastronomietauglichen, gourmetkompatiblen deutschen (Weiß-) Weines, der seinen Weg in die Spitzengastronomie erst noch finden musste. Dieses interaktive Verhältnis zu Winzern/Weingütern, das sich in den 80er und 90er Jahren bei Frenzel entwickelte, war – in Kombination mit der frühen Kenntnis großer internationaler Weine – später dann auch die inhaltliche Grundlage für die Gründung einer deutschen Ausgabe des „Fine“ – Weinmagazins. Während Frenzel mit seinem Buchverlag auch immer nach populären und umsatzträchtigen Themen suchte (verwöhnt durch die Erfolge mit Alfred Biolek…) ging es bei „Fine“ von Anfang an um eine kompromißlose Beschäftigung mit allem, was gut und auch kostspielig ist. Die Längsverkostungen sind legendär und es gelingt immer wieder und ohne Unterbrechung, zu den besten Weingütern der Welt so gute Drähte zu etablieren, dass sich detaillierteste Berichte nebst entsprechenden Verkostungen ergeben. Dazu muss man in einer Weise bekannt und anerkannt werden, die nicht so einfach zu realisieren ist. Ich selber habe das Glück, von der ersten Ausgabe an die Serie „Wein und Speisen“ zu schreiben, mit einer detaillierten Beschäftigung mit dem Thema in der Folge meiner diversen Theorien über Sensorik – nicht nur beim Essen. Man braucht Leute wie Ralf Frenzel, die erkennen, wo sich Perspektiven öffnen und die dann den Weg dazu bereiten, dass man solche präzisierenden Ansätze betreiben kann. Dass die Passion für Wein bei Frenzel nie nachgelassen hat, konnte man dann vor zwei Jahren erleben, als er sich einen Wunschtraum ermöglicht hat und beim Weingut Wegeler eingestiegen ist. Dort kann er auf der Basis eines hochbeachtlichen Konglomerats an Weinbergen und mit einem riesigen Lager von reifen Weinen in jede Richtung Wirksamkeit entfalten.

Warum ich Ralf Frenzel in der Überschrift einen großen kulinarischen Impresario genannt habe, werden alle, die ihn in dieser Rolle erlebt haben, sofort verstehen. Frenzel ist einfach eine Schnittstelle, die Synergien zusammenbringen kann wie wohl kaum sonst jemand in Deutschland. Dass er da sogar noch jede Menge Perspektiven hat, liegt nicht zuletzt daran, dass es in Deutschland an verschiedenen Stellen nach wie vor an einem Verständnis für die kulinarischen Systeme mangelt, ein Problem, das so in Frankreich, Italien oder Spanien nicht existiert. Hoffen wir, dass er voller Energie in die Zukunft blickt und. blicken kann und noch eine Menge bewegt.

 

Lieber Ralf Frenzel – weil ich ein notorischer Dauersiezer bin duzen wir uns immer noch nicht – alles Gute für den Tag und die Zukunft!

3 Gedanken zu „Ralf Frenzel zum 60. Geburtstag. Einige persönliche Anmerkungen zum Jubeltag eines großen kulinarischen Impresarios“

  1. Super Artikel!
    Aber wie schon geschrieben, ohne den langjährig tätigen und einsichtigen Hoteldirektor und natürlich Patron Hans Peter Wodarz, der das große Talent schnell erkannte und Ralf (fast)alle Freiräume eingeräumt und Ihn an langer Leine geführt hat und nicht zu vergessen die aufgeschlossenen und zahlfreudigen Gäste wäre es nicht möglich gewesen.
    Die Ente und der Nassauer Hof waren wirklich ein Palasthotel wo das Leben topte und rauschenende Feste gefeiert wurden.

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