Corona, mittendrin. Werden jetzt Einzelgäste diskriminiert?

In den letzten Tagen haben mich eine Reihe von Meldungen erreicht, in denen Freunde der Spitzenküche darüber klagen, dass sie im Moment Schwierigkeiten haben, in prominenten Gourmetrestaurants als Einzelgast einen Tisch zu bekommen. Als Grund für die Verweigerung der Reservierung werden meist die Corona-Einschränkungen genannt: wegen der zwangsweise reduzierten Platzzahl könne man die Tische sozusagen nicht mit Einzelpersonen „blockieren“. Die Zurückweisungen kommen manchmal sofort, manchmal erst kurz vor dem Besuch – also möglicherweise dann, wenn man Reservierungen von mehreren Personen für einen Tisch hat und eine Einzelbuchung sozusagen nicht mehr benötigt. Die auffällige Häufung solcher Meldungen aus der Praxis spricht dafür, dass es sich hier tatsächlich um ein aktuelles Problem handelt, das man durchdenken sollte.

Ist ein solches Buchungsverhalten korrekt, verständlich oder notwendig? Gibt es Möglichkeiten, solche und ähnliche Probleme zu lösen?

Das Problem mit der Auslastung gab es auch schon vor Corona
Gäste denken meist nicht daran, wie sich die Auslastung eines Restaurants auswirken kann. Es können z.B. alle Tische besetzt sein, ohne dass ein Restaurant wirklich wirtschaftlich arbeiten kann. Zehn Tische mit 2 Personen sind 20 Gäste, mit 4 Personen (was eher selten ist) aber eben glatt das Doppelte und entsprechend mehr Umsatz. 50 % der Kapazität aber sind üblicherweise – wie man so unschön sagt – in vielen Restaurants zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben. Ganz schlecht ist es z.B., wenn das Restaurant ausgebucht ist – sagen wir: mit 8 Tischen mit 2 Personen, einem Tisch mit 4 Personen und einem mit 6 Personen – und kurz vor dem Service die Tische mit 6 Personen und 4 Personen absagen. Es bleiben 16 Gäste statt 26. In einem Gourmetrestaurant mit seinen hohen Fixkosten bedeutet das in der Regel kein kostendeckendes Arbeiten mehr. Da solche Dinge immer wieder passieren, sind bereits Restaurants dazu übergegangen, Garantiesummen zu verlangen, die bei „No-Shows“ dann eingezogen werden. In Städten wie Paris war es übrigens lange Zeit eine ausgesprochene Unsitte vorwiegend amerikanischer Touristen, gleich mehrere Restaurants zu buchen und sich erst – je nach Tagesform – im letzten Moment zu entscheiden, wozu man Lust hat.

Das Buchungs-/Reservierungsverhalten ist also ein Dauerthema, das immer wieder in den Restaurants zu Problemen führt. In der Regel sind die Restaurants gegen späte Absagen wehrlos und können die Lücken in vielen Fällen nicht füllen. Unter Corona-Aspekten haben sich – soweit ich das schon übersehen kann – die Dinge unterschiedlich entwickelt. Es gibt Restaurants, die die Abstandsregeln quasi ohne Abstriche einhalten können, weil die Tische immer „auf Abstand“ standen. Es gibt aber auch solche, für die wegen der Abstandsregeln ein normales Arbeiten nicht möglich ist, weil sie die Anzahl der Tische halbieren deutlich reduzieren müssten. Zu diesen Häusern zählen viele mit an klassischen Bistros erinnernder Einrichtung. In denjenigen Restaurants, in denen man einige Tische wegnehmen muss, spielt dann eine große Rolle, wie stark die Tische besetzt sind. Überwiegen 4er-Tische (oder größere), geht es gut, überwiegen 2er-Tische, geht es schlecht. Kommen zu einer vorwiegenden Zweier-Auslastung Einzelgäste hinzu, geht es nicht mehr. So entsteht das oben genannte Problem.

Bitte um kreative Lösungen – zum Wohle aller Beteiligten
Wie kommt man aus dieser Zwickmühle heraus, und – sollte man nicht unbedingt versuchen, irgendeine Lösung zu finden? Der Tenor der Meldungen, die mich erreichen, ist sehr durchwachsen. Es scheint Situationen zu geben, in denen sich die Gäste stark vor den Kopf gestoßen fühlen, weil die Absagen spät kommen oder die etwaigen Telefongespräche nicht besonders freundlich und zuvorkommend ablaufen. Im Interesse aller Beteiligten sollte man grundsätzlich und gerade jetzt alles vermeiden, was das Image der Restaurants schädigt und den Anschein erweckt, man sei dort geradezu hysterisch damit beschäftigt, genügend Leute ins Haus zu bekommen. Auch wenn das der Fall ist (was vorkommt), sollte man diesen Eindruck dringend vermeiden, weil er schnell alte Klischees von der Spitzenküche bestätigt.
Es gibt Gourmets, die alleine Essen wollen, und es sind nicht nimmer nur Tester oder Journalisten. Ich kenne eine ganze Reihe von Paaren, bei denen der eine Gourmet ist, der andere nicht, und der Gourmet nutzt dann Geschäftsreisen o.ä., um alleine Essen zu gehen. (Anm.: Ich selber bin übrigens in der Regel nicht von so etwas betroffen, weil ich selten allein unterwegs bin).

Schon anfang März hatte ich hier verschiedene Vorschläge gemacht, wie man Corona-tauglich organisieren könnte. Mittlerweile haben viel Restaurants ihre individuellen Lösungen gefunden und keine Probleme. Wenn nötig, geht man auch auf einen zweiten Service, was übrigens hier und da sogar zu höheren Besucherzahlen als vorher geführt hat.

Was die Einzelgäste angeht, bitte ich in diesen Zeiten um ein Maximum an Flexibilität. Das gilt einerseits für die Räumlichkeiten. Ich selber habe in verschiedenen (meist französischen) Restaurants schon an echten Einzeltischen gesessen, die ich nie als besonders luxuriös, aber auch nicht als wirklich störend klein empfunden habe. Es sollte Möglichkeiten geben, notfalls auch kleine Tisch irgendwo im Restaurant sinnvoll unterzubringen, um auch Einzelgäste zu bedienen. Man kann ja durchaus auf solche Einzeltische hinweisen, die man dann extra für den Gast bereitstelle, um ihm ein Essen zu ermöglichen. Die Sache mit dem zweiten Service, der – siehe oben – ev. sogar mehr Kapazitäten als vorher schaffen kann, sollte immer überlegt werden. Was die Arbeitszeitregelungen angeht, gibt es natürlich nur eine Lösung: die Zeit-Slots müssten gerafft werden. Es müsste also allgemein bekannt sein bzw. kommuniziert werden, dass ein Essen in dem jeweiligen Restaurant nur – sagen wir: 2 Stunden dauern kann. Oder: man macht einen ersten „kurzen“ Service und einen zweiten, der – wie üblich – länger dauern kann. Und – schütteln Sie jetzt nicht mit dem Kopf, sondern versuchen Sie, eine Lösung zu finden.

Aus Erfahrung kenne ich auch noch eine andere Lösung, nämlich die mit variablen Zeit-Slots, bei dem natürlich die Gäste auf einen bestimmten Termin für ihr Essen und die Notwendigkeit des Einhaltens solcher Termine hingewiesen werden müssen. Ich biete manchmal von mir aus an, besonders früh zu kommen und nur bis – sagen wir: 19.30 Uhr zu bleiben. Das hat schon oft geklappt, und ich landete auf einem Platz, den Leute erst für 20 Uhr gebucht hatten. Auch hier bitte ich darum, in diesen Zeiten nicht mit dem Kopf zu schütteln, sondern kreativ zu überlegen, ob so etwas nicht möglich ist. Ein flexibles Zeitmanagement ist ohnehin immer eine gute Idee – denken Sie an die diversen Kollegen in London oder New York usw.

3 Gedanken zu „Corona, mittendrin. Werden jetzt Einzelgäste diskriminiert?“

  1. Manche Restaurants bieten einen „Shared Table“ (meist 8 Personen) an, der so etwas leistet, und den ich auch dann gerne wähle, wenn es noch kleinere (Zweier-)Tische gibt: In der Regel ergeben sich anregende Gespräche und Erfahrungsaustausch. Ich denke, daß Gourmet-Restaurants auch darüber hinaus anbieten könnten, Gäste, die sich dazu bereiterklären, an einen Tisch zu setzen (z.B. zwei Paare), denn wenn man oft zu zweit (und wegen des Kochs) essen geht, ist das eine nette Abwechslung.

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  2. Das ist eine wirklich gute Idee, ich kenne das von früher aus englischen Hotels, wo es einen „Table d´hote“ gab, an dem sich einzelne Gäste zum Dinner versammelten. In Coronazeiten leider schwierig, aber in normalen Zeiten wunderbar, ich denke noch oft an die interessanten, kutlivierten Gespräche mit wildfremden anderen Gästen.

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  3. Spannendes Thema ! Hier wäre evt die Einführung eines Gourmet-Tables eine Lösung wenn man viele Einzelreservierungen hat…. das könnte man dem Gast sogar als Besonderheit verkaufen, mit andeten Gourmets zu speisen.

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