So geht’s! Daniel und Herbert Hintner: Richtig Gut Vegetarisch.

Alpin-mediterrane Genüsse aus Wald, Feld und Garten. Frieder Blickle (Fotos), Folio Verlag Wien/Bozen 2021. 216 S., Hardcover, Ganzleinen, 30 Euro

Der Titel und die Aufmachung des Buches sollten nicht irritieren. Es sieht so aus und der Titel klingt so wie ein neues dieser unendlich vielen Kochbücher, die irgendwo „richtig gut“, „jetzt erst recht“, „super lecker“ oder sonstige Zusätze im Titel zu brauchen scheinen, um sich von der Konkurrenz abzusetzen. Wenn man allerdings die Namen der Autoren liest, wird man sofort hellhörig werden. Herbert Hintner (64) ist ein südtiroler Spitzenkoch mit einem Michelin-Stern, der in seinem Restaurant „Zur Rose“ in Eppan einen exzellenten Mix aus genau den Einflüssen kocht, die an diesem Standort eine Rolle spielen. Es geht um die Berge und um die italienische Küche – beide mit süffigen, beliebten Traditionen, die man nie außer Acht lassen sollte. Und so fasziniert Hintner und sein Sohn vor allem mit dem Geschmack ihrer oft gar nicht kompliziert aussehenden Gerichte. Hintner sen. ist ein Koch, der tatsächlich eine eigene Handschrift hat – nicht so sehr in den Bildern, aber ganz deutlich bei dem, was man schmeckt.

Und da kommt man auch gleich ganz automatisch zu einem Problem, das viele vegetarische/vegane Kochbücher haben – vor allem wenn sie aus der Hand von Laien stammen, die heute oft BloggerInnen heißen. Jeder kann irgendetwas zusammenmischen, sich bei Vorbildern „bedienen“, schöne bunte Bilder produzieren. Dafür braucht man weder eine Ausbildung noch Geschmack, weil die Lebensmittel sehr geduldig sind und immer irgendwo zusammen passen und selbst abenteuerlich schlechte Kochtechniken verzeihen. Vielen von diesen AutornInnen fehlt aber ganz einfach und erkennbar Ausbildung, Kenntnis und Erfahrung. Bei Hintner und seinem Sohn darf man darauf vertrauen, dass sie einen guten Geschmack produzieren können und werden. Und das macht – gerade in diesem speziellen Fall – neugierig auf das Buch.

Das Buch
Nach einigen kurzen Bemerkungen zu Beginn geht es gleich an die Rezepte. Personenkult oder Ähnliches wird man vergeblich suchen, von den Protagonisten gibt es nur ein paar karge Fotos, und es wird auch nicht versucht, die Region mit inhaltschweren Bildern unnötig zu überhöhen. Hier zählt also nur das Essen. Die Rezepte beginnen auf Seite 10 mit dem „Rucolino“, einem „Willkommenstrunk“ und gehen bis zur „Zwiebelsuppe mit Zitronen-Frischkäse-Fagottini“ auf Seite 165. Es folgen „Süße Früchte“, „Eingelegtes“ „Dips/Saucen“ und Grundrezepte.
Im Hauptteil gibt es zusätzlich Unterteilungen nach Produkten. Den Rezepten sieht man sofort an, dass sie aus einem Hause stammen, in dem schon lange richtig gut gekocht wird. Und trotzdem sind sie quasi nie kompliziert, sondern eher komprimiert, machbar und effektiv. Hier wird Wissen eines guten Kochs transportiert und nutzbar gemacht – auch für Leser, die nicht unbedingt über größere kochtechnische Fertigkeiten verfügen.

Hier ein kurzer Überblick. Es gibt „Mit Spinat gefüllte Artischockenherzen auf Käsefonduta“, „Mit geräucherter Ricotta gefüllte Puntarelle im Tempuramantel“ oder den „Gebackenen Spargel mit Bozner Sauce“ (übrigens – wie bei vielen Rezepten – mit Kommentaren, die – zum Beispiel beim Sellerie – eine subtile Produktkenntnis verraten und sehr nützlich sind). Es folgt ein „Zitronenrisotto mit Bergkäse und gebackenen Salbeiblättern“ (bei dem das Risotto nicht eingekocht, sondern mit einer anderen Zubereitung gebunden wird), „Dreierlei Rohnen mit Krenmousse und Kümmelvinaigrette“ (ein modern aussehendes und gedachtes Gericht), „Gebackene Bohnen mit Kartoffel-Pfifferling-Tatar“ (eine sensorisch wunderbare Idee) oder einen „Soufflierten Gemüseknödel mit Tomatensauce“ (wobei ich nicht der Meinung bin, dass man die Tomaten für die Sauce wirklich schälen und entkernen sollte… Der Sauce werden dann Zwiebeln zugesetzt, auf die man mit Kerngehäuse gut verzichten kann). Eine gute Idee ist auch die Anreicherung von Zubereitungen mit Nudeln wie bei dem „Herbstlichen Gemüseeintopf mit Nudelblättern“, wo es eben nicht Nudeln plus Gemüse, sondern Gemüse plus Nudeln gibt – was die ganze Sache weit weniger spröde macht, als das an anderer Stelle oft der Fall ist. Höhere Einsicht prägt auch ein Rezept wie den „Kastanientortellini mit Hallimasch“ oder die „Schupfnudeln mit Schüttelbrot“. Beim Lesen wird man immer wieder – eigentlich bei jedem Rezept – von Details überrascht, die sofort evident wirken: ja, das kann man sich vorstellen, ja, das macht Sinn.

Kochtechnisch finden sich – wie erwähnt – keine größeren Schwierigkeiten, dafür aber eben eine Menge von kochtechnischen Details, die auch dem professioneller kochenden Leser zeigen, wie man sich auf einer guten Linie zwischen Effektivität, Einfachheit und gutem Ergebnis bewegen kann.

Fazit
Das Buch ist wirklich nützlich, es ist in keiner Weise forciert, es will nicht zu vegetarischer Küche bekehren, sondern gut schmeckende Gerichte präsentieren, die nicht etwa nur Fleisch ersetzen können, sondern das Fleisch vergessen lassen. Es fällt auf, dass es kaum einen Hauch von Schein-Fleisch-Gerichten gibt (von einem Sellerie Cordon-Bleu einmal abgesehen), sondern eine oft geradezu eleganten Selbstverständlichkeit im Umgang mit Gemüse. Hier weiß man, was Gemüse und Co. leisten können, hier vertraut man in ihre Stärke, weil man weiß, wie man damit umgehen kann. Und das bedeutet auch größere Produktnähe und keineswegs ein Rückgriff auf das leider oft zu findende „Zukippen“ von Aromen mit Gewürzen und Texturen wie in vielen irgendwie vorderasiatisch-nordafrikanisch-mediterran beeinflussten Büchern.

Das Buch bekommt 2 grüne BB

Fotos © Frieder Blickle, Folio Verlag

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