Außer Konkurrenz. Die Bau-Box stellt alles in den Schatten und ist noch viel mehr, als sie verspricht

Christian Bau von „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ ist der einzige unserer Drei-Sterne-Köche, der sich konsequent auf die Entwicklung eines eigenen Konzeptes für die mobile Corona-Gastronomie eingelassen hat. So langsam hofft man, dass es wieder in Richtung Öffnungen geht. Ob es mit Abhol-, Liefer- und Versandservice weiter geht, ist in vielen Häusern aber noch unklar. Mittlerweile gehen viele davon aus, dass man die mobilen Aktivitäten in irgendeiner Form beibehält, sei es im Dauerbetrieb oder in Form von bestimmten Aktionen. Ich habe bei der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schon früh auf die Beobachtung dieser Aktivitäten gesetzt und die kritische Begleitung bisher auch noch nicht beendet. Warum ich das im Zusammenhang mit Christian Bau erwähne, hat damit zu tun, dass er etwas realisiert hat, was in irgendeiner Form bleiben sollte. Ich habe sehr gute und eher schlechte Boxen bekommen. Was Bau geliefert hat, sprengt alle Maßstäbe, und das gleich unter verschiedenen Aspekten – unter anderem auch unter einem sehr wichtigen, den er persönlich vielleicht gar nicht „auf dem Schirm hatte“. Bei einer limitierten Auflage von 125 Stück waren alle Ausgaben übrigens sofort ausverkauft.

Der Ansatz: Im Gegensatz zu fertigen Gerichten ermöglicht Eigentätigkeit bessere Qualitäten und mehr Varianz
Viele Köche versuchen, die technischen Anforderungen für die Regenerierung ihrer Gerichte so gering wie möglich zu halten. Dabei geraten sie mehr oder weniger in Sachzwänge. Wer seine Qualitäten 1:1 erlebbar machen will, muss dafür sorgen, dass keine Verluste auftreten können. Und da führt dann oft kein Weg am Verzicht auf tagesfrische Produkte, auf Garungen aller Art usw. usf. vorbei. Wenn der Laie Hand anlegt, droht ein Risiko. Das führt dazu, dass etwa bei den Hauptgerichten Schmorgerichte im Mittelpunkt stehen oder solche, die bei Erwärmung schon deshalb keine Verluste erzielen können, weil sie ohnehin durchgegart sind.

Christian Bau geht einen ganz anderen Weg. Das, was er verlustfrei schicken kann, kommt in vakuumierten Beuteln. Das, was frisch zubereitet werden muss, wird dann eben auch unzubereitet geliefert. Bau setzt also auf einen Typus von Kunden, der entweder aus dem professionellen Milieu im weiteren Sinne stammt oder als Privatkoch technisch in der Lage ist, die Garungen sachgemäß zu realisieren. Ein kaum kochtechnisch trainierter Kunde sollte vielleicht nicht unbedingt eine Bau-Box bestellen, weil er an den Aufgaben scheitern könnte und außerdem den ganzen Prozess der Zubereitung vielleicht als Stress erleben würde. Mit den nötigen, zuverlässig funktionierenden und routiniert beherrschten Utensilien in der Küche lässt sich das alles machen, Auf diese Weise schafft die Bau-Box schon durch die Grundaufstellung (den Versuchsaufbau…) eine ganz andere Qualität als die Konkurrenz. Außerdem erhöht sich die Zahl der Produkte und Gerichte, die man für den Versand nutzen kann, um ein Vielfaches. Im Prinzip ist sehr Vieles plötzlich in Reichweite.

Die Produkte
Christian Bau hat sich zu einem Produktfetischisten entwickelt, wie wir ihn bei uns bisher so gut wie nie hatten. Ihn interessiert nach eigenen Angaben auch nicht unbedingt der Preis eines Produktes, sondern vor allem die Qualität. Damit steht er in der Tradition und an der Seite der großen französischen Köche, die regelmäßig Produktqualitäten auf den Teller bringen, die bei uns kaum jemals zu finden sind. Ich war früher oft mit Baus Lehrer Harald Wohlfahrt in Diskussion wegen der Qualität der Fisch- und Meeresfrüchte, die selbstverständlich bei Wohlfahrt immer sehr gut waren. Aber – ich hatte eben hier und da auch noch Besseres angetroffen und fragte mich (und Wohlfahrt), warum das denn nicht auch bei uns möglich wäre. Bau betreibt die Suche konsequent. Die beste Küche soll die besten Produkte präsentieren und das erfährt der Kunde auch bei den Bau-Boxen.

In meiner Box (einer N25 Caviar Box) habe ich nicht nur den exzellenten Kaviar bekommen, sondern eine hervorragende Gelbflossenmakrele, ein hervorragendes japanisches Rindfleisch (darüber gleich mehr) und den sagenhaften Grünspargel von Robert Blanc. Unabhängig von den diversen Zubereitungen trifft der Kunde also auf Produkte, die er nur schwerlich irgendwo kaufen kann, von denen er vielleicht gehört hat, die er aber nie irgendwo im Handel gesehen hat. Und – sie liegen plötzlich da, roh, unbearbeitet und müssen von ihm – angeleitet von Bau – in den von Bau gewünschten Zustand gebracht werden. Während die Makrele nur noch eine Marinade bekommt, gibt es für das Fleisch einen Spitzenküchen-Prozess, der über Anbraten, Ofenzeiten bis zur Zwischen-Kerntemperatur, Ruhezeiten (ein wenig von Fredy Girardet beeinflusst – gerne in der offenen Ofentür) und schließlich „Warmbraten“ in aufschäumender Butter detailliert vorführt, wie man mit einem so kostbaren Material umgeht. Das Stück ist in der Fettmarmorierung sehr hoch einzuordnen, schafft aber im Ergebnis genau den Punkt, bei dem man prächtige Röstnoten plus den wunderbaren schmelzenden Geschmack des Wagyu-Fettes hat.

Ähnlich verblüffend dürfte sein, was Bau mit dem Spargel anstellt, der auf etwa 10 cm Länge gebracht wurde und ein kurzes, geschältes Ende hat. Für die Garung schreibt Bau Garung in neutralem Öl in einer Teflonpfanne vor, bei mittlerer Hitze etwa 6–8 Minuten, um gleichmäßige Röstaromen zu bekommen und gleichzeitig „knackig“ zu bleiben. Dieses verlustfreie Verfahren mit häufiger Bewegung in der Pfanne bringt ein hervorragendes Ergebnis, zumindest wenn man weiß, wie man den Gargrad feststellt (Bau sagt da nichts zu. Ich habe das einmal so beschrieben: die Spitze eines spitzen Messers muss problemlos in den Spargel eindringen, man muss den Spargel damit aber noch hochheben können. Geht die Spitze genau so leicht wieder heraus, ist der Spargel übergart).

Zwischendurch: die Bedeutung der Online-Bilder
Ich habe zur Illustrierung dieses Textes zweierlei Bilder genutzt. Einmal die „Anrichtevorschläge“ auf dem Instagram-Account von Christian Bau, zum anderen die Bilder von der Firma „N25 Caviar“. Es ist sicher wichtig, eine Vorstellung vom Anrichten zu haben und nicht nur verbale Beschreibungen. Es gibt aber eine zweite Bedeutung der Bilder, die vielleicht noch wichtiger ist, nämlich die Gargrade und die Proportionen. Üblicherweise befindet sich in den diversen Behältern und Beuteln oft mehr Material, als man eigentlich braucht. Wer zum Beispiel beim Beef die gesamte vorhandene Tapioka-Kojyuvinaigrette verwendet, benutzt zuviel davon und verändert die Proportionen. – Wichtig sind die Röstnoten beim Anbraten des Fleisches. Die Bezeichnung „in einer heißen Pfanne mit Öl ringsherum anbraten“ ist sehr offen und sagt nicht genau, was man erreichen sollte. Wenn man das Fleisch nicht oft genug bewegt, bekommt es schnell dunkle Stellen von zuviel Hitze, bewegt man es regelmäßig, kann man eine gleichmäßig mittelbraune Kruste erzeugen, die aromatisch ideal ist. Das Bild liefert da deutlich mehr Informationen als der Text. Insofern wäre es gut, wenn man nicht nur Bilder des angerichteten Tellers hätte, sondern diese auch in unterschiedlichen Winkeln oder Ausschnitten, um die Details zu bekommen.

Die beste Kochschule für Fortgeschrittene
Die Bau-Box hat den grandiosen Nebeneffekt, gerade mit ihrem vergleichsweise sehr viel höheren Anspruch an den Kunden so etwas wie die bestmögliche Kochschule für Fortgeschrittene zu sein. Bei der Zubereitung kommt er auf diesem Niveau und bei diesem Differenzierungsgrad ohne viel Worte ganz nahe an das Material, die Kochtechnik und die Struktur einer hervorragenden Küche, an die Arbeit eines Meisterkochs.

Hier die Details/die Zutaten der drei herzhaften Rezepte. Mit den Details kann man sich ein wesentlich umfangreicheres Bild von dem Rezept und dem Verfahren machen.

Die Gelbflossenmakrele mit Osietra-Caviar ist zu einer Rolle geformt, von der man eine einem Medaillon ähnliche, dicke Scheibe bekommt. Der Fisch wird für 10 Minuten mit einer Fischbeize mariniert. Auf dem Teller kommt Meersalz darauf, dann Gurkenkimchi an die Seite, Punkte von Austernmayonnaise und Avocadocrème dazu und ein vielfältiges Finish mit div. Kräutern, Blütenblättchen (in einem Behälter befinden sich mehrere Blüten für die Dekoration), und Stückchen von Algen- und Furikakechips. Zum Schluss wird rundum Buttermilchdashi angegossen. Der Geschmack ist klar auf den Fisch abgestimmt, der in quasi allen Akkorden dominiert und von einer Vielzahl von aromatischen und texturellen Aspekten umspielt wird. Es entsteht der Eindruck von enormer Qualität und Finesse und der des aktuellen Bau-Stils einer bestens durchdachten, nach Jahren der Erfahrung perfektionierten Integration asiatischer Aromen. Mittlerweile schmeckt es bei Bau weder wie eine europäisch-asiatische noch wie eine asiatisch-europäische Fusion (mit entsprechend verschobenen Schwerpunkten), sondern wie Bau.

Die Chitarra-Pasta mit Schrenkii-Caviar sind ein kompaktes Zwischengericht, das voll auf den Akkord Pasta – Ei – Cremigkeit und Kaviar abzielt. Das Eigelb wird in warmem Öl bei 60° im Ofen so erwärmt, dass man es in seiner Form auf die Nudeln geben kann. Die Nudeln sind frisch und werden knapp gegart, dann in einer Schnittlauchsauce in der Pfanne geschwenkt und mit Parmesan, der in einem Schälchen plus einem Stückchen Butter beiliegt nebst Schnittlauch angereichert. Auf dem Teller wird mit einem zweiten Teil der Sauce plus Schnittlauchöl abgerundet. – Hier dominieren durchaus die Pasta, die man tatsächlich geschmacklich klar wahrnehmen kann. Das Ei verläuft und es ergibt sich „Schlotzigkeit“ (wie Bau das nennt), also ein Mischakkord mit einem durchgehend ähnlichen Geschmack. Zum Kaviar siehe weiter unten.

Speziell beim Japanischen Rind mit Kaluga-Caviar ist dann der Kunde stärker gefordert, weil es nicht nur um Einzelgarungen, sondern auch um etwas Koordination der Aktivitäten geht. Zuerst kommt das Kartoffelpüree in ein Wasserbad. Dann werden die Tapioka-Perlen vorbereitet, was ca. 15 Minuten Dauerköcheln und ein anschließendes Abspülen der gegarten Kügelchen bedeutet. Sie dienen schließlich „nur“ als feine texturelle Einlage in der Kojyuvinaigrette. Dann beginnt man den vierteiligen Garvorgang für das eher flache Stück Beef, dass wegen der Höhe beim Anbraten in neutralem Öl einer besonderen Sorgfalt bedarf. Man braucht eine gute gleichmäßige Kruste ohne Übergarung des Kerns. Es folgt Ofenzeit (4–5 Minuten bei 200° C, die je nach Anbraten schon zu lang sein können) bis zu einer Kerntemperatur von 53–54° C und eine Ruhezeit „an einem warmen Platz“ von 5–7 Minuten. Das Finish kommt von kurzem „Warmbraten“ (siehe die Erläuterungen weiter oben). Weitere Elemente sind eine Black Bean-Sauce, die mit etwas Butter erwärmt wird, der Spargel (siehe oben), dass nochmals mit Bordier-Butter aufgerührte Kartoffelpüree, Kartoffelkonfetti, einige grüne Blättchen und natürlich wieder der Kaviar. – Der Geschmack ist hervorragend und wird sowohl von der überragenden Produktqualität wie von den aromatischen Umspielungen bestimmt. Weil hier Fleisch und Spargel gleichermaßen freigestellt werden müssen um die aromatischen und texturellen Qualitäten optimal wahrzunehmen, ist die Begleitung nicht texturell kontrastreich, sondern eher aromatisch umspielend. (Zum Kaviar: siehe unten)

Die Funktion des Kaviars muss man immer anhand der Produktqualität bestimmen, um ein Maximum an Effekt zu erzielen. In diesem Falle muss die Grunderkenntnis sein, dass dieser sehr gute Kaviar keine Begleitung sondern ein Mitspieler ist. Es gibt viele Kaviar-Produkte, die zwar als „Malossol“, also wenig gesalzen verkauft werden, tatsächlich aber mehr oder weniger von Salz dominiert sind. Solche Sorten kann man ohne weiteres wie ein Würzelement essen. Hier bei den N25-Produkten würde man Qualität verschenken, wenn man den Kaviar nur als weiteres Element begreift. Man sollte ihn kurz degustieren und dann entscheiden, in welchen Proportionen man ihn mit welchen anderen Elementen nimmt. Der Akkord muss insofern vom Kaviar ausgehen, er sollte die Proportionen bestimmen. Dann gelingt es auch, die unterschiedlichen Sorten voll zur Wirkung zu bringen. Außerdem muss man bedenken, dass Kaviar temperaturempfindlich ist und allzu große Erwärmung nicht gut verträgt. Er verliert dann deutlich an Aroma, besser gesagt: wir nehmen sein Aroma nicht mehr so gut wahr.

Fazit
Christian Bau bereitet sich auf die Wiedereröffnung seines Restaurants vor. Er hat sich gestern bei seinen vielen Kunden online für das entgegengebrachte Vertrauen und die überragende Nachfrage nach seinen Bau-Boxen bedankt. Es ist klar, dass man während des laufenden Restaurantbetriebes nicht an 125 Boxen pro Woche arbeiten kann. Dennoch möchte ich anregen, das Thema nicht zu vergessen und bei Gelegenheit zumindest punktuell wieder aufzunehmen. Es geht mir dabei nicht in erster Linie um die müßige Frage, ob man sich eine Drei-Sterne-Küche nach Hause holen kann, sondern um den genannten „Meisterkurs-Effekt“. Man mag bei Bau nicht von „Outsourcing“ reden, weil es klar ist, dass er nur das machen wird, was er unter seiner ständigen, maximalen Kontrolle hat. Aber vielleicht finden sich Gelegenheiten und Zeiten und vielleicht wieder die Begegnung mit seinen Spezialprodukten in Spezialbehandlung. Ich persönlich kann keine Kochsendung mehr sehen, weil ich schon nach Sekunden über die ersten kochtechnischen Ungenauigkeiten stolpere. Das gleiche gilt natürlich auch für Vieles, was per Abhol- oder Versandservice ins Haus kommt. Die Bau-Box dagegen war auch für mich ein großes Vergnügen. Sie ist ein Markstein der deutschen Gourmandise, den man noch jahrelang in Erinnerung haben wird: aus der Krise geboren und zu einer überragenden Exzellenz gebracht.

Fotos © Christian Bau / N25 Caviar

6 Gedanken zu „Außer Konkurrenz. Die Bau-Box stellt alles in den Schatten und ist noch viel mehr, als sie verspricht“

  1. Hallo Herr Dollase,

    Ihre Beschreibung der Box macht neugierig und traurig zugleich, denn an dieser Stelle wünsche ich mir genau dieses , auch auf diesem Niveau, als vegetarische Box. Dies habe ich bisher so nicht gefunden und würde es mir sehr wünschen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Markus Küffner

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    • so interessant ist das mit dem preis nicht, bis auf die kaviarbox bewegte sich der für 2 personen knapp unter 200€, dazu kam noch versand und möglicherweise die ein oder andere dazubuchbare leckerei wie diverse marinaden, wein etc. herr dollase hat schon recht- die baubox war ein knaller! die häusliche fertigstellung musste exakt und sorgfältig erfolgen, das resultat war aber wirklich überwältigend. was mir noch gut gefallen hat- jedes gericht bestand aus einer vielzahl von einzelkomponenten, für die es aber eine klare und nachvollziehbare rollenverteilung für ihren einsatz auf dem teller gab. nichts war überflüssiges zierwerk oder ersatz für etwas andres. proben der einzelkomponenten zeigten deren durchgängig hohe qualität und deren überlegte einsatzmöglichkeit.

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    • Bereits die Bau-Box No. 6 vom März hat für 2 Personen bei 230€ in der einfachen Version für 2 Personen (4 Gänge) gelegen. Zzgl. Versand. Befremdlich ist, dass eine Menueserie, welche immerhin schon seit Februar angeboten wird, erst besprochen wird, wenn sie eingestellt ist. Und das ganze vermutlich noch in doppelter Ausführung – siehe FAS nächsten Sonntag..

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      • Nein, nicht FAS, nur EDT. Die Besprechung zum jetzigen Zeitpunkt hat etwas damit zu tun, was ich über die Perspektiven als Meisterkurs etc. geschrieben habe.

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  2. Lieber Herr Dollase,
    vielen Dank für den tollen Text, der es einfach auf den Punkt bringt. Ich durfte selbst auch zwei Bau Boxen zubereiten und genießen – es war ein großes Vergnügen und ein außergewöhnliches Koch Erlebnis von dem man als ambitionierter Hobbykoch und leidenschaftlicher Essengeher bisher nur träumen konnte.
    Vielen Dank, Christian Bau für den Mut und die absolute Perfektion!

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