Alles über Wagyu und Kobe Beef

In den letzten zehn Jahren ist Fleisch aus Japan beziehungsweise Fleisch von Rindern, die aus Japan stammen, zum kulinarischen Maß aller Dinge geworden. Der Name dieses Rindes trägt seine Herkunft schon in sich. Wagyū, das “Wa“ steht für Japan und das “Gyu“ für Rind. Und dieses Rind hat es in den letzten zehn Jahren geschafft, die kulinarische Rindfleischwelt in zwei Lager zu spalten. In “Wagyū Beef“ und in “nicht Wagyū Beef“.
Bis zum Beginn des Siegeszugs der Wagyū-Rinder war es total wichtig, dass gutes Rindfleisch aus Nordamerika, bestenfalls aus Nebraska, stammte und nicht so gutes Rindfleisch aus Südamerika oder aus irgendeinem anderen Teil der Welt. Seit Beginn der Wagyū-Zeit ist es nicht mehr so wichtig, wo das Fleisch herkommt, sondern welcher Rasse es angehört. Und auch hier waren zu guter Letzt nur noch zwei Rassen von Bedeutung: “Wagyū“ und “nicht Wagyū“.
Diese Situation war anfangs sehr skurril, denn 100 Prozent des Wagyū-Rindfleisches stammte nicht aus Japan. Es stammte auch nicht von japanischen Rindern, sondern von den Kindern oder den Kindeskindern japanischer Rinder, die in jedem Fall außerhalb Japans geboren wurden. Krude japanische Gesetze verboten nämlich bis ins Jahr 2014 den Export von japanischem Rindfleisch. Zudem gab es keine für die EU zugelassenen Schlachthöfe. Noch skurriler ist die Tatsache, dass bis 1868 in Japan, aufgrund der buddhistischen Gesetze, der Verzehr von Rindfleisch verboten war. Rinder waren dort reine Arbeitstiere und wurden selten gekreuzt. Diese Arbeitsrinder lagerten – wenn sie nicht zur Arbeit genutzt wurden – eine Menge Fett in ihrer Muskelmasse ein und dieses Fett ist es, welches das Fleisch so unvergleichlich macht.

Wagyu – USA?
In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden einige der Wagyūs zu wissenschaftlichen Zwecken in die USA verschickt, und genau diese bildeten den Grundstein für die internationale Wagyū-Zucht. Die Tatsache, dass der Export von Wagyū-Spermen und Wagyū-Embryonen Anfang der 2010er Jahre erlaubt wurde, begründete einen weltweiten Wagyū Boom. Überall auf der Welt wurden auf verschiedenen Arten Wagyū-Herden gezüchtet.
Es gab drei Möglichkeiten, nach denen man vorgehen konnte. Die preiswerteste war, eine einheimische Kuh mit Wagyū-Sperma (bis 2010 aus dem Genpool der wissenschaftlichen US-Wagyūs) zu befruchten. Das Kalb war dann zu 50 Prozent Wagyū. Wenn es sich bei dem Kalb um eine Kuh handelte und man diese später wieder mit Wagyū-Sperma schwängerte, dann war das Kalb dieser Kreuzung bereits zu 75 Prozent Wagyū. Wenn man dieses System durchhielt, war die nächste Generation bereits 87,5 Prozent und die folgende dann schon 93,75 Prozent Wagyū. Egal jedoch, wie hoch der Wagyū Anteil des Tieres war. Es wurde als Wagyū verkauft. Oft sehr preiswert und meistens sehr enttäuschend. In den ersten Jahren dieses Jahrtausends waren die ersten Begegnungen mit diesem Wagyū-Fleisch sehr ernüchternd. Meist war das Urteil irgendwo zwischen “na ja” und” find ich jetzt nicht so toll”. Das lag dann meist daran, dass dieses Fleisch tatsächlich meilenweit vom Original entfernt war. Sowohl preislich als auch geschmacklich. Nur in damals sehr seltenen, sehr hohen Marmorierungsstufen stellte sich ein dem Original ähnlicher Aha-Effekt ein.

Nur 100% sind 100%
Die zweite, und wesentlich aufwendigere Art der Züchtung war das Implantieren von Wagyū-Embryonen in einheimische Kühe. Die daraus hervorgehenden Kälber sind von der ersten Generation an zu 100 Prozent Wagyū. Wenn man diese im späteren Leben weiterhin mit 100 Prozent Wagyū vermehrt, hatte man sehr schnell eine qualitativ hochwertige Wagyū-Herde gezüchtet. Aber selbst als ein medizinisch wenig erfahrener Leser wird man sich vorstellen können, dass diese Art der Invitro-Fertilisation um Klassen kostspieliger und technisch extrem aufwendig ist. Das Resultat jedoch ist überzeugend – teuer, aber gut.
Die dritte und kostspieligste Art, eine Wagyū-Herde zu gründen, ist auf den Genpool der in den 1990er Jahren in die USA verschickten, wissenschaftlichen Rinder zurückzugreifen. Diese Gruppe ist jedoch sehr elitär. Der Vorteil hierbei ist, dass auch die Kälber vom ersten Tag an mit Wagyū Muttermilch gestillt werden. Bei der zweiten Methode ist es ja die einheimische Milch der Leihmutter, die das Kalb hochpäppelt. Kein großer Unterschied, aber ein Unterschied. Auch die australische Wagyū-Herde basiert auf diesen Rindern.
In diesem Bericht wird es nicht darum gehen, welches der international agierenden Länder die besten Wagyū-Herden züchtet und welcher Züchter das beste Produkt liefern kann. In diesem Bericht gehe ich einen Schritt weiter. Ich gehe an die Spitze des Möglichen. Ich gehe an die Quelle – nach Japan – und versuche, die dort herrschende Begriffsverwirrung ein wenig zu glätten. Aber in erster Linie werde ich nicht das gängige Wissen aus dem Internet und der Fachliteratur kolportieren, sondern ganz präzise meine eigene Versuchsreihe mit echtem japanischem Wagyū wiedergeben. Jedoch nicht, ohne auf ein wenig Fachwissen zurückzugreifen und zu versuchen, dieses griffig zu vermitteln.
Das intramuskuläre Fett
Zuerst einmal der Hauptgrund, warum Wagyū manchmal so himmlisch und manchmal gar nicht so himmlisch schmeckt. Es ist das bereits erwähnte intramusku- läre Fett, das dieser Rasse so eigen ist. Ihm kommt eine doppelte Bedeutung zu: Es transportiert den Geschmack des dem Tier gegebenen Futters und sorgt für das wohlige Mundgefühl. Jetzt ist es aber so, dass es sich beim Wagyū-Rind um ein Tier handelt und nicht um ein industriell hergestelltes Lebensmittel. Das gilt gleichermaßen für japanische wie für internationale Wagyūs. Kein Tier ist wie das andere. Es gibt Rinder mit einem sehr hohen intramuskulären Fettanteil, aber auch welche mit eher wenig intramuskulärem Fett. Das begründet die Tatsache, warum der wichtigs-te Faktor in der Einteilung der Qualitäten der Fettanteil ist. Innerhalb und außerhalb von Japan gilt bei dieser Rasse eine Skala von M1 bis M12. M1 steht hier für blutrotes und unmarmoriertes Fleisch und M12 für fast schneeweißes Fleisch mit wenigen roten Fleischpunkten. In der Praxis ist die M1 fast genau so selten wie M12 (M=Marmorierungsgrad). Fast alle japanische Wagyū Rinder besitzen Fleisch mit einer Marmorierung oberhalb der Stufe M4. Stärker marmoriertes Fleisch ist seltener und um jeden Grad der steigenden Marmorierung dementsprechend teurer. Am seltensten und teuersten ist demzufolge die Stufe M12, die im außerjapanischen Handel nur höchst selten zu finden ist.
Die Marmorierung (1) ist nicht der einzige Punkt, an dem man die Qualität der japanischen Wagyū-Rinder einteilen kann. Wertmäßige Unterscheidungen sind in Japan auch die Farbe (2) des Fettes und die Farbe (3), Festigkeit und Textur (4) des Fleisches. Je weißer das Fett, desto besser die Qualität. Das Fleisch darf nicht zu hell und nicht zu dunkel sein, ein kräftiges Mittelrot ist am liebsten gesehen. Diese Kriterien (1–4) werden wie die Marmorierung an individuellen Skalen bewertet. Alle Bewertungen (1–4) gehen in eine Gesamtnote von eins (schlecht) bis fünf (exzellent) ein, wobei die schwächste Bewertung die Gesamtnote definiert. Hat das Tier zum Beispiel eine sehr hohe Marmorierung, die perfekte Fleischfarbe, Konsistenz und Festigkeit aber dunkles Fett, so bekommt sein Fleisch die Gesamtnote eins. Ausgehend davon, dass sämtlich andere Kriterien bei dem nach Europa gebrachten Wagyū immer erster Güte sind, kann man die japanische Gesamtnote wie folgt aufschlüsseln: (M= Marmorierung) 3 = M3–4, 4 = M5–7, 5 = M8–12. Den zweiten Teil der japanischen Klassifizierung bildet einer der Buchstaben A, B oder C. Die Buchstaben stehen hierbei für die Ausbeute an reinem Fett und Fleisch ohne Haut und Knochen. A ist überdurchschnittlich, B durchschnittlich und C unter dem Durchschnitt. Das bisher aus Japan nach Europa gebrachte Wagyū hatte immer ein A.
Da es in Japan jedoch kaum Rindfleisch mit einer Marmorierung unter vier gibt, sind für uns nur die Klassifizierungen 3 bis 5 interessant. Aus dieser Legende lässt sich ableiten, dass es sich bei der Klasse A5 um ein großes Stück Fleisch mit schneeweißem Fett und kräftig roten Punkten und einer Marmorierung von 8–12 handelt. Hingegen bei Klasse C3 um ein 3 bis 4 marmoriertes, kleines Stück Fleisch mit rötlichem Fett und hell glasigem oder sehr dunklem Fleisch. Wenn man nach dieser Tabelle einkaufen kann, und weiß, was man will (sehr viel oder etwas weniger Marmorierung), gibt es keine Probleme.

Die Suche nach A5
Im Handel hat sich diese Qualifizierung leider noch nicht durchgesetzt. Ambitionierte Fleischfans und auch Profiköche fragen immer zuerst nach der Marmorierung und werden natürlich immer mit der Graduierung von eins bis zwölf bedient. Hier liegt auch die Schwierigkeit in der Einführung der allumfassenden Qualitätseinteilung. A5 hört sich einfach nicht so wertig wie Marmorierung 12 an. Im Augenblick arbeitet man deshalb zweigleisig. Auf Anfrage nach der Marmorierung gibt man die Zahl zwischen eins und zwölf bekannt. Bei Gesprächen, die tiefer ins Detail gehen, wird dann mehr mit der allumfassenden Qualitätseinteilung gearbeitet. Im Verkauf ist die Marmorierung jedoch das alles überragende Qualitätskriteri- um und das wird es auch sicher noch für lange Zeit bleiben.
Ein weiteres Verkaufsargument ist die Herkunft innerhalb Japans. Großzügig wird mit der Herkunft aus Kobe um sich geworfen. Das kommt zum einen daher, dass die Stadt Kobe tatsächlich das Zentrum des japanischen Rinderhandels ist. Zum anderen liegt es daran, dass Kobe eine Hafenstadt ist und dass viele Rinder und das viele Fleisch der Rinder der Region aber auch von außerhalb der Region immer schon über Kobe verschifft wurden und so in den Frachtdokumenten immer Stempel mit dem Namen Kobe zu finden sind, auch wenn das Rind nicht aus Kobe kommt. Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass der Name Kobe post mortem verliehen wird, denn nur Rinder der Rasse Tajima über M6 werden als Kobe-Rind zertifiziert. Kein Kobe wird als Kobe geboren. Nur etwa 3.000 Rinder dürfen diesen Namen im Schnitt pro Jahr tragen. Etwa zehn Prozent davon dürfen exportiert werden. Das heißt, in einem Jahr stehen für den kompletten außerjapanischen Markt gerade mal um die 300 Rinder zur Verfügung. Das ist nur ein kleiner Prozentsatz der tatsächlich exportierten Wagyū-Produkte. In Japan heißt die Rasse, die das perfekte Fleisch produziert, Tajima-Gyu, benannt nach der Region Tajima, die es heute nicht mehr gibt und die seinerzeit oberhalb von Kobe am japanischen Meer lag. Heute noch ist der Herkunftsbereich der Tajimas ähnlich. Sie wachsen ausschließlich in Hyogo auf. Tajima läge heute im hohen Norden der Präfektur Hyōgo, deren Hauptstadt Kobe ist.
Tajima und Kobe Beef werden von dem Rindereinkauf bis zur Küche innerhalb der sogenannten Kobe Verträge der “Kobe Beef Marketing and Distribution Association“ gehandelt. Das heißt, nur Mitglieder der Association können mit einer regelmäßigen Versorgung mit Tajima und Kobe Beef rechnen. Die Association ist staatlich, also eine Behörde. Sie entscheidet mit den Produzenten, wer weltweit wie viel Tajima und Kobe erhält. Das Prinzip schützt die Rasse der Tajima vor den üblichen Mechanismen des Marktes und sorgt für den Erhalt der Rasse. In allen anderen Teilen Japans werden Kreuzungen von Tajima und Rasse X gezüchtet, bei diesem Fleisch spricht man von Wagyū. Wagyū wird in unzähligen Brands produziert, manche heißen nach ihrer Region (Kagoshima, Miyazaki, Ohmi) oder auch nach ihrem Züchter (Ozaki). Die Qualität des Fleisches soll sich nach den Aussagen von Fachleuten und auch nach den Ergebnissen aus den Selbstversuchen nicht sonderlich unterscheiden, da alle diese Regionen etwa gleich starken gesetzlichen Kontrollen unterliegen. Wichtiger ist es jedoch, dass es sich um Rinder der Linie Japanese Black handelt. Wenn man sich jetzt entscheidet, ein kleines Vermögen in so ein Stück Fleisch zu investieren, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es sich hier nicht mehr um Fleisch handelt, mit dem wir Europäer groß geworden sind. Es ist ein Produkt, das ich ohne zu zögern in die Gruppe der Superdelikatessen einreihen würde – Stör-Kaviar, weiße Trüffel, bretonischer Hummer, Foie Gras und Gillardeau Austern sind mit diesem Fleisch absolut auf Augenhöhe. Der Preis ist exorbitant. 300–500 Euro pro Kilo für unparierte Edelteile muss man, je nach Status, in der allumfassenden Qualitätseinteilung bezahlen. Da das schiere Fleisch, außer beim Filet, von einer ordentlichen Fettschicht umgeben sein sollte, können beim Parieren schon mal gut und gerne 50 Prozent Bratfett, quasi Abfall, gerechnet werden. Damit sind wir bei Nettopreisen pro Kilogramm, die schon im Bereich von 1.000 Euro liegen können. Bei solch einer Delikatesse ist es wichtig, dass bei der Zubereitung keine Fehler gemacht werden.
In Japan geht man sehr sorgfältig mit Lebensmitteln um, und das Tajima-Gyu genießt im Land der aufgehenden Sonne einen besonderen Stellenwert. Nach anfänglichen Fehlern mit diesem Produkt in meiner eigenen Küche, habe ich mich vertrauensvoll den Regeln der japanischen Küche genähert und mich bei einem Selbstversuch ausschließlich deren Techniken bedient.

Von Albers bis Otto
In Deutschland gibt es zwei Importeure von japanischem Wagyū. Es sind die Firmen Albers in Düsseldorf und eine japanische Firma in München, die ihren Vertrieb über die Firma Otto Gourmet in Heinsberg organisiert. Beides Fleischhändler von allerhöchster Reputation. Ihnen haben wir es zu verdanken, dass Fleisch in Deutschland zur Delikatesse geworden ist.

Für meinen großen Selbstversuch habe ich ein 1,2 kg schweres Tajima Hyōgo A3 Rib Eye – Endverbraucherpreis 290 €/kg – und ein weiteres 1,2 kg schweres Tajima Kobe A5 Rib Eye – Endverbraucherpreis 500 €/kg gekauft. Beide frisch in Folie verpackt. Bei diesen beiden Stücken wusste ich also, dass das Fleisch und das Fett von bester Qualität sind, dass das Tajima die Marmorierung 3–4 und das Tajima Kobe die Marmorierung 8–12 hat. Ferner wusste ich, dass bei dem Kobe Beef alle Superlative zutreffen – höchste Marmorierung, beste Farbe und Geschmack und zusätzlich noch die bevorzugte Herkunft. In diesem speziellen Fall habe ich extra ein Stück mit 12er Marmorierung bestellt und bekommen. Weiterhin habe ich ein Tajima Kobe Roastbeef gekauft. Es wog 1,12 kg, hatte die Marmorierung 10, und kam schockgefrostet bei mir an. Endverbraucherpreis: 389 €/kg.

Der Versuchsaufbau war folgendermaßen: Es wurde eine leichte Brühe gekocht und diese als Fondue oder Shabushabu, wie der Japaner sagt, auf den Tisch gestellt. Daneben ein kleiner Tischgrill. Mehr nicht. Auch mit den Gewürzen haben wir uns extrem zurückgehalten. Etwas Fleur de Sel, einen Hauch schwarzen Pfeffer, wenn überhaupt. Eine kleine Schale mit aufge- schlagenem Eigelb.
An Tag 1 wurden alle drei Fleischstücke pariert. Bei den beiden Rib Eyes war der Ertrag etwa 700 Gramm pro Stück. Bei dem Roastbeef ebenfalls 700 Gramm schieres Fleisch, obwohl das Stück anfangs etwas kleiner als die beiden Rib Eyes war.
Ich teilte jedes der drei Stücke in drei gleichgroße Portionen, sodass wir für jeden der drei Tage, die dieser Versuch dauern sollte, je 235 g Tajima Hyogo A3, Tajima Kobe A5 Rib Eye frisch und 235 g Tajima Kobe Roastbeef schockgefrostet zur Verfügung hatten, das 48 Stunden lang im Kühlschrank auftaute.

Tag 1 der Verkostung
Für den ersten Tag schnitten wir Scheiben mit etwa drei Millimetern Dicke aus den drei Fleischstücken. Diese Art und Weise haben wir uns bei japanischen Köchen abgeschaut. Wir haben mit sechs Foodprofis den kompletten Bestand je zur Hälfte ins Shabushabu getaucht und die andere Hälfte auf dem Tischgrill erwärmt. Ich spreche hier absichtlich nicht von gegart oder gegrillt. Dieses Fleisch – ich schwöre – braucht und verdient keine Garung. Maximal ein wenig Wärme. Je mehr wir davon aßen, desto kürzer wurde die Zeit des Erwärmens im Shabushabu und auf dem Grill. Und hier muss ich ein wenig persönlich werden. Ich habe schon Hunderte von Verkostungen gemacht und in vielen von diesen ging es um Premiumprodukte der absoluten Luxusklasse. In einigen dieser Verkostungen wurde es auch schon mal euphorisch, aber das, was hier passierte, war nicht vergleichbar mit irgendwelchen vorhergegangenen Verkostungen.
“Ist das Irre? Ich glaub’ es nicht. Wahnsinn. Unglaublich.” Das waren die Worte, die die Verkoster vor sich hinmurmelten. Sie schauten mich an und schüttelten ungläubig ihre Köpfe. Dass es so was Geiles gibt, hätte keiner von ihnen geglaubt. Nach der Verkostung habe ich Bewertungsbögen ausgegeben und sechs Bewertungen gefordert:

1. Tajima Hyogo A3 (M3–4) in Shabushabu
2. Tajima Kobe A5 (M10) in Shabushabu
3. Tajima Kobe A5 (M12) in Shabushabu
4. Tajima Hyogo A3 (M3–4) Grill
5. Tajima Kobe A5 (M10) Grill
6. Tajima Kobe A5 (M12) Grill

Wir waren sechs Tester und hatten je sechs Bewertungen abzugeben. Die Bewertungen hatten das Schulnotenprinzip von eins bis sechs. Insgesamt also 36 Bewer- tungen von eins bis sechs. Die Gesamtsumme aller Bewertungen geteilt durch 36 würde die Durchschnittsnote aller Bewertungen anzeigen und dieser Durch- schnitt war “eins“.
Keiner der Tester hatte einem der Produkte etwas anderes als eine “1“ gegeben und wir haben nach dem Test noch stundenlang darüber geredet. Keins der Produkte hatte etwas anderes als eine “1“ verdient. Es gab trotzdem einen Testsieger an diesem Abend. Es war das Kobe A5 (M12), weil zwei der Tester ihm in der Shabushabu-Wertung eine 1+ gegeben haben.

Tag 2 der Verkostung
Der Aufbau war derselbe, wie der des Vortages. Der einzige Unterschied war der Zuschnitt der Fleischstücke. Am zweiten Tag wurden keine Scheiben, sondern Würfel geschnitten. Kantenlänge etwas über ein Zentimeter.
Wir können es kurz machen. Die Durchschnittsnote war wieder “1“ und wieder waren wir uns einig, dass jede andere Benotung der Sache nicht gerecht geworden wäre. Allerdings wurde an Tag 2 mehr mit dem + und – bewertet und deswegen gab es auch an Tag 2 Gewinner und Verlierer, wenn auch auf unglaublich hohem Niveau. Mit etlichen 1+ wurde wieder das Kobe A5 (M12) in der Shabushabu-Version benotet. Es gab aber auch zweimal eine 1- für dieses Fleisch in der gegrillten Version. Der Grund dafür war jedoch nicht geschmacklich, sondern ausschließlich der große Gewichtsverlust beim Grillen. Hier wiederum punkteten die A3 (M3–4) Varianten. Beide bekamen 1+ Bewertungen auf dem Grill.

Tag 3 der Verkostung
Jeder von uns hatte in den letzten zwei Tagen eine Menge des Wagyū-Fleisches gegessen. An diesem Tag stellten wir uns zuerst die Frage: Haben wir noch Lust auf eine dritte Verkostung? Die Antwort war: “Ja, und jetzt schleich’ dich und hol’ das Essen“.
Das war deutlich und unterstrich die Erfahrungen der ersten beiden Tage. Noch immer konnten wir nicht glauben, dass es so was gibt, und wir es nicht wussten. Wir ahnten es, aber wir wussten es nicht. An Tag 3 haben wir, beim selben Versuchsaufbau, wieder den Schnitt geändert. Dieses Mal gab es sechs bis acht Millimeter dicke Scheiben. Wieder war die Durchschnittsnote “1“. Dennoch waren wir mittlerweile so erfahren mit dem Produkt, dass fast jede “1“ mit einem + oder – endete und besonders bei diesem Schnitt fiel auf, dass sich das A5 (M12) marmorierte Fleisch besser fürs Shabushabu und das A3 (M3–4) sich etwas besser für den Grill eignete, wobei ich hier bemerken muss, dass die Marmorierung 3–4 bei diesem speziellen Stück extrem tief gestapelt war. In Japan wird immer das ganze Tier klassifiziert und hier hatte ich einfach das Glück, dass das Tier mit 3–4 klassifiziert wurde, obwohl 7–8 der tatsächlichen Marmorierung näher gekommen wäre. Ein qualitativer oder geschmacklicher Unterschied zwischen dem A5 (M10) und dem A3 (M3–4) Stück ließ sich beim besten Willen nicht finden, obwohl der Schnitt (Roastbeef vs. Rib Eye) als auch die Herkunft (Tajima vs.Tajima Kobe) und zu guter Letzt auch noch die Darreichung unterschiedlich waren (Tiefgekühlt vs. Frisch). Es waren eben beide einfach perfekt.

Das Original ist eine Klasse für sich
Resümierend muss man feststellen, Wagyū aus Japan ist das beste Fleisch der Welt. Wagyū aus dem Rest der Welt und besonders Wagyū aus Deutschland ist zwar oft Weltklasse, aber das Original aus Japan ist eine Klasse für sich. Es ist kein Produkt für jeden Tag. Zu häufiger Genuss entfernt einen immer mehr von dem Genuss eines normalen Fleisches. Nach drei Tagen Wagyū-Verkostung mochte ich wochenlang kein anderes Rindfleisch mehr essen. Für besondere Anlässe gibt es jedoch nichts Besseres.

7 Gedanken zu „Alles über Wagyu und Kobe Beef“

  1. Ich habe seit einem halben Jahr aus einer Laune heraus kein Fleisch mehr gegessen – hatte einfach mehr Lust auf Pflanzen, Fisch und Milchprodukte. Jetzt werde ich mir wohl mal ein Pfund Rind aus Japan besorgen. Danke für die detaillierte und anregende Information!

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  2. Sehr interessanter Versuchsaufbau, den ich teilweise nachvollziehen kann. Ich hatte mit Freunden im vergangenen Jahr Shabushabu zu Silvester gemacht und wir hatten auch für jeden eine kleine Roastbeef-Portion japanischen Wagyus gekauft, sowie gutes deutsches, um zu vergleichen. Und eignetlich muss man von zwei total unterschiedlichen Produkten sprechen. Auch das deutsche Rindfleisch hatte seinen Reiz, aber einen total anderen.
    Das Schöne am Shabushabu war für mich, den Moment zu erwischen, in dem das Fett im japanischen Wagyu leicht angeschmolzen ist, dann hatte es für mich das perfekte Mundgefühl.
    Inzwischen trifft man ja immer wieder mal auf japanisches Rindfleisch in Sternrestaurants, auch wenn es mir dort für mich immer wieder ein Highlight ist, ist dieser pure, unverfälschte Genussmoment beim Shabushabu nicht zu übertreffen, weil dort das Erlebnis des zart schmelzenden Fetts und damit der Unterschied zu anderem Rindfleisch am besten zur Geltung kommt.

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