Das neue „Port Culinaire“ – Heft ist erschienen. Dazu ein paar Anmerkungen, auch wegen eines Jubiläums.

Vorbemerkung: Ich bin seit vielen Jahren Autor für „Port Culinaire“ und schreibe die „Avantgarde“ – Serie. Trotzdem möchte ich heute, nach mittlerweile schon zwei schwierigen Jahren für einen Journalismus, der viel mit Reisen zu tun hat, auch einmal etwas zu ein paar Dingen im gerade erschienenen Heft sagen. „Port Culinaire“ ist nach wie vor in der Landschaft kulinarischer Publikationen ebenso ungewöhnlich wie herausragend. Hier können Dinge stattfinden, die unbedingt stattfinden sollten, aber in fast allen Medien nicht mehr stattfinden oder noch nie stattgefunden haben. Dabei geht und ging es nie darum, sich eine Zielgruppe mit etwas Pöbelei hier und Großmäuligkeit da zu sichern, sondern immer um die Sache. Und die bekommt hier jenen Platz, den sie braucht. Genauigkeit und eine unverfärbte Offenheit sorgen auch dafür, dass in „Port Culinaire“ das Kulinarische wirklich den Stellenwert bekommt, den es hat, und das primär wegen seiner genuin kulinarischen Qualitäten und nicht wegen einer – wie auch immer gearteten – kulinarischen Politik.

Hier also einige Anmerkungen zu drei Texten/Blöcken im. Neuen PC-Heft.

 

Avantgarde: Thomas Imbusch und das „100/200“ in Hamburg

Diese Folge der „Avantgarde“ – Serie ist die Nummer 50, es gibt sie also seit über 12 Jahren und ich habe sie von Anfang an geschrieben. Sie ist eine echte, sehr coole Kooperation von Thomas Ruhl und mir, die Köche werden ohne Gremien-Sitzungen ausgewählt, mal fahren wir gemeinsam, mal getrennt, Thomas kümmert sich um die Fotos, ich mich um die Texte, die Diskussionen um die Qualitäten sind kurz und immer von großer Einigkeit bestimmt, man kann sich auf das Urteil des Anderen verlassen. Heraus kommt jeweils eines der – auch international gesehen – besten Features für einen Koch/ein Restaurant, das es unter kulinarischen Aspekten gibt, oft bis an die 20 Seiten lang, mit Detailanalysen und Rezepten und immer im Duktus dessen, was ich „analytische Restaurantkritik“ nenne. Es geht eben nicht darum, irgendwelche Fehler zu suchen und schon gar nicht darum, irgendwelche Punkte zu vergeben. Es geht primär um die Sache und nicht um die Meinung, die man von der Sache hat. Das Ergebnis soll allen Lesern dienen – egal, ob sie Profis oder Höchstinteressierte sind. Und – ich weiß aus Erfahrung, dass völlige Novizen, die normalerweise nichts mit der kreativen Spitzenküche zu tun haben, fasziniert lesen, was es alles gibt und wie differenziert man die Sache sehen kann.

Ich möchte ausnahmsweise einmal etwas zitieren, was mir einmal von einem prominenten deutschen Zwei Sterne-Koch erzählt wurde. Er fuhr einmal per Privatflugzeug mit einem Freund und mit entsprechenden Gästen und mehreren Köchen zum „Noma“ nach Kopenhagen. Es passierte das, was früher dort noch sehr häufig passierte: alle Gäste (inklusive der Köche) haben sich reichlich aufgeregt an der ganzen Sache kein gutes Haar gelassen, Sie werden das kennen. Wenige Tage später bekam er genau jenes „Port Culinaire“ – Heft in die Hand, in dem ich ein komplettes „Noma“-Menü (quasi das gleiche, das er gegessen hatte) in allen Details analysiert hatte. Ihm fiel es – wie er wörtlich sagte – wie Schuppen von den Augen. Erst mit diesem Text hatte er „alles verstanden. Bei unserem emotional aufgeladen Besuch im Restaurant haben wir überhaupt nichts verstanden“.

In der aktuellen Folge hat uns Thomas Imbusch vom „100/200“ aufs Positivste überrascht. Es war einer der Besuche unter den vielen, oft ja international höchstkarätigen Besuchen, der besonders viel Freude aufkommen ließ – vielleicht auch deshalb, weil es sich um einen deutschen Koch handelt, der viel Perspektiven hat. Und – wir haben in dieser Folge nicht „von oben weg“ eines der international angesagtesten Restaurants besucht, sondern eines, das wir für besonders interessant hielten. Auch das kommt eben immer wieder vor und hat fast immer gute Folgen. – Imbusch hat eine sehr schöne Stilistik und schafft vor allem ein sehr unterhaltsames und leichtes Menü. Er „kann“ diese Form, mit enormem Einfallsreichtum, einem süffigen Geschmack und insgesamt auch einer Atmosphäre, die sehr viel Zukunft hat. Lesen Sie die Details, das „100/200“ ist eine richtig gute Adresse.

 

Thomas Ruhl erinnert uns an Frankreich

Mit sicherem Gespür für die Lage hat Thomas Ruhl eine Reise Richtung Frankreich gemacht, die Rhone runter und wieder rauf – sozusagen. In diesem Heft gibt es eine Begegnung mit Patrick Henriroux, dem aktuellen Nachfolger des großen Fernand Point in „La Pyramide“ in Vienne und Michel Troisgros und seinem Sohn César, die nicht nur die Traditionen des Hauses auf recht erhalten, sondern zeigen, wie man sowohl mit Traditionen umgeht, als auch immer Augen für Neues behält.

Man sollte Frankreich nie aus dem Auge lassen, auch wenn die kulinarische Online-Welt so viel größer geworden ist. Das Land ist nach wie vor durchsetzt von einem enormen kulinarischen Verständnis. Für die Bevölkerung ist und bleibt Essen ein dominanter Bereich, den man mit viel Interesse und unter Einsatz größerer Mittel verfolgt. Die Köche befinden sich nach wie vor in einem System, das eine sehr intensive Kommunikationsstruktur hat. Man sieht einfach sich gegenseitig und der Welt immer sehr genau auf die Finger. Die Folge ist eine Szene, die im Moment glatt unterschätzt wird. Moderne Restaurants im engeren Sinne gibt es in großer Menge und eben dann oft auch in großer Qualität, weil das Feedback hier sehr schnell und intensiv ist. Auch die Rezepte von Henriroux und Troisgrois zeigen das sofort und in aller Klarheit. Hier müssen die kulinarischen Dinge Hand und Fuß haben. Wenn sie das haben, kann man machen, was man will.

 

Ralf Bos: Wenn Wissen und Erfahrung wirklich cool und entspannt sind

Ralf Bos ist bei „Port Culinaire“ von Anfang an dabei. Er schreibt mittlerweile in einem unnachahmlichen Stil, bei dem es gleichzeitig „down to earth“, im wahrsten Sinne des Wortes menschenfreundlich und sehr, sehr fachkundig zugeht. Im Laufe der Jahre, in denen er vom Lieferanten für eine Partie Reis zu einer kulinarischen Händler-Institution geworden ist, die unmittelbar etwas mit der Ausbreitung und Stabilisierung der deutsche Küche zu tun hat, hat er eine Position erreicht, die – wie Vieles im kulinarischen Bereich übrigens – davon geprägt ist, dass man ein unpompöses Lustprinzip verfolgt, dass man nie den großen Boss oder Superstar gibt und vorlebt, wie sich Genuß im weitesten Sinne und die intensive Beschäftigung mit den Dingen aufs beste verbinden lassen.

In dieser Folge von „Port Culinaire“ schreibt er über „Nach den Feiertagen ist vor den Feiertagen“, über das „Metaversum“, dann aber vor allem über „vier Sorten von Gastgebern zum Weihnachtsfest“. Natürlich ist das gleichzeitig heiter und informativ, mit viel Verständnis für Alles und Jedes, aber auch dem klaren Bekenntnis zu Qualität, weil man damit einfach am meisten Spaß hat. Und wenn man das noch nicht richtig verinnerlicht hat, dann eben nach dem Lesen dieses Textes.

In diesem Sinne also empfehle ich die Lektüre von „Port Culinaire“, jetzt, aber auch in Zukunft, die Bestell- und Einkaufsmöglichkeiten finden Sie sicher sofort, und wenn man das Heft morgen noch nicht in der hand hat, kann man ja auch einen Gutschein schreiben.

 

 

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