Saucen? Da war doch mal so was Flüssiges….

In der letzten Zeit habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass es eigentlich unverständlich ist, wenn gerade sehr gute Köche darauf verzichten, auf dem Teller eine stärkere individuelle Handschrift zu zeigen. Das bedeutet vor allem, abgeschmeckte, im weitesten Sinne zusammengesetzte Elemente zu entwickeln, die dann deutlich die überragenden Fähigkeiten eines guten Koches demonstrieren können und in der Regel von den Gästen auch ganz besonders geschätzt werden. Das Spektrum ist groß, und Saucen gehören unbedingt in die vordere Reihe. Angesichts der Entwicklung einer modernen Sensorik könnte man ergänzen: egal, ob in flüssiger oder mehr oder weniger stark gebundener Form. Für „feste“ Saucen gibt es als guten Grund, dass flüssige Saucen in der Praxis auf dem Teller schnell mehr Vermischungen erzeugen können, als das nötig und/oder gewünscht ist. Für flüssige Saucen gib es den großen Vorteil, dass man von ihnen automatisch immer ein wenig aufnimmt und man deshalb die Wirkung ziemlich genau steuern kann. Aber das nur am Rande.

Im neuen Heft von „yam“ lautet der Titel „Arnaud Donckele. Alchimist saucier“, und weiter im Heft in dem großen Feature über Donckele sagt der doppelte Drei Sterne-Koch tatsächlich: „Ich bin mehr ein Saucier als ein Koch“. Wenig später verrät er: „Heutzutage verfügen wir (Anmerkung: im „Plenitude“ in Paris) über ein Repertoire von 80 bis 100 Saucen, was ein enormes Gelände für Experimente ermöglicht“. Hier die Quelle:

Yam. Des Étoiles plein les yeux. Nummer 65, September/Oktober 2022. Aux Coeur des Villes, Paris 2022. 130 S., 9.90 Euro ( Fotos: Philippe Vaurès Santamaria)

Arnaud Donckele zeigt auch in diesem Heft, dass er einer der besten Köche der Welt ist, wenn es um die Verbindung von enormen handwerklichen Fertigkeiten und Individualität geht. Hier geht es – wie etwa auch beim „neuen“ Wissler – um eine eigene Handschrift in buchstäblich jedem Teil seiner Gerichte. So sind dann eben Köche geschnitzt, die nicht „auch wie ein Drei Sterne Koch kochen wollen“, sondern die Maßstäbe für das setzen, was man in der Spitze leisten muss.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ursprünglich wollte ich aber ein anderes Buch vorstellen, das in seiner ganzen Konsequenz einmal wieder bestens daran erinnert, dass wir seit Urzeiten über einen prächtigen Kanon an Saucen verfügen:

Eric Trochon: Sauces. Lecons en pas à pas. Éditions du Chêne, Vanves Cedex 2019. 504 S., geb., Hardcover, 49.90 Euro (in französischer Sprache) Fotos: Jean-Charles Vaillant

Eric Trochon ist einer der „Meilleur Ouvrier de France“, also erfolgreicher Absolvent des strengen Handwerker-Wettbewerbs, der in Frankreich nach wie vor eine beträchtliche Bedeutung hat. Das Buch hat übrigens ein Vorwort von Pierre Gagnaire, der eben nicht nur als großer Kreativer, sondern auch als großer Handwerker gilt.

„Sauces“ ist eines dieser französischen Bücher, die sich nicht primär – wie das bei entsprechenden deutschen Publikationen meist der Fall ist – an HobbyköchInnen o.ä. richten, sondern schlicht und einfach gutes Handwerk im Sinn haben. Es gibt hier quasi durchgehend Step-by-Step-Bilder der Herstellung der Saucen und dazu typische Beispielrezepte von ihrer Anwendung. Am Anfang wird das notwendige Werkzeug vorgestellt, dann gibt es ein paar kleine Hinweise (etwa zur Geschichte und zur Organisation), dann geh es los. Kapitel 1 ist den Grundlagen gewidmet, also etwa den Fonds und Fumets, Buttersaucen wie die Krebsbutter und den Mehlschwitzen (18 Zubereitungen). Es folgen die Basissaucen wie etwa die Velouté, Sauce Mornay, Mayonnaise, oder Béchamel (15 Beispiele). Kapitel 3 bringt die „Kalten Saucen“, wie etwa Aioli, Pistou, Gribiche oder Bohémienne (31). Dann kommen die warmen Saucen für Vorspeisen, Gemüse und Pasta (10), dann die warmen Saucen für Fisch (wie die Beurre blanc, Sauce dugléré oder Sauce Nantua), insgesam 25 Beispiele. Zu den warmen Saucen für Fleisch gehören natürlich die Béarnaise, Périgueux oder Zingara (37). Kalte und süße Saucen gibt es 10 (z.B. Coulis von roten Früchten), warme und süße Saucen 6 (z.B. Schokoladensauce oder Sabayon). Der umfangreiche Anhang hat Informationen zum Beispiel zu Bindemitteln, zu Variationen von der Mayonnaise, Variationen von der Hollandaise ein Glossar und eine Zusammenstellung der Techniken.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Darstellung hat ein klares Schema. Blatt 1 der jeweiligen Zubereitung ist ein Bild – zum Beispiel einer Beurre blanc. Blatt 2 gib eine kurze Erklärung (z.B. dass eine Beurre blanc immer ohne Sahne gemacht wird). Blatt 3 und 4 bringen das Rezept, die Step-by-Step-Abbildungen, Tipps des Kochs zur praktischen Umsetzung, zu einigen Spezifitäten und Hinweise auf weiterführende Rezepte. Dann folgt als Beispielrezept auf einer Doppelseite ein Stück Zander mit Beurre blanc. So oder ähnlich und immer mit kompakten Beispielrezepten geht es durch das ganze Buch.

 

Fazit

Der erste, sehr wichtige Effekt beim Lesen dieses Buches ist der, dass man sich dringend wünscht, Saucen würden ganz allgemein wieder eine größere Rolle spielen. Natürlich wird ein Teil dieser Saucen eher mit der klassischen Küche verbunden. Aber – man kann sie jederzeit nutzen, um neue Varianten/individualisierte Varianten zu entwickeln, oder die klassischen Saucen in einem ungewohnten Zusammenhang einsetzen. Die 152 Saucen dieses Buches werden so zu einem ungeheuren Schatz an Möglichkeiten, der deshalb ein „Schatz“ ist, weil man es hier schließlich mit Rezepturen zu tun hat, die sich seit vielen Jahren bewährt haben, die „funktionieren“ und klare Perspektiven aufzeigen. Ich persönlich neige wie immer dazu, jede Bereicherung nützlich zu finden. Und – heutzutage gehört der kulinarische „Vergangenheitscheck“ immer und jederzeit zum Programm von Leuten, die gut kochen wollen. Egal in welchem Stil und egal wo.

Und Arnaud Donckele zeig uns dann, wie variantenreich man sich heutzutage in diesem Sektor bewegen kann.

3 Gedanken zu „Saucen? Da war doch mal so was Flüssiges….“

  1. Saucier war immer schon der erstrebenste und wichtigste Posten! Wer diesen erreichte, war schon mal in einer Position – wo man mit dem richtigen Lehrherrn – unglaubliches wissen sich aneignen konnte!

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  2. an einer Sauce erkennt man erst den guten Koch und Handwerken…. leider machen sich immer weniger die Mühe …. Für mich waren immer außer den Klassikern wie Escoffier, Walterspie oder Pellaprat ….. die besten Lektüren über Saucen der Saucen Brevier von Karl Brunnengräber, Saucen und Fonds von Rudolf Seher (mit
    über 400 Saucen) , Saucen der französischen Küche von Romero Brodmann oder die Bibel der Saucen von Jerome Ferrer… alles meines Erachtens Pflichtlektüre für jeden jungen Koch auch heut zu Tag.

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  3. Zu ergänzen wäre, dass im Juni offenbar eine abgespeckte Version in rein lexikalischer Form ohne bibliophilen Schnickschnack erschienen ist, aber auch mit entsprechenden Einschüben und Querverweisen. € 10,99 (!) auf IBooks. „Le Répertoire des sauces“

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