Auf dem Weg zur kulinarischen Sekte? Die Drei-Sterne-Restaurants produzieren eine Lücke

Foto Joachim Wissler, Vendôme © Erik Chmil
Die Ankündigung der Althoff-Hotelgruppe, die beiden Drei-Sterne-Restaurants „Vendôme“ in Bensberg und „Überfahrt“ am Tegernsee auf nur noch fünf Services pro Woche zurückzufahren, hat bei vielen Beobachtern ein ungutes Gefühl hinterlassen. Natürlich sind solche Maßnahmen verständlich. Sie haben etwas mit der aktuellen Post-Corona-Situation, meist mit Personalnot zu tun, aber auch damit, dass fünf Restaurantöffnungen perfekt zur 35-Stunden-Woche passen. Nicht vollständig gefüllte Restaurants an Wochentagen oder mittags rechnen sich nicht – auch weil eine zweite Brigade (oder Mischformen) hohe Kosten verursacht. Fünf geöffnete Abende versprechen da viel eher volle Häuser und erträgliches Arbeiten. Was allerdings passiert, wenn durch die Personalfluktuation oder Krankheit plötzlich ein paar Leute fehlen, wollen wir uns gar nicht erst vorstellen. Ersatzleute dürften dann ja nicht so ohne weiteres zur Stelle sein… Ich erinnere mich, dass mir einmal ein Freund erzählt hat, er habe in einem sehr guten und bekannten Restaurant ein überraschend schwaches Essen mit allerlei handwerklichen Fehlern bekommen. Er fragte den ihm gut bekannten Küchenchef und erhielt die Antwort: „Wir machen das hier gerade mit drei Leuten, wo wir sonst sieben haben. Aber das nur am Rande.

Eine kleine Übersicht: Öffnungszeiten und „Eintrittspreise“ unserer Drei-Sterne-Restaurants
Nach der Althoff-Entscheidung habe ich einmal nachgesehen, wie sich die Lage im Moment darstellt. Von unseren neun verbliebenen Drei-Sterne-Restaurants bieten sechs nur noch fünf oder weniger Services. Bei Sven Elverfeld im „Aqua“ (der aktuellen Ranking-Nummer-1 in Deutschland) sind es nur noch drei – wobei ein weiterer Öffnungstag vermutlich bald kommen wird. Bei Christian Bau sind es sechs, im „Sonnora“ sieben, und nur im „Bareiss“ bei Claus-Peter Lumpp sind es zehn. Sein Restaurant ist auch das einzige, in dem man an den Öffnungstagen mittags und abends essen kann. Ansonsten hat nur noch Bau samstags und sonntags Mittagsöffnungen angezeigt.

Foto Clemens Rambichler, Sonnora © Christopher Arnoldi
Der „Eintrittspreis“ für das Essen ist vor allem davon geprägt, dass die meisten Restaurants nur noch mehr oder weniger große Menüs anbieten. Dabei bleiben nur zwei Restaurants knapp unter 200 Euro, und nur im „Bareiss“ gibt es auch ein Mittagsmenü von 150 Euro. Nur drei Restaurants haben auch ein à la carte-Angebot, das aber preislich meist so gestaltet ist, dass man mit drei Gängen ebenfalls leicht in die Menü-Preis-Regionen kommt. Die früher noch häufiger anzutreffenden Mittagsangebote sind also quasi verschwunden. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Einstiegspreis für die absolute Spitzenküche deutlich gestiegen ist. Mit etwas Wein, Wasser und Kaffee müssen zwei Personen schnell mit mindestens 600 Euro Kosten rechnen. Es ist müßig, an dieser Stelle diese Kosten mit denen anderer kultureller Institutionen von Rang zu vergleichen. Ich stelle das nur fest. Erwähnen möchte ich trotzdem, dass ich etwa das Mittagsmenü von Joachim Wissler im „Vendôme“ lange Jahre als bestes Preis-Leistungs-Verhältnis in Deutschland zitiert habe, weil man neben den vier Gängen (für einen Preis von – ich weiß es im Moment nicht mehr ganz genau – ca. 130 Euro) auch noch die ganze Amuse-etc.-Armada des großen Menüs bekam. Von früheren Zeiten mit Business-Menüs oder anderen Sonderaktionen am Mittag will ich erst gar nicht anfangen zu berichten. Festzuhalten ist aber, dass das Mittagsangebot dazu geführt hatte, dass man sich die Qualität eines Drei-Sterne-Restaurants zu deutlich geringeren Einstiegspreisen leisten konnte.

Foto Marco Müller, Rutz © Ricarda Spiegel
Also doch nur noch Luxusrestaurant?
Es deutet sich an, dass die Drei-Sterne-Küche ins reine Luxussegment abdriftet und damit unter Umständen auch noch zufrieden ist und wirtschaftlicher funktioniert. Für jeden Beobachter, der die beste Küche irgendwie auch für Leute erschwinglich machen möchte, für die ein paar Hundert Euro viel Geld sind, ist diese Entwicklung bedauerlich bis falsch. Man wird an anderer Stelle, wo man die kulturellen Leistungen der Spitzenküche nicht besonders wohlwollend sieht, die Rechnung aufmachen und von Relevanz reden, davon, dass an einem Abend in den deutschen Drei-Sterne-Restaurants vielleicht 300 Gäste sitzen, in den Institutionen anderer Kultursparten aber viele Tausende. Natürlich sind jene subventioniert, während die Spitzenküche ja gerade diese neuerliche Verknappung erzeugt, weil sie sich selber finanzieren muss. Und dennoch wird in diesem Zusammenhang diskutiert werden – auch weil keine Anstalten zu erkennen sind, auf kreativem Wege eine Lösung zu finden, die die gesellschaftliche Wirksamkeit allerbester Küche erhöht. Wird man so zu einer kulinarischen Sekte? Viele Angehörige der Spitzenküche und viele ihrer Freunde klagen über mangelnde Akzeptanz der Spitzenküche in Deutschland – gerade im Vergleich mit anderen Ländern. Der Weg in die Isolation, der sich gerade andeutet, ist keine Hilfe, um diesem Vorurteil, das zu einem Urteil werden kann, zu begegnen.

Foto Torsten Michel, Schwarzwaldstube © Traube Tonbach/René Riis
Es entsteht eine Lücke, die bisher kaum gefüllt wird.
Man könnte natürlich hingehen und sagen, dass man dann eben auf den oft wesentlich preiswerteren Ein- bis Zwei-Sterne-Bereich ausweichen kann. Das ist sicherlich teilweise richtig. Es gelingt den besten Sternerestaurants immer wieder, hervorragende Gerichte anzubieten, die aller Ehren wert sind. Ein Essen im „Le Moisssonnier“ etwa, bei Rüffer im „Haerlin“ oder im „Facil“ in Berlin kann da gut mithalten (wobei vor allem Vincent Moisssonnier ein preislich offeneres System anbietet). Aber – es gibt eben auch viele rein kulinarische Gründe, die für die Qualität der Drei-Sterne-Häuser sprechen. Exakt diese Qualitäten aber sollte man in einer preislich und von den Mengen her zugänglicheren Form bekommen können. Es wird immer wieder vergessen, dass es viele Leute gibt, die einfach keine großen Menüs essen wollen – ich habe das hier erst kürzlich wieder angemahnt – und das gilt auch für à la carte-Gerichte, die dann vielleicht ein paar Euro billiger sind, aber oft zu wahren Kalorien-Monstern mit Unmengen von Side-Dishes etc. aufgeblasen sind.

Was quasi komplett fehlt, ist ein preislich moderates, in den Portionen vernünftige Angebot an Spitzenküche. Menüs von drei Gängen – mit Wahlmöglichkeiten und ein à la carte-Angebot, das höchste Qualitäten im Detail (also vor allem gute Produkte und gutes Handwerk) besitzt und vollständig auf dem Niveau des Hauses ist, aber durch die Konzentration auf Wesentliches ein anderes preisliches Niveau fahren kann. Es ist nicht die Rede von „Casual Fine Dining“, das oft irgendwo zwischen Sterneküche und bürgerlicher Küche landet. Es ist eher die Rede davon, dass man Restaurants hat, die das anbieten, was man schnell und mit deutlich weniger Personalaufwand realisieren kann. Ich habe vor vielen Jahren schon im Zusammenhang mit Dieter Müllers Arbeit einmal vorgeschlagen, ob er nicht in der Innenstadt von Köln eine Art Dependance haben könnte, in den all das angeboten wird, was man entweder in wenigen Sekunden garen kann (von Foie gras bis dünnen Scheiben Rindfleisch und allerlei Fisch und Meeresgetier – La Boqueria lässt grüßen…), oder was in größerer Menge vorbereitet werden kann (Suppen, Schmorgerichte, Terrinen, Eingelegtes usw. usf.).

Wie man so etwas nennen und verkaufen könnte, wird man gegebenenfalls sehen müssen. Jedenfalls nicht „Wissler light“, sondern eher „Wissler kompakt“, es müsste eine Lösung sein, die popularisierbar ist, die den Willen erkennen lässt, auch für sich zu werben und für die Zukunft zu arbeiten. Die besten Restaurants sollten immer für sich werben und nie den Eindruck erwecken, sie könnten nur in ihrem Elfenbeinturm für ganz wenige Leute performen. Wer ein großes, zusammenhängendes kulinarisches Kunstwerk anbieten will und kann, soll das tun, das ist eine andere Sache. Aber eine Reihe von Gerichten zu einem kostspieligen Block zusammenzufügen, hat damit wenig zu tun. Wir brauchen nicht ständig die große Oper und auch nicht nur Komponisten, die außer großer Oper nichts können. Wir brauchen auch Kammermusik, die übrigens – das wissen alle, die so etwas lieben – wegen ihrer transparenten Linienführung oft exzellent sein kann und keineswegs schwächer als Oper oder Symphonie.

Es ist mir immer unverständlich, wieso unsere Spitzengastronomie nicht kreativer an solche kulinarisch-gastronomischen Fragen herangeht und wieso da oft viele Jahre lang buchstäblich nichts passiert.

14 Gedanken zu „Auf dem Weg zur kulinarischen Sekte? Die Drei-Sterne-Restaurants produzieren eine Lücke“

  1. Vielleicht ist es aber auch so, dass die Restaurants selber – im Gegensatz zu manchem Tester – die Bewertung des Guide wirklich ernst nehmen. 3*-Restaurants sind, per definitionem, „eine Reise wert“. Natürlich bedeutet das nicht automatisch, dass auch alle Gäste/Kunden tatsächlich extra eine Reise zu diesem Restaurant gemacht haben, aber es sollte zumindest ein großer Teil sein.

    Nun ist es (leider) so, dass Menschen, die sich eine Reise extra zu so einem Restaurant leisten können und wollen (incl. der durch Produkte und Personaleinsatz nun mal notwendigen Preise), zu einem sehr großen Anteil gerade unter der Woche nicht sonderlich viel Zeit haben, was Reisen anbelangt – zumindest solcher Reisen, die nicht geschäftlicher Natur sind.
    Daher ist es sogar naheliegend, dass gerade 3-Stern-Restaurants sehr wenige Services anbieten müssen. Der Kern bleibt der Samstag Abend, der sich perfekt für einen (auch mal weiteren) Wochenend-Trip eignet. Dazu kommen dann der Freitag Abend, Samstag- und Sonntag Mittag für das „verlängerte Wochenende“. Damit ist die definitionsgemäße Kernzielgruppe von 3*-Restaurants schon fast vollständig abgedeckt. Jeder weitere Service ist dann nur noch Bonus für solche Gäste, die eben nicht „bestimmungsgemäß“ das Restaurant im Rahmen einer extra dort hin durchgeführten Reise besuchen.

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  2. Mit meinen 71 Jahren möchte ich abends kein 7-Gänge-Menü mehr essen, sondern allenfalls mittags, was nach Corona kaum noch möglich ist, den Menüzwang finde ich ebenfalls sektirerisch. Da freue ich mich schon wieder auf einen Besuch im Elsass demnächst, wo die Welt noch in Ordnung ist.

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    • Das dürfte für jüngere berufstätige Menschen nicht zutreffen, fehlt diesen “ unter der Woche“ in der Arbeitszeit häufig die Zeit, sich einem ausführlicherem Essen in der Spitzengastronomie zu widmen. Auch ist der Alkoholgenuss tagsüber mittlerweile in der Arbeitswelt tabu, so dass va das Weinangebot der Spitzengastronomie, an dem sie ja auch verdient, ungenutzt bliebe.
      Man kann darauf natürlich mit einer Mischung aus Nostalgie und Polemik reagieren, trifft aber damit nicht die Lebensrealität der jüngeren Gäste in der Hochgastronomie; noch dazu, weil sich der Bedeutungsverlust des Sujets “ Mittagessen“ quer durch alle dafür möglichen häuslichen/ausserhäuslichen Verköstigungsformen zieht.
      Des weiteren gilt zu berücksichtigen, dass ein überwiegender Teil der deutschen ***-Lokale unter dem Dach von Hotels betrieben wird; wer dort Gast ist, findet in der Regel ausser dem grand restaurant noch weitere gastronomische Angebote vor, in denen sich ein Mittagsimbiss realisieren lässt.
      Kurz gesagt: Gäbe es tatsächlich ein so überwältigendes Bedürfnis, eine grosse Nachfrage nach einen optimiert gestrafften MIttagsangebot in der ***-Küche, wie hier skizziert, dann würde das schon angeboten. Da diese aber offenbar nicht vorhanden ist, halte ich es für nachvollziehbar, wenn diese unrentablen Servicezeiten auch zur Verbesserung der work-life-Balance der Mitarbeitenden gestrichen werden.
      Was die Preise angeht, steht die ***-Gastronomie der BRD im internationalen Vergleich immer noch ganz gut da. Ein bisschen ad absurdum wird dieser Aspekt der Debatte aber schon dadurch geführt, dass die Erwartungshaltung an die Teller der absoluten Spitze immer höher geschraubt wird ( man vergleiche zb einen ***-Teller von Witzigmann aus den 80igern, von Müller aus den 90igern mit einem Teller aus der zeitgenössischen Spitze hinsichtlich technischem Aufwand, Kleinteiligkeit, Produktphilosophie etc.) , die Preise für diesen Mehraufwand aber bitteschön zu stagnieren haben.

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  3. Erstmal sollten wir festhalten, dass es ein gutes Gefühl bei den Mitarbeitern ausgelöst hat – nur im ersten Moment, wohlgemerkt. Der zweite allerdings folgte gleich hinterher und stellt sich ganz anders dar.

    Was sollte man als Leihe wissen: Wenn sie auf diesem Level arbeiten, haben sie mindestens einen 10 Stunden Tag vor sich. Somit sind es im niedrigsten Fall 50 Stunden in der Woche. Seit längerem weise ich auch als einziger Gastronomie Profi/Tester/Kritiker darauf hin, dass in Zukunft die Konzeption eines Menüs dahingehen aufgebaut wird, dass ein Arbeitstag nicht länger als 9 Stunden dauern wird – von der Ankunft im Betrieb bis zum verlassen des Arbeitsplatzes.

    Nach diversen Recherchen (nicht durch meine Person) gab es gerade in den Restaurants Vendôme und Überfahrt massive Arbeitszeitverstöße, die auch an Althoff-Hotels weitergeleitet wurden. Dennoch muss man hier wissen, dass gerade das Restaurant Überfahrt ein eigenständiges Unternehmen ist. Wie also hier in Zukunft die Öffnungszeiten sein werden, steht in den Sternen.

    Bleiben wir noch ein wenig bei der Überfahrt. Als einziger Profi habe ich das Restaurant viermal in zwei Jahren besucht – also öfters, als ein Tester vom Michelin. Auch wir hatten einen Abend, an dem z.B. statt Rehfilet, ein Rehragout serviert wurde und beim Amuse man sich sogar den Aufwand gespart hat, den Darm der Garnele zu entfernen. Da kein weiterer Tester und/oder Kritiker im Restaurant saß, kein weiterer Gast (von insgesamt 22 an diesem Abend) nichts gesagt hat, können wir folgendes daraus schließen: Ersten: Viele Gäste haben salopp gesagt, keine Ahnung. Zweitens: Um sich solche Aussetzer, bzw. bewusste Handlungen erlauben zu können, muss man wissen, dass unter den Gästen kein Tester (ich war privat dort) sitzt. Was wieder die Frage der Fragen aufwirft: Wie seriös sind die Restaurantführer eigentlich? Im Nachgang habe ich erfahren, dass an diesem Abend die Manpower ebenfalls nicht im 100% Status war.

    Menü: Alle haben einen Mund und zwei Hände. Soll heißen: Ich kann anrufen und/oder eine Mail schreiben und mich erkundigen, wie/was/warum/weshalb angeboten wird. Genaus so mache ich das auch und fahre hervorragend damit. Ich beobachte allerdings, dass sich ein neuer Trend aufmachen könnte. Der Gast nimmt das, was auf den Tisch kommt und – da kommen wir auf die Arbeitszeiten zurück – die Menüs werden im Höchstfall fünf bis sechs Gänge haben. Hat viele Vorteile, ist aber ein anderes Thema.

    Preise: Das letzte 3*** Restaurants, welches ich besucht habe, war das Atelier in München. Das ganze Menü, mit Apero und Weinbegleitung: 450€. Das teuerste Menü (mal wieder) aktuell in Deutschland? Richtig, die Überfahrt. 309€ ohne Nebeneffekte. Dort auch 2019 das teuerste Gericht bekommen: unfassbare 259€ für einen Gang. Ist es nun alles zu günstig, oder welche Probleme liegen auf dem Tisch, dass man sich nicht traut, die Preise vielleicht doch nach oben zu setzen, um einfach handwerklich und qualitativ besser zu werden? Bitte hier im Hinterkopf haben: 2 Pax auf der Aida – 3 Tage, mit Flug und allem Kokolores drumherum: ca. 800€.

    Gästeart: In der Regel sitzen dort Menschen, für die 1000€ soviel wie für Otto Normalverbraucher 50€ sind. Vom Wissen her, wie oben erwähnt, eher hinterher sind – so wie die meisten Journalisten, Blogger usw., die sich in diesem Bereich bewegen, aufhalten und im schlimmsten Fall noch ihr Geld damit verdienen. Und ja, man kann und will auch nur von diesem Klientel leben. Ob es in Zukunft aber weiterhin so funktionieren wird, bleibt abzuwarten.

    Zukunft: Offen und spannend!

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  4. Dauert eh nicht mehr lange und die über demensionalen Preise sind geschichte oder eben die restaurants,,,, 600 euro für ein Essen ist schon ziemlich daneben,… Die pleite welle wird weiter gehen und das ist bei solch utopischen Preisen auch gut so.

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  5. Die aktuellen kräftigen Preiserhöhungen sind in der Tat problematisch, droht so doch der Besuch in einem Spitzenrestaurant endgültig zu einem Statussymbol zu werden inklusive einer entsprechenden Klientel. Allerdings wundert mich, dass dies gerade an den 3-Sterne-Restaurants festgemacht wird. Ein Blick auf aktuelle Menuepreise genügt, um zu sehen, dass die deutschen 3-Sterner eher noch moderat agieren. Renommierte und bekannte 1-Sterner wie Nobelhart, ernst oder Nagaya liegen bei 150-200€. 2-Sterner zwischen 170-230€. Demgegenüber nimmt sich die angebliche Nummer 1 Aqua unter den 3-Sternern mit 225€ nahezu günstig aus. Noch klarer wird das im internationalen Vergleich: Weltklasse-Restaurants wie Frantzen oder Noma schlagen mit 380€ zu Buche. Hier landet man auch ganz schnell bei 600€ – allerdings pro Person! Dumping Menues wie sie immer mal wieder in der Vendome und andernorts angeboten wurden sind sicherlich nicht die Norm.
    Wenn wir über deutsche 3-Sterne-Restaurants reden, sollten wir lieber darüber diskutieren, wie diese wieder den Anschluss an die Weltspitze schaffen können. Ein optimierter kleiner Mittagssnack wird hier sicherlich keine Rolle spielen (wird andernorts in Weltklasserestaurants so auch nicht angeboten). Dies wird nur über konkurrenzfähige Menues klappen – die dann trotz 20 und mehr Gängen auch für moderate Esser bekömmlich sein werden. Mit Gänseleber Baklava vorneweg wird das natürlich nix.

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  6. Madeleine = Sie haben Recht
    Alexander Eichener = Sie haben Recht
    Udo Lummer = Sie haben Recht
    Tim Raue = Er hatte Recht, als er erzählte, das er damals als Kochgeselle Wochen darauf gespart hat, dieses eine Restaurant zu besuchen und man ihn, weil preiswert gekleidet, an den Tisch zur Toilette platziert hatte. Und just, als er einen J.J. Prüm Wein orderte, ans Fenster gesetzt wurde…..

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    • Zum Tim Raue-Zitat: Bei mir war das ähnlich. Ich hatte zwar genug Geld, das ich mit der Musikverdient habe, aber für Essen in dieser Preisklasse wollten wir es einfach damals (in den 80er. Jahren) nicht ausgeben. Weil wir aber mit dem Rauchen aufgehört hatten, haben wir eine Spardose angelegt, in der alle Fünf-Mark-Stücke landeten. Das war der Etat für teure Restaurants – erweitert um Geld, das man geschenkt bekam o.ä. Mit diesem Geld sind wir dann recht „frei“ umgegangen und haben es in die besten Restaurants investiert, damit ich meine Kochkünste weiter entwickeln konnte. Als Kritiker bin ich übrigens später – vor allem in Paris – regelmäßig an Katzentischen aller Art gelandet…Gruß JD

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  7. Interessante Gedankengänge – eine Veränderung hinsichtlich der Servicezeiten muss jedoch nicht auch einen Wandel hinsichtlich des Angebots für den Gast ausschließen.
    Wir befinden uns seit Jahren in einem Wandel: die neue Generation „Gastronomie“ arbeitet selten noch in diversen „Stationen“ nur wegen Reputation und Ehre – es ist ihnen nicht mehr egal ob sie 9 Stunden super angenehm arbeiten oder 16 Stunden ohne richtige Pause durcharbeiten. Es ist kein Geheimnis, dass man als Mitarbeiter eines Gourmetrestaurants (mehr noch als andere) am „normalen Leben“ vorbei lebt. Es beginnt schon mit dem Jahresurlaub – dieser ist durch die Betriebsferien quasi schon „gesetzt“ – und viel individueller Spielraum bleibt da nicht mehr.
    Warum Betriebsferien? Nun, weil eben bei einer solchen Brigade nicht ständig jemand fehlen darf.
    Das wurde ja von Ihnen schon angemerkt – ein oder zwei ausfallende Mitarbeiter machen sich bei voll gebuchtem Restaurant bemerkbar. Ein voll gebuchtes Restaurant ist aber nicht nur logische Konsequenz aus reduzierten Servicezeiten. Es ist für die Brigade mit reduzierter Manneskraft noch anstrengender 2 Service pro Tag zu stemmen, als nur mit einem.
    Der Aspekt der Einhaltung der Arbeitszeit ist meines Erachtens nach sehr wertvoll. Was die Preise angeht : es verhält sich wie mit allem im Leben. Wer EXTRA will, darf nicht auf einen Rabatt hoffen. Egal ob Chefarztbehandlung, der Einkauf von Lebensmitteln, Friseur oder eine Designerhandtasche – wer das möchte bezahlt mehr; wem es das nicht wert ist, der lässt es sein – wer es nicht leisten kann, aber unbedingt will, der spart auch gerne etwas länger darauf hin.
    Man möchte im 3* Restaurant nur TOP Produkte, hat eine ganz bestimmte Vorstellung von dem Interieur, und der Service soll perfekt geschult sein und am besten noch für jeden Tisch individuell das ultimative Unterhaltungsprogramm auf Lager haben (der eine will maximal wissen was auf dem Teller liegt, der nächste möchte den ganzen Abend philosophieren mit Kellner X). Aber auch Fachkräfte sollten angemessen bezahlt werden. Was passiert wenn ich ein Luxusprodukt „verschleudere“? Die Leute nehmen es nicht mehr als hochwertig und besonders an. Rabatt finden wir auf der einen Seite großartig, anderseits weckt es immer eine Art Misstrauen. Eine Chanelhandtasche für die Hälfte des Preises würde wohl kaum jemand kaufen, ohne die Echtheit zu überprüfen, schließlich möchte man ja kein Plagiat. Mal abgesehen davon, dass man diesen Rabatt niemals bei Chanel selbst bekommen würde.

    Ohne zu wissen ob und wie künftig das Menü/ à la carte Angebot in den betreffenden Restaurants angepasst wird, halte ich persönlich es für gut und wichtig, die Ressourcen der Brigaden zu schützen und sie nicht weiter zu verschleudern – und vor allem diese wundervollen Berufe wieder für nachkommende Generationen attraktiver zu machen, bevor bald einige Institutionen ganz schließen müssen, weil eben kein geeigneter Nachwuchs zu finden ist.
    Und sicherlich würde dann auch wieder der Respekt und die Anerkennung seitens des Gastes zurück kommen, wenn es eben nicht mal eben “ins Restaurant XY”.
    Denn das ist auch etwas, was sich in den letzten Jahren etabliert hat (auch hier; nicht bei allen, aber bei vielen): im Gourmetrestaurant kommt manch einer ohne Anmeldung auf den letzten Drücker, äußert Sonderwünsche die teils gar nicht dem Küchenstil entsprechen (ich verlange doch auch nicht beim Griechen um die Ecke Sushi); alles soll einem schmecken, ist das nicht der Fall zerreißt man das Restaurant anonym im Netz. Die Anerkennung des Handwerks, der Philosophie eines Unternehmens, des Service und und und – all das bleibt auf der Strecke. Man möchte gerne Green und Vegan und alles aus eigenem Anbau und fragt dann nach Auster und Hummer …
    Vielleicht ist es trotz der aktuellen Sorge um eine sich bildende “Elite” – mit Verlaub, Sekte klingt sehr illegal und nach Gehirnwäsche- doch am Ende ein Gewinn für beide Seiten und der Gast nimmt sowohl Arbeit als auch Produkt der 3* wieder als das was es ist : etwas Besonderes

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  8. Zitat Dollase : „Es wird immer wieder vergessen, dass es viele Leute gibt, die einfach keine großen Menüs essen wollen“ Zitat Ende. Es gibt leider auch viele Leute, mich eingeschlossen, die einfach keine großen Menüs mehr essen können. Schade, Essen auf diesem Niveau bleibt diesem Kreis verwehrt.

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