Das historische Dokument: Die „Sensationelle Hitliste der deutschen Restaurants“, erstellt von den Lesern des „Feinschmecker“, Heft 1, 23. März bis 31. Mai 1983

In diesem Heft aus dem Jahr 1983 stellt der „Feinschmecker“ unter der Überschrift „Dies sind unsere Favoriten“ „die 200 besten Restaurants in Deutschland“ vor. Abgestimmt haben die Leser, und die Redaktion schreibt dazu: „Es ist, finden wir, eine sensationelle Hitliste geworden; denn sie lässt professionellen Sachverstand erkennen, gerechtfertigte Eigenwilligkeiten, erstaunlichen Spürsinn.“ Gegenüber der Seite mit diesem Text findet sich übrigens eine Anzeige für Knoblauch-Quark von Milram. Wenig später gibt es aus der Abteilung „Einfache Rezepte aus der Meisterküche“ Rezepte von Gerhard Gartner (1939–2019), dem ehemaligen Chefkoch vom „Gala“ in Aachen (Nr. 8 auf der Liste, siehe unten). Es geht sozusagen um die Emanzipation des Schweinebratens. Gartner präsentiert: „Schweinerücken mit dreierlei Zwiebeln“, „Schweinefilet in Thunfischsauce mit Minzespaghetti“ und „Gepökelten Schweinskopf mit Trüffelvinaigrette“. Insgesamt war der „Feinschmecker“ damals noch wesentlich feuilletonistischer und enthielt in einem Heft Textmengen, mit denen man heute vermutlich ein ganzes Jahr auskäme.

Die Liste der 200 habe ich auf die Top 50 reduziert und hier und da bei den wichtigsten Restaurants ein paar kleine Anmerkungen gemacht. Es wird zum Beispiel klar, wer die Restaurants sind, die man heute, nach 37 Jahren zu den Institutionen zählen muss – auch wenn die Köche wechseln. Es wird klar, wie flüchtig kulinarischer Ruhm sein kann: eine ganze Reihe von Gastronomien existieren nicht mehr oder haben im Laufe der Jahre ihre Besitzer und Konzepte völlig verändert. Aber – lesen Sie selbst!

1. Aubergine, München. Eckart Witzigmann in Hochform liegt natürlich an der Spitze
2. Schweizer Stuben, Wertheim. Die Konkurrenz aus Wertheim, die es nie zu drei Sternen gebracht hat, stellte sich im Nachhinein aber als eine der Wiegen des neuen deutschen Küchenwunders der 80er Jahre dar. Die dominantesten Vertreter, Jörg und Dieter Müller sind heute noch unterwegs. Bei Jörg Müller bekommt man noch Gerichte, die den Geschmack dieser Zeit haben.
3. Tantris, München. Hans Haas geht zum Jahresende. Das als Gourmetrestaurant gegründete Haus wird weiter existieren. Es war 1983 in Händen des neuen Stars Heinz Winkler, der zwei Jahre zuvor hier seinen dritten Stern bekommen hatte
4. Waldhotel Friedrichsruhe, Öhringen. 1983 hatte Lothar Eiermann hier zwei Michelinsterne. Es wird manchmal vergessen, dass er einer der ganz großen Namen dieser Zeit war.
5. Die Ente vom Lehel, Wiesbaden. Zu diesem Zeitpunkt in Händen von Hans-Peter Wodarz und eine Art von Gourmetrestaurant, wie es heute kaum noch existiert: Medien, Prominente, massenhafte beste Weine, jeden Abend richtig „was los“
6. Schwarzer Adler, Vogtsburg. Nein, nicht mit Franz Keller, der war damals schon in Köln (siehe unten)
7. Kurhotel Traube-Tonbach, Baiersbronn. Schon mit Harald Wohlfahrt (seit 1980) als Küchenchef der Schwarzwaldstube
8. Gala im Casino, Aachen. Siehe oben in der Einleitung
9. Landhaus Scherrer, Hamburg. Schon mit Heinz Wehmann, der 1981 die Küche übernahm
10. Erbprinz, Ettlingen. Eine der ganz großen Adressen der deutschen Gourmetküche mit einer Reihe von wichtigen Köchen am Herd. 1983 noch unter der Führung des legendären Helmuth Gietz, dessen Name meist eher mit dem Restaurant verbunden wurde als die Namen seiner Köche
11. Zur Traube, Grevenbroich. Dieter L. Kaufmann hat 1983 seinen zweiten Michelinstern bekommen
12. Waldhorn, Tübingen. Albert Bouley war ein Pionier der Fusion-Küche mit sehr viel Einfluss – z.B. auf Juan Amador
13. Burg Windeck, Bühl
14. Le Canard, Hamburg. Josef Viehauser noch nicht im Neubau an der Elbchaussee
15. Goldener Pflug, Köln. Herbert Schönberner ist heute so etwas wie der große Unbekannte unter den Drei-Sterne-Köchen. Er war neben Witzigmann und Winkler der erste Deutsche, der drei Sterne bekam. Das war 1982
16. Franz Kellers Restaurant, Köln. 1979 hier eröffnet, Franz Keller war damals mindestens so bekannt wie heute als Küchenrebell, machte aber noch eine eher kreative Gourmetküche
17. Grand Cru, Lippstadt
18. Le Gourmet, München. Otto Koch noch in seinem berühmten ersten Restaurant
19. Katzenbergers Adler, Rastatt. Wie der „Erbprinz“ (siehe oben) einer der ganz großen Klassiker der deutschen Gourmetrestaurant-Geschichte. Rudolf Katzenberger prägte vor allem die 60er und 70er Jahre
20. Weinhaus St. Peter, Bad Neuenahr
21. Im Schiffchen, Düsseldorf. Schon mit Bourgueil
22. Vogelherd, Niederstotzingen
23. Andresens Gasthof, Bargum
24. Weinhaus Anker, Marktheidenfeld
25. Postillion, Schwäbisch-Gmünd
26. St. Stefanskeller, Konstanz
27. Landhaus Stricker, Sylt
28. Zinnkrug, Viersen. Dazu eine spezielle Geschichte: Köchin Christel Spies war die Partnerin eines ehemaligen Klassenkameraden namens Georg Faltin, der das Humanistische Gymnasium Viersen aber vor dem Abitur verließ. Ich habe zu frühen Zeiten viele Rezepte von Christel Spies nachgekocht. Sie war eine der ersten Köchinnen einem Stern. Der Gag: ihre Tochter ist Susanne Spies, Sommelière bei Rosin und früher bei Bühner
29. Fischereihafenrestaurant Natusch, Bremerhaven. Ist noch da und voll, aber nicht mehr wirklich bedeutend
30. Restaurant Schaller, Coburg
31. Parkhotel Wehrle, Triberg
32. Zum Ritter, Durbach
33. Chez Alex, Köln
34. Sonne-Post, Murrhardt
35. Restaurant Wagner, Mayen
36. Rebstock-Stuben, Denzlingen
37. Walliser Stube, Lindau
38. Schloß-Wirtschaft, Altenstadt-Illereichen
39. Haerlin, Hamburg
40. Kleines Restaurant im Oerschen Hof, Münster
41. Zum Hirschen, Sulzburg. Hans-Paul Steiner hatte das Haus 1980 eröffnet, war also gerade erst dabei. Bis heute unter Tochter Douce eine der wenigen Spitzenadressen, die immer noch existieren
42. Talmühle, Sasbachwalden. Gutbert Fallert war auch damals schon Sternekoch – bis 2019…
43. Hirsch, Schramberg
44. Die Mühle, Dornstetten-Hallwangen
45. Käfer-Schänke, München
46. Roberts Restaurant, Düsseldorf
47. Alte Post, Stuttgart
48. Mühlenbach, Düren-Kreizau
49. Fischereihafen-Restaurant, Hamburg. Rüdiger Kowalke hatte 1981 das Restaurant übernommen, heute noch im Familienbesitz
50. Ernos Bistro, Frankfurt. Das Bistro gibt es tatsächlich schon seit den 70er Jahren…

4 Gedanken zu „Das historische Dokument: Die „Sensationelle Hitliste der deutschen Restaurants“, erstellt von den Lesern des „Feinschmecker“, Heft 1, 23. März bis 31. Mai 1983“

  1. Lieber Hr. Dollase, wäre es Ihnen möglich die Liste einmal so zu fotografieren, dass alle Ränge sichtbar sind, v.a. 50-80? Es ist doch immer wieder spannend gerade welche (heute) regionalen Adressen damals überregional bekannt waren. Besten Dank!

    Antworten
  2. in jene zeit fällt mein erster kontakt mit der hochküche, leider nur übers hörensagen; in meinem umfeld interessierte das niemanden: aber im schulchor probten wir einen kanon, „heut ist ein fest bei den fröschen am see/ball und konzert und ein grosses dîner!“ dîner kannten wir natürlich nicht, die musiklehrerin berichtete davon von einem koch namens witzigmann in münchen, der so etwas servierte, mehrgängige feine mahlzeiten und als nachtisch gäbe es eigens gesponnene zuckerkörbchen mit walderdbeeren drin. das beeibdruckte mich nachhaltig, so dass ich 20 jahre später in witzigmanns ehemaliges restaurant tantris gehen musste, um das mit den zuckerkörbchen zu überprüfen.

    Antworten
  3. Ich habe meine Ausbildung 79-82 in einem der Top-Hotels in Stuttgart gemacht und in einem Jahr hat unser Küchenchef (einer der ganz Großen) beschlossen, mit der Brigade den Jahresausflug zu Vincent Klink nach Schwäbisch Gmünd zu machen, damit wir nicht nur die Küchenkasse versaufen, sondern noch was dazulernen. Das sagt doch alles.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar