Blick in einen französischen Bio-Markt

Wenn ich unterwegs bin, gehört der Besuch von Bio-Läden aller Art seit vielen Jahren zu meinen Standard-Betätigungen. Um einmal die Zeitspanne anzudeuten: meine ersten beeindruckenden Besuche in Bio-Läden habe ich in London und England gemacht, wo es schon in den ganz frühen 80er Jahren eine ganze Reihe von Bio-Läden gab, die damals meist noch nicht so hießen, sondern sich irgendwo zwischen Reformhaus deutscher Art („Wholefood“) und vegetarischen Schwerpunkten bewegten. In Frankreich ist die Spannweite heute ebenfalls groß. Ein Teil der Bio-Märkte ist eher wie bei uns, also insgesamt irgendwie sehr alternativ bis weltanschaulich geprägt, ein anderer Teil ganz offensichtlich an Genuss und kulinarischer Qualität interessiert. Warum ich diesen kleinen Bilderbogen hier präsentieren möchte, hat eher etwas mit einem Verständnis zu tun, das es bei guten Köchen schon immer gegeben hat: gute Köche vor allem im Gourmetbereich konnten schon immer darauf verweisen, dass bei ihnen nur die besten und natürlichsten Produkte Verwendung finden und dass man bei der Fleischerzeugung ganz klar jene Vorteile sucht, die auch heute noch lange nicht per Gesetz vorgeschrieben sind. Gutes Fleisch etwa bekommt man weitestgehend von Erzeugern, die minutiös darauf achten, dass die Tiere bestens aufwachsen, ernährt werden und auch entsprechend geschlachtet werden. Man wusste einfach schon lange, dass guter Geschmack nur da entsteht, wo die guten Dinge zusammenpassen.

In der Folge solcher Gedanken hat sich in Frankreich eine Form von Bio-Märkten entwickelt, die eindeutig Genuss und Bio-etc.-Gedanken unter ein Dach bringen wollen. Dieser Ansatz wird in den Bildern, die ich heute aus einem Bio-Markt in einem Gewerbegebiet von Saint-Rémy-de-Provence präsentieren möchte, ohne viel Kommentar ersichtlich. Man steht und staunt und freut sich über wenig Dogmatismus und viel Lust an guten Produkten.

 

 

Beim Gemüse habe ich – abgesehen von klaren regionalen Vorteilen – noch am wenigsten einen anderen Eindruck als bei manchen guten Bio-Läden bei uns. Hier in Saint-Remy ist die Frische auffallend, bei uns kenne ich Läden, die mit einer ganzen Reihe von ungewöhnlichen/seltenen Sorten glänzen – was hier nicht so ausgeprägt ist.

Natürlich ist Olivenöl hier ein lokales Produkt und entsprechend umfangreich im Sortiment. Es fällt aber ohnehin auf, dass viele der Produzenten in den Alpilles etc. Bio- oder gar Demeter-zertifiziert sind. Auffällig ist aber auch ein anderer Aspekt: in vielen Bio-Läden bei uns scheint es eine Art Slow Food-Preisbremse zu geben, eine unausgesprochene Zensur gegenüber Produkten, die etwas teurer sind (was wiederum an eine der Prämissen im Slow Food-Restaurantführer erinnert). Die Olivenöle hier sind nicht billig und liegen weit oberhalb dessen, was man bei uns anbietet – aber eben auch qualitativ.

 

Das eben über das Öl gesagt gilt auch beim Wein: irgendwie scheint man teure Weine bei uns für pervers zu halten und findet sie in Bio-Läden quasi nie. Dieses ungeklärte Verhältnis zwischen Genuss und Moral (um es einmal etwas höher zu hängen) wirkt sich natürlich auch auf das Angebot aus. Hier in Saint-Remy ist es aber nicht schlecht. Die Orientierung ist regional, aber es gibt eben auch Qualitäten, die recht ansehnlich sind – zum Beispiel die Cuvée „Lea“ von der Domaine d’Eole, etwa den Jahrgang 2017. Der Geschmack einer Region sollte immer und überall ein wirklich konsequent entwickeltes Thema in Bio-Läden sein.

 

 

Die Käseabteilung ist mittlerweile in vielen Bio-Läden ein Highlight, wobei für Deutschland aber immer noch gilt, dass hier zwar sehr viele Leute guten Käse machen können, aber kaum jemand sehr guten. Jahrhundertealte Traditionen wie in Frankreich sind natürlich nicht so schnell aufzuholen. Dazu kommt auch noch, dass bei uns der in Frankreich sehr wichtige Ziegenkäse noch immer unter einer Art Generalverdacht steht: „Ich mag keinen Ziegenkäse“, ist eine Aussage, die man tatsächlich immer noch antrifft. Bitteschön: was soll denn so ein Satz angesichts der ganzen Bandbreite zwischen Frischkäse und adstringierend-reif schmeckendem Käse bedeuten? Dier Auswahl in Saint-Remy ist jedenfalls schwer beeindruckend und im übrigen sogar frischer als in einem durchaus guten, örtlichen Käsegeschäft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Und dann die Fleischabteilung. Bei uns ist natürlich einer der Gründe für ihr Fehlen in normalen Bioläden oder bei bäuerlichen Bioläden die komplizierte behördliche Genehmigung. So etwas möchte man sich nicht antun, zumal die Kundschaft – siehe oben – ohnehin zu einem beträchtlichen Teil vegetarisch denkt und isst. Hier also ist alles anders. Das Angebot ist groß und tief, die Foie gras ist nicht mehr auf dem Bilde, weil ich den Rest gerade gekauft hatte, es gibt viel Geflügel, Terrinen, altertümliche Zubereitungen, gereiftes Fleisch usw. usf. Der gestandene Metzger hinter der Theke versteht sein Handwerk komplett und kann auch mal eben die Stücke produzieren, die man haben möchte. Die Nachfrage ist groß und der überwiegende Teil der Kundschaft geht auch zur Metzgertheke.

 

Mit dem Angebot in diesem Bio-Markt in Saint-Remy-de-Provence könnte man ein Menü auf hohem Niveau kochen oder eben immer etwas finden, was man auch als Gourmet gerne mitnimmt.

 

 

10 Gedanken zu „Blick in einen französischen Bio-Markt“

  1. Das Brot bekommt dieser Bio-Laden von einer Bäckerei, die nur wenige Schritte entfernt liegt, „Terre et Blé“. Der Chef, M.Pazzi, ist ein Fanatiker, um nicht zu sagen ein Verrückter. Allein die Qualität der Mehlsorten ist umwerfend. Sollten Sie, verehrter Herr Dollase, ein Einkauf dort und – noch entscheidender – ein Gespräch mit M.Pazzi verpaßt haben, wäre dies allein Grund genug, nochmals nach St.Rémy zu fahren.

    Antworten
    • Lieber Herr Schulze, tatsächlich war die Sache so, dass ich „Terre et Blé“ gesucht hatte, weil ich die Information bekam, dass das Brot im „Oustau de Baumanière“ von Pazzi gebacken würde. Ich fuhr hin und fragte nach dem Brot, worauf man mir sagte, dass das Büro, das für das Restaurant gebacken wird, nicht frei verkäuflich ist…. Ich drehte mich um und dachte mir, da kannst du wenigstens routinemäßig den Bio-Markt besuchen…
      Gruß JD

      Antworten
      • Daß ein bestimmtes, in einem Lokal gereichtes, Brot in der herstellenden Bäckerei nicht erhältlich ist, hab ich schon mehrmals erlebt.
        Ich hab die Terre et Blé – Adresse übrigens in Port-de-Bouc erhalten, von Frédéric Paez, wiederum einem im besten Sinne „Verrückten“, der guten Seele des dortigen „Saveur Des Calanques“, wo ein Poutargue (Meeräsche) hergestellt wird, der sich vor dem Bottarga aus Cabras nicht zu verstecken braucht.
        Die Port-de-Bouc Adresse hatte ich in dem wunderbaren Provence-Buch – dem, mit dem Magnetverschluss – von Catherine Roig gefunden. Und, lieber Herr Dollase, raten Sie mal, von wem ich den Tipp zu dem Buch bekommen habe.

        Antworten
  2. In Deutschland heißt es: Was ich esse, sieht man ja nicht. Aber welches Auto ich fahre, das sieht man ja. Und kauft mit dem SUV im Discounter ein.
    In Frankreich kommt eben gutes Essen an erster Stelle, und eine Beule mehr im Auto oder weniger spielt keine Rolle.
    Das ist sehr klischeehaft, ich weiß. Und zum Glück ändern sich ja auch die Deutschen. Und leider kaufen auch immer mehr Franzosen bei Lidl und so. Aber tendenziell bleibe ich bei meiner Aussage.

    Antworten
  3. Ja, Carrefour und Konsorten sind riesig und die Convenience-Klamotten von denen haben in unserem Ferienhaus in Le Barroux nicht mal die Katzen angerührt, aber was ich da sympathisch fand: die Regale mit den Gerätschaften für´s Weinkeltern daheim, für´s Bierbrauen, Destillieren… hab ich hier noch nicht gesehen :)))). Ansonsten wollten wir viel, viel Essen gehen, hatten die Adressen schon rausgesucht und dann? Haben wir jeden Abend gekocht, mit Produkten vom Markt in Carpentras. Schönste Landschaft der Welt, diese verd… Provence.

    Antworten
  4. Großartig, wir müssen halt doch mal wieder hin. Hier überlebt man zwar auch ganz gut (ich lebe ganz in Ihrer Nähe, Herr Dollase), weil wir mit mehreren guten Handwerks-Bäckern und einem Spitzenmetzger gesegnet sind, aber die Käseauswahl hat man hier nicht, jedenfalls nicht an einem Ort. Wenn ich da die Pasteten in der Auslage sehe, ich liebe sie, aber hier kaum zu bekommen. Nur: bei uns sind die regionalen Schwankungen halt das größte Problem. Wie gesagt, hier im Rheinland lässt es sich leben, aber wenn wir nach MeckPom aufbrechen, müssen wir das Auto mit heimischen Produkten voll laden und auf dem Markt in Münster den Rest zukaufen, sonst überleben wir da nicht. Totale Diaspora. Nicht mal regionalen Fisch kriegt man. Deswegen mein Urteil, ja schön, was man in Frankreich bekommt, aber für uns ist das nur das Tüpfelchen auf der schon vorhandenen Torte. Ich schätze, Ähnliches gilt auch für große Gebiete in Süddeutschland. Allerdings fast nie alles an einem Ort.

    Antworten
  5. Mein Neid ist mit Ihnen, Herr Dollase, denn viel zu selten sind wir in den letzten Jahren nach Staint Rémys gekommen.
    Es ist immer ein großes Vergnügen, die mit reichlich lokalem Stolz und Hingabe produzierten Waren zu verarbeiten und verkosten.
    Und nicht nur die Produkte werden durch die Bio-Verfahren besser und gesünder, nein auch die Landschaften und Regionen in denen sie vorkommen, profitieren enorm. On protège ce quòn aime – Man schützt, was man liebt ist hier die Devise.
    Jedoch allzu verklärt sollte der Blick über die Grenze nicht sein, ist doch der Alltagseinkauf der meisten Franzosen geprägt von Auchan, Cora, Geant und Konsorten. Riesenhaften Ungetümen auf der grünen Wiese, neben denen sich unsere Supermärkte zumeist wie kleine Krämerläden ausmachen. Auch sind hier leider zu oft Massenware und uniformierte Produkte, die auf die jeweilige Kette gebrandet sind zu finden. Dennoch ist eine kleine Flucht in den Frankreichurlaub durch Ihren Beitrag gelungen und hat
    Appetit auf einen Pastis auf der Terasse gemacht, dem vielleicht ein Chateau Romanin aus den Alpillen folgt, natürlich ist er Biodynamisch angebaut und ein Besuch der in den Felsen gebauten Kellerei sei hier sehr empfohlen, da Sie ja ohnehin in der Gegend sind .
    Ich wünsche fürderhin einen „eindrucksvollen“ Aufenthalt und sage Merci beaucoup für Ihren Beitrag

    Antworten

Schreibe einen Kommentar