Zum Tode von Karl Ludwig Schweisfurth

In der Nacht zum vorletzten Samstag ist der ehemalige „Herta“-Wurstfabrik-Chef und spätere Bio-Pionier und Gründer der „Herrmannsdorfer Landwerkstätten“ Karl Ludwig Schweisfurth im Alter von 89 Jahren verstorben. Ich hatte das Vergnügen, ihn mehrmals zu treffen und seine Denkweise nachzuvollziehen, zu diskutieren und ihre Ergebnisse an Ort und Stelle zu erleben. Mit etwas Abstand zu seinem Tod und der Berichterstattung möchte ich ein paar persönliche Anmerkungen machen.

Karl Ludwig Schweisfurth hätte noch ein viel größerer Bio-Heiliger sein müssen
Es ist bizarr: Immer wieder habe ich im Gespräch mit Bio-Produzenten oder Bio-Freunden erlebt, dass sie mit dem Namen „Herrmannsdorfer Landwerkstätten“ und Karl Ludwig Schweisfurth nichts anfangen konnten. Eigentlich war und ist Glonn ein Wallfahrtsort für die Bio-Szene, eine unglaublich kraftvolle Demonstration dessen, was sein kann, werden kann, viel öfter sein müsste. Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, warum die Leute im Biohof X oder Y so etwas nicht kennen und bin auch zu dem Schluss gekommen, dass ihr ganzes Denken rund um die Bio-Szene dem vielleicht ein wenig entgegensteht.

Schweisfurth ist vom Saulus zum Paulus geworden, von einem Riesen-Hersteller industrieller Fleischwaren zu einem Bio-Bauern, der dann aber auch dort eben schnell ein Großer wurde. Dass er als Säulenheiliger nicht noch größer und vielleicht auch politisch wirksamer geworden ist, mag also – erstens – daran liegen, dass in der Bio-Szene Größe und große Geschichten immer auch mit einem gewissen Misstrauen verfolgt werden. Zweitens war Schweisfurth eine selbstbewusste Persönlichkeit, die nicht auftrumpfte, aber einen großen argumentativen und bisweilen auch suggestiven Druck entfalten konnte. Drittens war er nicht vegetarisch oder vegan orientiert, sondern verfolgte einen Weg, der auch für viele Spitzenköche schon seit vielen Jahren ein großes Thema war und ist. Es geht um eine Kombination aus optimalem Leben für die Nutztiere und optimalem Geschmack. Es soll den Tieren prächtig gehen, sie sollen schnell und ohne Stress zu Tode kommen und ein hoch geschätztes Produkt in einer Umgebung werden, die auch bereit ist, für diese Qualitäten und das Tierwohl wesentlich mehr Geld auszugeben.

Man ahnt es: so etwas konnte und musste in Bayern auch einen Zweig entwickeln, der in Richtung Nobelkonsum der entsprechenden Kreise ging, was wiederum ein gutes Stück von der Vorstellung des Bio-Produzenten als einsamer Wolf in einer Berghütte entfernt ist. So etwas wurde und wird in der Bio-Szene bemerkt und schafft Misstrauen. Man tut sich eben schwer damit, dass der Preis von Tierwohl und Qualität nicht so ohne weiteres mit einem persönlichen Haushalt korrespondiert, der auf Discounter-Preisen basiert. Dass man selber aufgefordert wird, seinen Konsum zugunsten besserer Lebensmittel umzustrukturieren und es andererseits Leute gibt, die sich mit Schickimicki-Gehabe mal eben als politisch korrekte Konsumenten inszenieren. Und da geht eben auch bei der Einschätzung solcher Bio-Pioniere wie Karl Ludwig Schweisfurth eine Menge drunter und drüber – nicht unbedingt zum Nutzen der Idee. Wer Großes will, braucht auch Leute, die in der Lage sind, so etwas zu realisieren.

Ein Gang von der Metzgerei in Glonn zu den Tieren in der „symbiotischen Landwirtschaft“
Ich erinnere mich an eine Runde mit Karl Ludwig Schweisfurth durch die Anlagen der „Herrmannsdorfer Landwerkstätten“. Wir kamen in den Restaurantkomplex und die Metzgerei, und Schweisfurth bat in seiner ruhigen, freundlichen, oft auch selbstironischen Art um Verständnis dafür, dass er sich als Metzger hier eine absolute Super-Metzgerei gebaut hat. Wir besuchten hochprofessionell angelegte, große Reiferäume, und ich sah in einer Ecke Keulen hängen, die mir – sagen wir: nicht so ganz den richtigen Schimmel zu haben schienen. Ich fragte danach, was das denn sei. Schweisfurth schüttelte mit dem Kopf und machte eine Handbewegung, die er vielleicht auch an anderer Stelle einsetzte, um etwas, das noch nicht so recht klappt, wie vom Tisch zu wischen. Es wurmte ihn erkennbar. Ja, da hätte man noch ein Problem nicht richtig im Griff.

Und dann ging es nach draußen, auf das Gelände hinter den Gebäuden, wo er große Flächen für sein damals ganz neues System von Aufzucht und Leben der Tiere, die „symbiotische Landwirtschaft“, freigemacht hatte. Schweisfurth war immer auf der Suche nach der natürlichsten Form, ein hervorragendes Fleisch zu produzieren und insofern auch kein Freund von Intensiv-Zuchten und intensiver Mast – und sei es mit noch so gutem Futter. Da lebten dann also verschiedene Tierarten auf einer Weide und hatten zu tun: der Plan war, so wenig wie möglich zuzufüttern und es den Tieren – wie sie das von selber machen würden – zu überlassen, nach eigenem Futter zu suchen. Die Überlegung, in wieviel Tagen ein Tier „schlachtreif“ sein muss, spielt bei einer solchen symbiotischen Landwirtschaft natürlich ebenso wenig eine Rolle wie ein schnelles Wachstum. Das Fleisch dieser Tiere wächst organisch und entwickelt sich damit völlig anders – zugunsten einer Art verbesserten „Stammwürze“.

Nicht zuletzt: die Ergebnisse
Und das ließ sich dann auch beim Essen nachvollziehen. Im großen „Wirtshaus zum Herrmannsdorfer Schweinsbräu“ konnten und können die Gäste nach einem Rundgang durch die Anlagen und dem Blick auf die Tiere und ihre Aufzucht (und vor allem ihren Nachwuchs) probieren, was das Ergebnis dieser Bemühungen ist. Vor allem mit dem großartigen Thomas Thielemann (der leider heute nicht mehr dort kocht) gelang es, diese Bemühungen schmeckbar zu machen. Seine spezielle Sensibilität für den Geschmack des Fleisches als Ausgangspunkt sowohl für traditionelle wie für moderne Gerichte sorgte dafür, dass in einer kaum jemals zu erlebenden Form Bio-Qualität erfahrbar wurde. Dazu präsentierte Thielemann auch regelmäßig große Stücke von verschiedenen Tieren, die dann – vor allem im Kern der Stücke, der von Krusten oder Glasierungen unberührt ist – zeigten, wie das Fleisch tatsächlich schmeckt.

Ich habe zur Illustration dieses Textes kein Bild von Karl Ludwig Schweisfurth genommen (ich glaube, er wäre damit sehr einverstanden), sondern das Bild eines Schweinekoteletts – so, wie es wächst und aussieht, bevor es in den üblichen „Cuts“ in diverse Teile zerlegt wird und bevor die aromatischsten Teile weggeschnitten werden. Bei diesem Kotelett schmeckt man ganz deutlich die verschiedenen Partien, und alle diese Partien schmecken ganz ausgezeichnet, fein, von einem puren, reinen Aroma, wie es nur ganz ausgezeichnetes Fleisch besitzt. Man kann so etwas – auch wenn man das sonst nie macht – pur essen, Teil für Teil, und so ein wunderbares Naturprodukt würdigen und genießen.

In Glonn wird alles weitergehen, weil der Meister natürlich frühzeitig auch an einen organischen Übergang gedacht hat.

1 Gedanke zu „Zum Tode von Karl Ludwig Schweisfurth“

  1. Weltausstellung 2000 Hannover-Ich habe Karl Ludwig Schweißfurth erlebt,als die Herrmannsdorfer Landwerkstätten auf dem Kronsberg in Hannover zur Expo eröffnet wurden.Ich war sehr begeistert von der Idee und habe dort viel eingekauft sowie Feiern im Gasthof abgehalten bei einem Krug Schweinsbräu. Sehr bedauert habe ich,das nach einigen Jahren alles wieder verschwunden war,es wurde wohl nicht angenommen von den Hannoveranern. Karl Ludwig Schweißfurt seine Idee war super und ich werde Ihn in gute Erinnerung behalten. m.f.G. Heiner Ehlers Hannover

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