Das Mini-Frankreich. Eine neue Sammlung von „Servus“ – Rezepten.

Die Erklärung für die vielleicht etwas kryptische Überschrift kommt gleich weiter unten. Es geht hier um die Buchbesprechung eines neuen Rezept-Sammelband aus dem Hause „Servus“. Gemeint ist hier die seit 2010 in Österreich und seit 2012 auch in Deutschland erscheinende Zeitschrift „Servus“, die sich viel mit traditioneller Kultur und eben vor allem auch mit dem Essen beschäftigt. Hier erst einmal die Daten:

Uschi Korda (Text)/ Alexander Rieger (Rezepte): Das große Servus-Kochbuch. Traditionelle Rezepte aus Österreich. Servus Verlag/Benvenuto-Publishing, Salzburg und München 2022. 400 S., geb., Halbleinen, 29,90 Euro (Fotos von Ingo Eisenhut und Stefan Mayer)

Es könnte sein, dass der ein oder andere Leser, der üblicherweise nicht zu den Lesern von für das breite Publikum gedachten Zeitschriften wie „Servus“ gehört, beim Betrachten dieses Buches ein klein wenig länger hängen bleibt und sich wundert. Was in Zeitschriften über die Jahre hinweg zusammenkommt, und im Heft selber nicht besonders spektakulär wirkt, kann als Buch eine ganz andere Ausstrahlung bekommen. So ist das auch hier. Da ist Einiges zusammengekommen.

 

Das Buch

Das Buch hat einen komplett klassischen Aufbau mit einer Seite Bild und dem Rezept gegenüber. Es gibt keine weiteren Ausführungen zur österreichischen Küche als solcher oder den diversen Regionen im besonderen. Man fasst zusammen und stellt das Land insgesamt in den Mittelpunkt. Die Gliederung geht nach Frühling, Sommer, Herbst und Winter, und innerhalb dieser Kapitel nach „Suppen & Kleinigkeiten“, „Hauptspeisen“ und „Süßes“. Die Seiten haben als einzige Besonderheit einen mehr oder weniger großen „Servus-Tipp“, meist zu kochtechnischen Details. Die Bebilderung ist durchgehend rustikal, es sieht also eher nach Wirtshaus und weniger nach familiärem Sonntagsbraten aus, eher nach Kochen im Freien als nach den Küchen aus dem Einrichtungshaus, die wohl die meisten Leser zu Hause haben werden. Insofern wird der Untertitel „Traditionelle Rezepte“ adäquat inszeniert.

Ein klein wenig stärker ins Auge fallen Rezepte wie zum Beispiel „Erdäpfelsalat mit Tafelspitz und Spargel“, die „Kohlrabisuppe mit Saiblingsröllchen“, das „Halbtuner Hochzeitshuhn“, der „Rosentaler Osterbraten“, die „Steinpilze mit Weingartenpfirsichen“, die „Räucheraal-Apfel-Sulz“, ein „Wiener Salonbeuscherl“ (Zitat: „Nur wenn ein Gasthaus ein gutes Beuscherl hat, wird man hier Stammgast“),  „Wachteln mit Morcheln“ oder ein „Herzhafter Fleischstrudel“. Die Rezepte sind zuverlässig und versprechen geschmacklich klar herausgearbeitete Spezialitäten (dazu weiter unten gleich mehr).

 

Das Mini-Frankreich

Insgesamt hat man aber den deutlichen Eindruck von einer Küche, die nicht nur viele Eigenarten hat, sondern auch erstaunlich „komplett“ ist. Natürlich fehlen hier die Unmengen von Fischen und Meeresgetier, die etwa Frankreich und Spanien zu bieten haben. Aber – es gibt ein breites Spektrum von Produkten und Zubereitungen, die im Prinzip den ganzen privaten und gastronomischen Bedarf abdecken können. Insofern entsteht das Bild von einer Art Mini-Frankreich, einer Küche, die über stramme Traditionen in einer eigenen Form verfügt und damit gegenüber dem aktuellen Stand in Deutschland deutlich im Vorteil ist. Mein Eindruck als Kritiker, dass man in Österreich in der Gastronomie im Schnitt sehr viel zuverlässiger gute Qualitäten bekommt als etwa in Deutschland, wird durch eine solche Rezeptsammlung bestärkt. Und dabei ist noch nicht einmal das klassische Wiener Schnitzel vertreten und leider auch nicht eines der besten Gerichte der Regionalküche das ich kenne, die Zillertaler Ofenleber von Hannes Ebster…

 

Muss es immer so „gutbürgerlich“ sein, oder könnte man mit wenigen Handgriffen deutlich besser werden?

Ein ganz anderer Aspekt ist eher auf der kritischen Seite. Ja, man befasst sich hier mit der traditionellen Seite der österreichischen Küche und tut dies in einer leicht zeitgenössisch beeinflussten Art. Nur – im Grunde geht das schon seit Jahrzehnten so, und es ist eigentlich kein Fortschritt zu erkennen. Muss das sein? Es ist ja nicht so – siehe oben – dass man hier einen Purismus pflegt, der auf den Kern der Gerichte zielt und diesen präzise freilegen will. Man will eher – sagen wir: die Tradition so verpacken, dass sie als zeitgemäß und wichtig und nach wie vor gültig erscheint.

Was mich stört, ist der Mangel an selbstverständlich mit der Zeit mitwachsender Finesse. Muss man bei den Zubereitungen wirklich so unoptimiert vorgehen, oder wäre es nicht wunderbar, wenn man ein paar kleine Anregung zu Optimierungen geben würde? Ein Beispiel: die Kohlrabisuppe wird nach banalstem Spitzenküchen-Mißverständnis der 80er Jahre vollendet, indem man einfach zum Schluss der Zubereitung Sahne in die Suppe gibt, nicht lange vermischt, sondern erhitzt, aufschlägt und serviert. Könnte man da nicht mit ein paar kleinen Aromen und einer besseren Technik ohne die Nutzer zu verschrecken, deutlich mehr erreichen? Was nützt eine Gemüsebrühe als Basis, wenn man sie am Ende mit Sahne übertüncht und keine Mijotage erzielt? – Oder: Der Akkord von Steinpilzen mit Weinbergpfirsichen ist gut und interessant. Nur – er muss auch entsprechend inszeniert werden und nicht mit dünnen, im Verlauf des Rezeptes klar übergarenden Scheiben und einem Pfirsich, dem die Frische rausgekocht wird. – Es ist hier bei vielen Rezepten so. Die Optik stimmt (zumindest auf den ersten Blick), die Details haben eine gute Richtung, aber der Ausführung mangelt es an jener Professionalität, die gleichzeitig optimiert und für den Nutzer des Buches nicht schwierig ist. Das „Pech“ solcher Art von Rezepten ist es, dass es in Österreich hervorragende Köche gibt, die sich ebenfalls mit der Traditionsküche befassen und das richtig gut können (anders als etwa in Deutschland) – zum Beispiel Andreas Döllerer.

 

Fazit

Das Buch ist also eher „im Prinzip“ gut, hält aber einer genaueren Betrachtung, die für diese Art von Küche längst überfällig wäre, nicht wirklich stand. Natürlich kann man die Rezepte gut nutzen, aber es müsste eigentlich an der Zeit sein, dass einmal wieder ein Ruck durch diese Dinge geht und nach Jahrzehnten einmal wieder Fortschritte erzielt werden.

 

Das Buch bekommt 1 grünes B

2 Gedanken zu „Das Mini-Frankreich. Eine neue Sammlung von „Servus“ – Rezepten.“

  1. Ein ganz tolles Buch!! Habe schon viele Rezepte daraus gekocht und kann nur sagen dass meine Gäste alle begeistert waren!! Auch das Rezept mit Steinpilzen und Weinbergpfirsich ist in keinster Weise übergart oder die Frische heraus gekocht!! Kann dieses schöne Buch uneingeschränkt weiterempfehlen!!

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