Laure Kié: Japon Gourmand. Voyage Culinaire au pays du soleil levant.

Mango Éditions, Paris 2019. 302 S., Großformat, geb., ca. 32 Euro (in französischer Sprache)

Zuerst ein Wort dazu, dass ich hier ein Buch in französischer Sprache empfehle. Dieser Band ist mit mehr als 450 Fotos und 600 Illustrationen ganz ausgezeichnet anschaulich bebildert. Man kann ihn auch ohne große Französischkenntnisse mit viel Gewinn lesen. Außerdem kann er offensichtlich über Amazon zum gleichen Preis wie in Frankreich und in kurzer Zeit beschafft werden.

Wir finden ja in Deutschland von den Drei-Sterne-Restaurants bis zu Bistros und ähnlichen Formaten mittlerweile eine Menge von Spuren der japanischen Küche. Viele Küchenchefs waren in Japan und haben zumindest in Tokio oder Kyoto den kulinarischen „Wahnsinn“ in diesem Land hautnah erlebt. Das hatte Folgen – wenn auch oft auf eine begrenzte Anzahl von Produkten, Aromen und Kochtechniken beschränkt. Wer z.B. regelmäßig die sehr empfehlenswerten ARTE-Filme über Japan ansieht, wird wissen, dass es in Japan kulinarisch nicht nur eine unglaubliche Vielfalt gibt. Diese Vielfalt findet sich auch bei großen Teilen der Bevölkerung und hat eben auch immer wieder die geradezu „berüchtigte“ Tiefe, also eine Genauigkeit und Detailversessenheit, die wir uns hier in Mitteleuropa kaum vorstellen können.

Dieses Buch illustriert die japanische Esskultur in einer sehr großen Breite. Es stammt von einer in Tokio geborenen Tochter einer japanischen Mutter und eines französischen Vaters, die in Frankreich lebt und mit der franko-japanischen Szene eng verbunden ist. Anders als bei vielen Autoren mit solchen gemischten Hintergründen hat man hier das Gefühl, dass das Verständnis der japanischen Kultur sehr umfassend ist und keine größeren Beschränkungen in kulinarischer wie regionaler Hinsicht vorhanden sind. Hier erfährt man wirklich viel, und wenn man meint, was denn jetzt eigentlich noch kommen könnte, kommt immer noch eine ganze Menge.

Das Buch
Dass in „Japon Gourmand“ die Alltagskultur im Mittelpunkt steht, sollte nicht zu dem Schluss führen, es handele sich um Banalitäten, wie man sie vielleicht in Deutschland einsammeln könnte. Es geht eben um Japan, und da gehen die kulinarischen Uhren grundsätzlich anders – auch wenn in den Metropolen internationale Einflüsse natürlich eine große Rolle spielen. In Japan ist eben auch der Alltag schon höchst differenziert und bietet dem Europäer eine faszinierende Vielfalt, die jederzeit eine Unmenge von Anregungen möglich macht.

Das Buch beginnt mit einigen Basis-Anmerkungen, zum Beispiel zur typisch japanischen Mahlzeit, zu Umami oder zur „Kunst des Dashi“. Kapitel zwei zeigt die japanischen Emblemprodukte vom Reis über die Algen zu Soja, Miso, Tofu, Umeboshi, Tsukemono oder Wasabi, aber auch zu seltenen Produkten wie dem Nameko-Pilz, Hanpen, Goya oder der Braunalge Mozuku. Es folgen die Getränke, dann die Geschäfte nebst dem Geschirr und den Küchenutensilien. Bei den Restaurants geht es erst einmal um eine „Gebrauchsanweisung“, dann um die unterschiedlichen Typen von den traditionellen Ryokans bis zur Kaiseki-Küche – nicht zu vergessen die anderen Orte von Mahlzeiten wie Street Food (Beispiel Osaka) oder „Das Essen meiner Mutter“.

Dann geht es weiter in die Tiefe und Breite mit dem Kapitel „Die großen Spezialitäten“, die auf rund 100 Seiten detailliert vorgestellt werden – von Takayaki bis Somen, von Domburi bis zu Bento, Fugu und überhaupt den Fischen. „Spezialitäten“ bezieht sich also auf Produkte wie Zubereitungen bis hin zu Schnitttechniken. Da kann man sich dann schon mal kräftig in Details vertiefen. Nach der Patisserie folgt ein Kalender der Saison und der kulinarischen Traditionen und zum Abschluss eine Art Rundreise zu unterschiedlichen, japanisch inspirierten/variierten Küchen in und außerhalb von Japan.

Ein ganz großes Plus in diesem Buch ist die schon erwähnte Bebilderung, die Unmengen von für uns ungewöhnlichen Dingen einfängt und sich eben von einem normalen Kochbuch gewaltig unterscheidet. Es wird durch Bilder erklärt, dann wieder durch Grafiken, dann wieder durch Rezepte oder Übersichten. Durchsetzt ist das Buch zudem durch eine große Anzahl von Rezepten, so dass alle Erläuterungen immer auch gleichzeitig eine kulinarische Bodenhaftung bekommen.

Fazit
„Japon Gourmand“ ist ein sehr unterhaltsames und sehr inspirierendes Buch von grosser Offenheit und Entspanntheit. Hier wird nichts inszeniert und pompös aufgeblasen (wie das manchmal in französischen Kochbüchern von in Frankreich tätigen japanischen Köchen der Fall ist), hier wird eine Faszination für die Vielfalt einer großen kulinarischen Kultur vermittelt. Das Buch erreicht im Detail natürlich nicht die Tiefe diverser Einzeldarstellungen (etwa zur Fischküche oder zu den Messern), die es in Frankreich ebenfalls gibt. Es ist ein bunter Bilderbogen mit viel Begeisterung für das japanische Gewusel wie für die ungeheuer detaillierten kulinarischen Handwerker und Traditionen des Landes geschrieben. Von der gleichen Autorin gibt es übrigens weitere Bücher zum Thema wie das – ausschließlich gezeichnete – „Grand livre de la cuisine Japonaise“.

Ich finde diese Art des unterhaltsamen, prall gefüllten Sachbuchs sehr erfreulich, sehr gut verständlich und unbedingt einen Ausweg aus der immer inhaltsleerer werdenden Sackgasse vieler für das breite Publikum gedachten Bücher bei uns. Für Leute, die sich intensiv mit der japanischen Küche beschäftigen wird es noch eine Menge von neuen Informationen und Inspirationen bringen können. Für Leute, die sich gerade erst in dieser Richtung orientieren, ist es eine reine Wundertüte.

Das Buch bekommt 2 grüne BB, aber auch noch eine besondere Empfehlung für populäres Kulitainment.

Fotos © Laure Kié

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