Der Koch und ich – Kapitel 6 Deutsch-Französische Genüsse oder: Geld macht doch ruhiger

Deutsch-Französische Genüsse oder: Geld macht doch ruhiger
Der Vollständigkeit halber erwähne ich noch, dass ich den hellgrünen Renault 12 für einen Halven Hahn und einen Kasten Mühlen-Kölsch an meine Schwester verhökert habe. Also ein Tausch ohne direkte Geldleistung. Sie gab ihm dann drei Wochen später die letzte Ölung. Und damit bin ich schon beim Randthema. Ein Problem auf all den Reisen war schon mal das Reisegeld. Nicht, dass wir keines gehabt hätten, aber niemand fühlte sich so recht für die französichen Franc verantwortlich. Wir vergaßen die Geldbörse in einer Telefonzelle und ein nach uns kommender Telefonierer winkte bereits damit, als wir, leicht panisch, zurückkehrten. Auf einer der Heimreisen hatte ich wohl die Geldtasche auf das Autodach gelegt und bin vom Parkplatz der Autobahnraststätte losgefahren, ohne an die Penunse zu denken. Heute passsiert so etwas meistens mit Handys in allen Erscheinungsformen. Daher auch die Bezeichnung: Mobiles. An der Péage-Schranke meinte ich: „Gib mir mal bitte das Portemonnaie.“ Sie hatte es nicht, ich hatte es nicht, wir hatten es nicht. Niemand hatte es. Ein paar Franc, ausreichend für Péage, kramte ich noch aus der Jackentasche, wir konnten also passieren. In der nächsten Polizeidienststelle in unmittelbarer Nähe, baten wir die Beamten um Hilfe. Wir äußerten, dass in der Börse, neben den Franc, lediglich ein Zettel einer chemischen Reinigung in Andernach zu finden sei. Sie telefonierten mit der Raststätte und rieten uns, zurück zu fahren, notierten aber unsere Adresse in Deutschland. Zurück fahren? Wie bitte ohne Schrankengeld? Tja, einfach an der Schranke vorbei. Die ausgelöste Sirene höre ich noch heute. Wir fanden die Geldbörse nicht wieder und an der Zahlstelle wurden wir schon grimmig erwartet. Damals gab es keine Kreditkarten, man ließ uns ziehen und wir erreichten Reims am frühen Abend. Schecks hatten wir noch, aber alle Banken waren bereits geschlossen, vielleicht war es auch Sonntag. Wir nahmen uns ein einfaches Zimmer, tout confort selbstredend, und versoffen unseren Kleingeldrest, den wir noch irgendwo in unserem Gepäck gefunden hatten in einer benachbarten Bar. Marc de Champagne war im Glas. Zu viel, wie ich später merkte, denn ohne feste Nahrung wirkte der noch schneller und ein paar anwesende Gäste spendierten auch noch ein paar Gläschen Roten, als sie von unserem Missgeschick erfuhren. Ich wartete im Hotelzimmer bis das Bett wieder vorbei kam, zielte und stürzte mich hinein, verfehlte es aber. Am nächsten Morgen ging ich mit verquollenen Augen zu einer Bank und löste routiniert einen Scheck ein. Ich bezahlte das Hotelzimmer und rief meinen Schwager Hans an, erzählte ihm was passiert war und schlug vor, dass wir auf einen Besuch vorbei kommen würden. Er und meine Schwester hatten nichts dagegen. Also auf zur Zwischenrast in Saarbrücken, wo leckerer Dippelappes auf uns wartete. Auf dem Heimweg nach Bonn über Trier machten wir tags darauf einen Umweg über das Tal der Sauer und erreichten den Ort Ferschweiler in der Eifel. Kurzerhand mieteten wir uns in einer Frühstückspension ein und lernten das landschaftlich sehr reizvolle Ferschweiler Plateau sowie das Südeifeler Frühstück kennen. Die freundliche Frau Wagner tischte uns Schinken, Eier, Käse, Wurstsorten, Tomaten, Brotberge, Kaffee und Tee auf. Ein Frühstück, das locker auch für sechs Personen gereicht hätte und bis zum Abend vorhielt. Ich glaube der Pensionspreis lag pro Tag bei 18 DM, nicht pro Person, sondern für uns beide zusammen.  Auch Ferschweiler haben wir noch einige Male besucht und über Jahre freundschaftlichen Kontakt gepflegt. Der Weiler liegt nur ca. 25 km von Trimport entfernt, von dem ich ja bereits berichtet habe.

Hier ein Landschaftslink: www.eifel.info/a-ferschweiler-plateau

Ein halbes Jahr nach dem Verlust unseres Reisegeldes erhielten wir einen Brief von der deutschen Botschaft in Paris. Er enthielt das leere Portemonnaie und einen Scheck der Bank Louis Dreyfus. Auf diesem Scheck war genau der umgerechnete Betrag unserer verlorenen Geldtasche verzeichnet, die ich an der Autobahn verbummelt hatte, sogar die Luxemburger Währung zusammen etwa zweihundertfünfzig DM. (Achja, der Zettel der Reinigung war auch noch mit in der Post.) Wir haben nie erfahren, wer die Börse gefunden hatte. Am Abend sind wir dann chic essen gegangen, was sonst? Wo? In Bonn? Chez Wolf! Bien-sûr! Da das Geld längst aus dem Haushalt verschwunden war, nahmen wir aus dem Restaurant nur noch das Taxigeld mit. Der Fahrer erhielt nur das Fahrgeld. Trinkgeld schien für Taxifahrer eh nicht angebracht. Hatten auch keins mehr gehabt.

Inzwischen eine kleine Familie geworden, reisten wir weiterhin in Richtung Westen und kannten inzwischen die Smaragd-Küste, die Côte d’Emeraude von Cancale bis zum Cap Fréhel. Gespeicherte Düfte, die im olfaktorischen Gedächtnis wallen. Chez elle y a des parfums qui rôdent, les silences ont des yeux d’émeraude sang P. Bachelet.

Aber auch die unendlichen Sandstrände der Halbinsel Crozon, die Felsküste am Cap de la Chèvre im Département Finistère waren faszinierend. Ein junges Mädchen fragte ob wir ein Zimmer suchen. Ja, warum nicht? Also mieteten wir uns bei ihren Eltern in Camaret-sur-Mer ein und schauten bei klarer Sicht von den bizarren Felsen der Pointe de Penhir bis Amerika. Bedauerlicherweise war die Sicht nie so klar, dass wir es auch hätten sehen können. Die Strände der Normandie waren das Kontrastprogramm. Jede Gegend für sich, einfach wunderbar. Je nach Ferienzeit, ich war inzwischen Studienrat, besuchten wir aber auch das Elsass und goutierten dort die deftige und feine Küche dieser Region. Wir nächtigten und speisten bei Monsieur Kempf im Restaurant du Pont in Metzeral und waren angetan von der Aussicht über das Munstertal vom Schnepfenried aus, den wir selbstverständlich per Pedes erreichten. Ein Lehre zogen wir aus diesen Besuchen: Keinen Munsterkäse im Sommer bei 30 Grad mit nach Hause nehmen. Auch die dichteste Käseglocke lässt sehr viel Duft passieren, und der Kofferraumdeckel hebt sich von selbst.
Besonders begeistert waren wir von kleinen Caveaus, wo manchmal Beckeoffa auf der Karte stand, den wir zunächst original zuhause nachkochten und dann variierten. Man sollte diesen Eintopf mit drei Sorten Fleisch zubereiten, er schmeckt aber auch, wenn man das Lamm weglässt, nur mit Rind- und Schweinefleisch, ist dann aber nicht mehr typisch. Allein der Duft der Marinade erzeugt Festtagsstimmung. Ausnahmsweise mal ein Rezept, wie ich es in Erinnerung habe. Die drei Sorten Fleisch je nach Personenzahl portionieren, in dicke Würfel schneiden (etwa 500 Gramm Schweinenacken. 500 Gramm Lamm- oder Hammelschulter, 500 Gramm Rind, dicke Wade, Brust. 2,5 kg große Kartoffeln in Scheiben schneiden. 4 dicke Zwiebeln oder 8–10 Schalotten ebenso. Auch zwei Stangen Lauch, möglichst nur das Weiße, es kann aber auch etwas vom Grünen dabei sein. Einige Möhrenscheiben (nicht zuviel, sonst wird alles zu süß) und ein Kräutersträußchen Thymian, Rosmarin, etwas Salbei, zerdrückte Wacholderbeeren und 2–3 Lorbeerblätter je nach Gusto. 3 Knoblauchzehen. Eine davon dient zum Ausreiben des gesamten Topfes vor der Befüllung, ähnlich wie bei Kartoffelgratin. Das Gemüse rücksichtsvoll salzen. Schichtweise einen großen Tontopf oder Bräter auslegen, also zuerst Kartoffeln, dann das leicht gesalzene Fleisch. Wenig pfeffern. Dann Zwiebeln, gehackte Knoblauchzehen, Lauch und Möhrenscheiben, dann wieder Fleich und darauf Kartoffelscheiben. Die obere Schicht sollten Kartoffelscheiben sein. Die gesamte Masse jetzt mit Wein aufgießen je nach Wunsch Riesling oder Pinot noir. Ich stelle den Topf zwei Tage in den Kühlschrank. Bevor dann das Gargefäß in den Backofen geschoben wird, sollte beim Tontopf der Rand, wo der Deckel aufliegt, mit einer einfachen Teigwurst (Mehl und Wasser) verschlossen werden, um zuviel Flüssigkeitsverlust zu vermeiden. Vorher das Kräuterbouquet entfernen. Bei den Riesentöpfen aus Soufflenheim (Bild links) befindet sich oft im Griff auf dem Deckel ein kleines Loch zum Druckausgleich. Je nach Menge und Personenzahl ist als Backofenzeit 3–4 Stunden bei 180–200 Grad zu empfehlen. Wird ein emaillierter Eisenbräter verwendet ist die Garzeit eher niedriger zu wählen, denn durch die höherer Leitfähigkeiten von Eisen besteht die Gefahr, dass an den Wänden zu viele Röstaromen entstehen (siehe Bild). Ein moderner Ausdruck für angebrannt. Frischen Pfeffer aus der Mühle, so rate ich, eher auf die fertigen Portionen zugeben, vorher nur wenig verwenden, damit das Gericht nicht zu pfeffrig wird. Und allgemein gilt, lieber mit Fleur de Sel oder portugiesischem Quellsalz nachsalzen, als versalzen. Für Praktiker reicht auch Natriumclorid, NaCl. Der Einfachheit halber mariniere ich diese Köstlichkeit nicht in einem Extratopf, sondern schichte alles gleich ofenfertig auf. Das spart Zeit bei der Vorbereitung. Als Beilage empfiehlt sich ein einfacher Salat und selbstverständlich Baguette. Und jetzt kommts. Eigentlich gehören noch geteilte, zerhackte Schweinsfüße oder ein Schweineschwanz in die Küchenkeramik. Die habe ich immer weggelassen. Die gabs ja auch 20 Jahre vorher manchmal in Omas Eintopf. Mit Schweinsohren! Knacks, Knurspel, Knirsch, eine rustikal sinnliche Schweinerei. Iiih, wie kann man sowas essen, da sieht man ja noch was vom Tier, Aber hallo? Wieso nicht? Damals war das völlig akzeptiert, heute zählen die zu Siebecks verpönter Küche. (die Himmelszeitung berichtete von Cloud nine, dass es nur noch einmal pro Woche Manna gibt)

Als Getränk zum Baeckeoffe passen gut Bier oder der gleiche Wein wie der in der Marinade. Wie das Wort Bäckerofen und seine verschiedenen Aussprachen entstanden sind, lässt sich in jedem Chefkochbuch nachlesen. Aber Baeckeroffe ist und bleibt ein Eintopf. Im wahrsten Sinne des Wortes.

An Hähnchen in Salzkruste haben wir uns nie heran gewagt, wir ließen es uns im Roten Ochsen, Au Boeuf Rouge, in Andlau servieren und schmecken. Ebenso Choucroute traditinelle. Na ja, Le Cheval blanc in Niedersteinbach und, die berühmte Herberge am Ufer der unschreibbaren Ill ließ uns behaeberlind genießen. Andere Küche, andere Preise. Gleichbleibende höchste Qualität. Auch die einfachen Gerichte in den Fermes-auberges mundeten köstlich. Wo bekam man schon Zickleinbraten in Allemagne? Auch wenn da schon mal etwas Fell am Fleisch zu sehen war, er war sehr sehr gut und meistens äußerst reichlich. Zwei Portionen für vier Personen hätten wirklich ausgereicht.

Wir ließen auch auf der gleichen Rheinseite so manchen Gulden im gleichnamigen Tal bei Johann.

Elsässer Riesling, Pinot gris oder -noir. Tokay und Traminer von den Vertrauenswinzern waren Jahre lang das Maß aller weinigen Genüsse. Der Riesling im Elsass schmeckte eben anders als in der Pfalz. Die Edelbrände nicht zu vergessen. Der Marc du Gewurz, wie die Einheimischen ihn nennen, ist ein liquides Andenken geworden. Wir wohnten in einer Weingut-Ferienwohnung in Katzenthal, nahe vom  Aux armes de france in Ammerschwir und Madam Stoecklé, die heute noch ihre Weine- und Zimmerpreislisten schickt, lies ihre Art der Zufriedenheit durchblicken indem sie sinngemäß Psalm 34 zitierte:

Ich habe zu esssen, zu trinken und ein Dach über dem Kopf, was brauche ich mehr?

Wie Recht sie hatte und hat.

Frank-Krajewsk
Foto © Claus Kuhlen

Freuen Sie sich nächsten Sonntag auf ein weiteres, neues Kapitel aus dem spannenden kulinarischem Leben von Frank Krajewski.

3 Gedanken zu „Der Koch und ich – Kapitel 6 Deutsch-Französische Genüsse oder: Geld macht doch ruhiger“

  1. Dank sagt Frank
    Eifel Tourismus
    Tourist Information Center
    schrieb mir über FB
    Vielen lieben Dank für die Erwähnung und den sehr unterhaltsamen Artikel.

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  2. An den Besuch in Saarbrücken mit dem verpackten Käse erinnern wir uns heute noch. Vor allen Dingen an den Duft aus dem Kühlschrank. Den Beckeoffa haben wir bei Frank schon vor Jahren genießen dürfen und hier im Saarland schon einige Male nach gekocht.
    Wir freuen uns jede Woche auf den nächsten Bericht von Frank.
    Brigitte und Hans

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