Vor-Corona, Bild 6: Am Berlinale-Samstag im „Grill Royal“

Es war eigentlich ein großer Zufall, aber es passte dann auch ganz besonders gut. Wir waren im letzten Jahr exakt am Eröffnungssamstag der Berlinale (am 22.2.20) im „Grill Royal“. Wer die Szene dort ein wenig kennt, wird wissen, dass das so ungefähr der extremste Termin ist, an dem man den ohnehin immer mächtig überlaufenen „Grill Royal“ besuchen kann. Mir ist nicht bekannt, ob auch schon mal Geld für einen Platz an diesem Termin geboten wird. Ich könnte es mir aber sehr gut vorstellen, weil es eben neben den Unmengen nationaler und an diesem Tag auch internationaler Promis auch Unmengen von aufstrebenden Gästen gibt, die unbedingt mit dabei sein wollen. Es ist normal, dass an der Bar, die im Prinzip mitten im Restaurant liegt, Leute darauf warten, dass ein Platz frei wird. An diesem Abend warteten dort ganze Pulks von Leuten. Wir saßen also mittendrin, und zwar wegen einer Story, die eigentlich wenig später in einem Magazin erscheinen sollte, zu der es dann aber wegen des ersten Lockdowns nicht mehr kam. Fragen Sie mich nicht, wer an bekannten Figuren an diesem Abend im Grill saß! Ich habe viele Gesichter erkannt, kenne aber viele Namen nicht und werde sie natürlich auch nicht nennen, weil ich aus Prinzip nicht über Promis berichte, die sich in den Restaurants aufhalten, in denen ich arbeite.

Eine kleine Anmerkung kann ich mir aber nicht verkneifen. Die Begrüßungsrituale zwischen der Service-Mannschaft rund um Gastgeber Stephan Landwehr und den diversen Promis sind schon bemerkenswert. Natürlich muss man zu dem Schluss kommen, dass eine auffällig persönliche Begrüßung die Gäste ehrt, und dass es eine Art Auszeichnung ist, wenn diese Begrüßungen so auffallen, dass sie auch das ganze Restaurant mitbekommt. Und dann kam es aber mehrfach zu einer Szene, die ganz offensichtlich den ein oder anderen Gast tief irritierte. Ich kenne die Leute vom „Grill Royal“, die ja auch etwas mit dem „Pauly-Saal“, „Einstein“ und „Kin Dee“ zu tun haben, aus kulinarischen Gründen schon einige Zeit. Und weil ich vor allem wegen des Essens dort war, gab es mehrmals – sagen wir: gewisse Ansammlungen von Chefs, Koch, Sommelier und Service an unserem Tisch, den einige sehr scharf blickende Gäste partout nicht einordnen konnten. „Who the fuck ist das?“ meinte man aus den Blicken zu lesen. Mir ist so etwas natürlich komplett egal. Aber das fand ich dann doch echt amüsant.

Der Salatkopf und andere Spezialitäten
Die Auswahl an Gerichten im Grill ist eigentlich gar nicht so klein und beschränkt sich nicht nur auf diverse Fleisch-Cuts. Trotzdem musste man an diesem Abend den Eindruck haben, als ob es ein merkwürdiges Standard-Menü gibt. Fast alle Gäste bekommen als Vorspeise einen kompletten Salatkopf in einem großen Teller, danach dann ein Stück Fleisch mit diversen Beilagen. Ist das normal? „Ja“, sagt der Chef, „und wir müssen Unmengen von knackfrischem Salat besorgen, um das immer liefern zu können.“

In der Küche hat man aufgerüstet, und zwar mit einem Koch, der schon in London Küchenchef für Pierre Gagnaire war und auch dessen Berliner Restaurantversuch im Waldorf Astoria-Hotel betreut hat (der ja mittlerweile beendet ist. Nun also steht der Belgier Roel Lintermans im Grill am Herd und entpuppt sich als ein hochprofessioneller Spezialist mit klassisch französisch-belgischer Ausbildung und einem entsprechenden Küchenverständnis. Köchen dieser Art sind Brasserie- und Bistrogerichte in Fleisch und Blut übergegangen, sie wissen, wie man das macht und sie wissen, wie man das auch in riesigen Stückzahlen und in großer Geschwindigkeit organisiert. Wenn ein Restaurant wie der Grill Royal die Plätze mehr als einmal besetzt, muss die Küche mitspielen können.

Ceviche – roh marinierter Ostsee-Dorsch mit Limette, Knoblauch, Chili und frischem Koriander“ (16 Euro) heißt es da zum Beispiel und man merkt sofort, dass die Richtung nicht unbedingt südamerikanisch ist, sondern aus dem roh-französischen Hintergrund stammt. Der Fisch ist an der Oberfläche von der Säure leicht angezogen, man schmeckt Rohes und nicht nur Sauce, es wirkt pur und gut. Auch der „Pulpo sardisch“ (19 Euro) hat diese französische Ausstrahlung, einer Zuverlässigkeit auf hohem Niveau, aber ohne irgendeine forcierte Artistik, hier mit einer strammen Schärfe und Würze, die durch die eher puristisch gehaltenen Produkte aber immer im Zaum gehalten wird. Der „Hummersalat à la Cesare Cardini“ (39 Euro), ist nach dem Erfinder von Caesar’s Salad benannt und hat Stücke, die ein wenig zu feucht wirken, dazu wieder recht pure Salatstücke – also wieder die Cru-Komponente – und dann noch eine Sauce, die ein wenig an eine Cocktailsauce erinnert. So etwas ist wieder pure Brasserie-Tradition, sauber, klar, ohne jede neumodische Komponente und immer mit einem klassisch-puristischen Geschmack, den man hier trotz Sauce ohne weiteres assoziiert. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, als ob die Leute vom Grill Royal hier „ihr Ding“ machen, für die rund 50% Ausländer unter den Gästen also international kochen, nicht deutsch, nicht irgendwie adaptiert, nicht irgendwie allzu umfangreich kulinarisch kommentierend.

Beim Fleisch geht es an sehr gute bis hervorragende Qualitäten, eine sehr süffige Garung und entsprechende Beilagen (z.B. eine getrüffelte Kartoffelmousseline, Blattspinat mit klarem Biss, oder eine Rote Bete – Rotkrautsalat mit Orangendressing und Haselnüssen). Auch wenn man im Grill nicht unbedingt den Eindruck hat, als ob hier besonders feine Feinschmecker sitzen, muss man doch mit einer – sagen wir: internationalen Routine bei den Gästen rechnen, die schnell zu Vergleichen mit anderen berühmten Grillrestaurants in den Metropolen der Welt führt. Mir gefiel das „Rinderfilet Pommern – schwarz-buntes Niederungsrind“ (200 gr. 32 Euro) vor allem wegen seiner guten Reife und einer beträchtlichen Stammwürze sehr gut. Auch beim „NY Strip am Knochen gereift – Omaha Natural Angus“ (79 Euro) fällt die exzellente Reife (man reift hier im Haus) und die entsprechende Würze auf, auch die Garung, und der Cut, bei dem keineswegs auf Fett verzichtet wird. Das macht Spaß, vor allem auch mit den Weinen aus der etwa 2000 Positionen umfassenden Weinkarte, bei der man im Laufe der letzten Jahre übrigens die Neue Welt weitgehend entfernt hat und neben einer starken deutschen Fraktion vor allem auf Frankreich setzt. Zu den beiden Fleischgängen gab es den 2011er Spätburgunder R von Huber und einen 2011er Chateauneuf-du-Pape „Omnia“ von Rotem & Mounir Saouma.

Wir machten bald Platz für die nächsten Gäste, und sind quasi die ersten, die wieder gehen. Es ist laut, es ist – sagen wir: ein wenig forciert, aber insgesamt nicht unbedingt verspannt hier. Der Grill ist sicher kein Ort für zarte Seelen und ziseliertes Essen mit ziselierter Tischkultur. Er ist eine Art öffentlicher Platz in Restaurant-Form, in dem sich auch Promis wohlfühlen, weil sie – bei aller Beachtung – eben nur Teil einer ganzen Riege von Promis sind. Man ist hier nicht unter sich – da gibt es ganz andere Adressen. Vielleicht wirkt dies auf die internationale Filmwelt sogar außergewöhnlich entspannt und in ihrem gefilterten Sinne „normal“. Es wimmelt nicht von Bodyguards und im Prinzip kann jeder Passant von der Straße versuchen, hier einen Platz zu bekommen. So gesehen ist der Grill eben nicht nur manchmal und in Teilen Schickimicki, sondern immer auch ein wenig eine ganz normale demokatische Einrichtung.

1 Gedanke zu „Vor-Corona, Bild 6: Am Berlinale-Samstag im „Grill Royal““

  1. Toll geschrieben, man fühlte sich „dabei“. Sehr schön 🙂 wir waren heute Abend in Göteborg im SK Mat&Männsikor. Was ist Ihre Meinung über die schwedische Sterneküche? Ich bin mehr und mehr begeistert. Liebe Grüße und weiter so

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