Wie „fein“ muss „heimisch“ sein?

„Feinheimisch“ ist eine gute Idee, sollte aber gastronomisch strammer auf Kurs gebracht werden. Eine BIO-Placebo-Küche ist jedenfalls keine Lösung.

Es gibt schon immer ein Problem mit jener Küche, die von Organisationen und Vereinigungen wie Slow Food angeboten oder bevorzugt wird. Das wurde mir gerade erst wieder im Restaurant des „Nordfriesischen Lammkontors“ in Husum klar. Man hat die guten Produkte und mit dem Bio-Anbau auch die Moral ganz auf seiner Seite, zeigt dann aber gastronomische und kulinarische Mängel, die geeignet sind, dem Erfolg der Idee im Wege zu stehen. Im Kern geht es vor allem darum, dass das Essen zwar „heimisch“, aber nicht fein genug ist. Hier auf www.eat-drink-think.de geht es nicht darum, die Restaurantleistungen lediglich zu kritisieren. Es geht auch darum, darüber nachzudenken, wie man eine gute Idee, die wir schon seit vielen Jahren unterstützen, so optimiert, dass sie mehr Wirkung entfaltet.

Das nordfriesische Lammkontor
Es gibt erst einmal schon leichte Schwierigkeiten, das Lammkontor in Husum überhaupt zu entdecken. Im Netz macht offensichtlich Schwierigkeiten, dass man keinen eindeutigen Restaurantnamen in den Vordergrund stellt. Im Vorbeifahren entdeckt man das Schild „Nordfriesisches Lammkontor“, nicht aber einen schnellen und eindeutigen Hinweis darauf, dass es sich hier auch um ein Restaurant handelt. Dabei ist die Lage an einer die Altstadt tangierenden Straße und in einer ehemaligen Brauerei nicht schlecht, und das Ganze hat durchaus Charme. Es gibt einen Laden (auf dem Hof), ein Antiquitätengeschäft und das Restaurant, das ebenfalls mit Antiquitäten ausgestattet ist. – Auf der Karte fällt ein Preisniveau auf, das in Richtung Gourmetrestaurant geht. Bei einem der probierten Lammgerichte ist die Portion tatsächlich dann auch so groß, dass man über 30 Euro als Preis vertreten kann. Aber: muss man (bei einem zweiten Gericht) bei drei Stücken Fleisch wirklich ein Stück Rind haben, das allein schon für ein Hauptgericht ausreichen würde?

Im Angebot sind durchaus Gerichte, die verständlich machen, dass man schon vor Jahren von der italienischen Slow Food-Mutter als empfehlenswert eingestuft wurde. Es gibt zum Beispiel gebratene Leber vom Salzwiesenlamm, gebratene Zunge und Herz vom Salzwiesenlamm, Königsberger Klopse vom Salzwiesenlamm oder Rollbraten vom Salzwiesenlamm. Ein „Consommé von der frischen Dithmarscher Tomate mit Parmesan und Croutons“ (8,90) Euro schmeckt gut und individuell, weil die Mischung aus Consommé und klarem Tomatensaft eine interessante Mischung ergibt. Und doch irritiert etwas. Kann die Formulierung „frische Dithmarscher Tomaten“ nicht als prätentiös empfunden werden, zumal auch bei anderen Gerichten regelmäßig der Eindruck erweckt wird, als ob die verwendeten Produkte etwas ganz besonderes seien? Der „Simonsberger Wirsing“ ist in der verwendeten Zubereitung geschmacklich genau so wenig als Spezifität zu identifizieren wie die „Treia Knolle“ und die Schülper Wurzeln“. Dieses Bio-Name-Dropping ist eine Unart, die um so mehr auf die Verursacher zurückfällt, als es ihnen nicht gelingt, für ihre guten Produkte wirklich spezifische Zubereitungen zu generieren.

Ein Beispielgericht. Das „Gegrillte vom Salzwiesenlamm und Weiderind mit Simonsberger Wirsing, Schülper Wurzeln und Gratin von der Treia-Knolle“ (28,90 Euro) plus Lammbratwurst ist eine riesige Portion mit einem großen, gegrillten Kotelett, einem dicken Stück Rind, der Bratwurst mit einem zu deutlichen Thymian-Anteil, einem Sockel von weitgehend verkochtem Wirsing, Karottenstängchen mit einem Hauch von Individualität und einem Gratin, das ohne weiteres auch von Discounter-Kartoffeln sein könnte, weil man in dieser Zubereitung vom Produkt nichts schmeckt. Die Fleischqualität vom Lamm ist gut, und es erfreut vor allem, dass hier quasi ausgewachsene Lämmer eingesetzt werden, die deutlich mehr Eigengeschmack haben, als die viel zu jung geschlachteten, ausschließlich einem Zartheitskult gewidmeten Lämmer vieler Spitzenküchen. Die 5 Monate alten Lämmer sind in etwa ein Produkt wie die Salzwiesenlämmmer in der Bucht des Mont-St.Michel, die ebenfalls rund 5 – 6 Monate alt sind. Wird ein „normaler“ Gast aber den Unterschied bemerken? Vermutlich nicht, weil die Zubereitung viel zu rustikal ist. Es entsteht das Bild eines Gerichtes der bürgerlichen Küche, das sich von vielen anderen bürgerlichen Küchen vor allem durch den Preis unterscheidet, nicht aber durch ein Geschmacksbild, das in seiner Logik und Qualität überzeugt. Wenn dem so ist, ist das „Nordfriesische Lammkontor“ einfach kulinarisch zu unspezifisch und damit gastronomisch auf einem ungünstigen Kurs.

Warum man „feiner“ und spezifischer werden sollte
Die Erfahrungen zum Beispiel aus Italien zeigen immer wieder, dass ein wichtiger Teil der BIO-Küche spezifisch sein sollte, also Spezialitäten haben sollte, die man sonst nirgendwo bekommt – oder von Zubereitungen geprägt sein sollte, die erkennbar vom Mainstream der ganz normalen Küche abweichen. Wenn es aber – wie bei uns in Deutschland häufig anzutreffen – scheinbar an regionalen Spezialitäten mangelt (woran ich nicht so ganz glauben kann – die Recherche ist meist viel zu ungenau), muss man um so mehr versuchen, den BIO-Gerichten durch hervorragende Zubereitung Glanz zu verleihen. Ich habe im Zusammenhang mit Slow Food immer wieder auf diesen Umstand hingewiesen und auch darauf, dass eine Preisbegrenzung für empfohlene Restaurants dem unter Umständen deutlich entgegensteht. Glanz für eine BIO-Küche kann man sich heute im „Essigbrätlein“ in Nürnerg ansehen, oder in verschiedenen Berliner Restaurants, oder im „Sosein“ in Heroldsberg usw. usf., nicht aber in vielen der von Slow Food empfohlenen Restaurants. Die Leistungen der BIO-Küchen müssen evident werden, also für Jedermann nachvollziehbar sein und nicht nur so, dass es anders schmeckt, wenn man mit anderem Bewusstsein ißt. Gelingt es nicht, eine solche Überzeugungskraft zu entfalten, wird die Küche zum Placebo und unter Umständen auch zu so etwas wie BIO-Schickimicki-Küche.

Es gibt ohne weiteres Möglichkeiten, neue Küchenkonzepte zu entwickeln, selbstbewußt, unideologisch kulinarisch befreit und preislich moderat. Die BIO-Küche hat nach wie vor die Möglichkeit, in eine Lücke vorzustoßen, in der man weder die Preise der Spitzenküche noch ein Anbiedern an die Mechanismen der bürgerlichen Küche braucht.

3 Gedanken zu „Wie „fein“ muss „heimisch“ sein?“

  1. Guten Tag, Herr Dollase,
    Sie schreiben mir aus der Seele. Sehr gut auf den Punkt gebracht, was ich immer wieder kritisiere. Dieses „Name-dropping“ ist eine Unart, die mir als Gast nur noch auf die Nerven geht.
    LG
    Wolfgang Diel

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  2. Lieber Herr Götze,

    ich weiß, bei der Veranstaltung am 22. sollte ich – soweit ich mich erinnere – ebenfalls dabei sein und eine Art Impulsvortrag halten. Es ging aber leider nicht. Ich hätte dort sicher auch für die in meinem Text beschriebene kulinarische Finesse und Individualität plädiert. Ich wünsche eine gute Veranstaltung!
    JD

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  3. Gut Ding braucht etwas Weile
    FEINHEIMISCH-Genuss aus Schleswig-Holstein e.V. freut sich über die mediale Begleitung seiner Arbeit – manchmal mit einem lachenden Auge, manchmal mit einer kleinen Träne. Aber fundierte Kritik ist uns ein willkommener Wegbegleiter – ist sie doch ein guter Lehrmeister.
    Wir sind ein bißchen stotz darauf, dass sich durch die Vereinsarbeit bei den gastronomischen Mitgliedern der Augenmerk auf fast vergessene Teile eines Tieres oder besondere Produktqualitäten verstärkt hat. Doch wir wollen an dieser Stelle nicht haltmachen. Seit zwei Jahren sind wir bestrebt, durch Wissensvermittlung und anhand von Best-Practise-Beispielen – wie jetzt beim 2.FEINHEIMISCH-Symposium am 22.10. in Büdelsdorf – durch renommierte Köche und Wissenschaftler die Sensibilität beim Umgang und der Verwendung von Produkten besonderer Qualität innerhalb des Vereins zu steigern. Aber: Gut Ding braucht leider etwas Weile.

    Wolfgang Götze
    Politischer Sprecher des Vorstandes
    FEINHEIMISCH-Genuss aus Schleswig-Holstein e.V.

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