Endlich wieder ein Volltreffer. Das „Bistro St. Gallen“ im Hotel „Einstein“

Das hat Spaß gemacht. Ich bin ja schon lange immer wieder auf der Suche nach Restaurants in allen möglichen Formaten, in denen man die ebenso unschlagbare wie verführerische Kombination von Essen bekommt, das gleichzeitig handwerklich hervorragend gemacht ist, im allgemeinen Verständnis sehr gut schmeckt und in einem ganz normalen, entspannten Umfeld stattfindet. Man soll die Gerichte ohne Menüzwang bekommen, zu Preisen, die nicht grundsätzlich weit über normal liegen und eben so, dass die ganze Spannweite von Gästen von ganz normalen Essern bis zu Gourmets ihre Freude daran hat.

Jetzt bin ich wieder fündig geworden und habe in einem Restaurant gleich mehrere Gerichte bekommen, die man im Prinzip sehr hoch bewerten müsste, jedenfalls dann, wenn man nicht nach Moden, sondern nach eher objektivierten Kriterien neurteilt. Dazu muss man ein paar Dinge erläutern. Es handelt sich um das zweite Restaurant des Hotels „Einstein“ in St. Gallen in der Schweiz. Kenner werden sofort wissen, dass hier im „Einstein Gourmet“ Sebastian Zier arbeitet, der hochtalentierte deutsche Koch, der schon im „La Mer“ auf Sylt (damals u.a. mit dem genialen Christian Hümbs in der Patisserie) zwei Michelin-Sterne bekommen und das hier in der Schweiz wiederholt hat. Dazu an anderer Stelle mehr. – Wichtig ist, dass Zier eine Reihe von hochqualifizierten Mitarbeitern mitgenommen hat und sich auch darum kümmert, dass sie auf allen Posten in diesem Hotel mit seinem eigenen Kongresszentrum hochwertige Arbeit abliefern. Für die Küche im „Bistro St. Gallen“ steht Maximilian Marte,der wiederum auch für das Catering im Kongressbereich zuständig ist.

Das „Bistro St. Gallen“ ist geräumig und entspannt und entspricht eigentlich eher dem, was man üblicherweise „Brasserie“ nennt. Ich habe einige der Gerichte probiert und möchte gleich sagen, dass ich mich nicht mit bunten Salattellern befassen werde und auch nicht mit einer regionalen Bratwurstspezialität mit Rösti, die hier in St. Gallen anscheinend alle Restaurants auf der Karte haben müssen. Ich fand sie – nun sage ich es doch – weder von der Wurst noch von den Rösti her beeindruckend. Wenn schon, dann eher vom Preis. – Aber lassen wir das, die Preise in der Schweiz sind durch die Bank in diesem gastronomischen Sektor ähnlich hoch, im Gourmetsektor dann übrigens wieder eher wie bei uns. Hier also vier Gerichte aus dem Bistro.

 

Gebackenes Landei mit Kartoffelpüree, Spinat, Parmesanschaum und Trüffel (26 CHF)

Das Gericht ist ganz hervorragend und wirkt unbedingt wie Spitzenküche. Basis ist ein nicht sichtbares Kartoffelpüree und eine ebenfalls zunächst nicht sichtbare Spinatzubereitung – beide süffig und ohne Kompromisse auf Wohlgeschmack angelegt. Man sieht diese Elemente nicht, weil der tiefe Teller mit dem Parmesanschaum gefüllt ist, der ebenfalls auf guter Fondbasis extrem süffig schmeckt. Obenauf liegt ein perfekt gegartes und dünn paniertes Ei mit flüssigem Kern, eine gute handwerkliche Arbeit, die so stabil ist, dass man das Ei halbieren und sogar vierteln kann und trotzdem immer noch ein Stück mit flüssigem Kern hat. Das Ganze schmeckt vom ersten bis zum letzten Bissen bestechend gut – auch wegen der seriösen Trüffelqualität. Hier hat man ganz offensichtlich einen probaten Teller aus einer Spitzenküche, die man im Gourmetrestaurant mit seinen feinsinnigen Kompositionen heute nicht mehr in dieser Form anbieten kann oder will, in diesem gastronomischen Format verwendet. So kann es sein, so soll es eigentlich sein. Die richtig guten Sachen dürfen nicht verschwinden, sie müssen nur ihren optimalen gastronomischen Platz finden.

 

Saiblingscarpaccio mit grünem Apfel, Macadamia, Zitrone und Olivenöl (29 CHF)

Bei diesem Gericht handelt es sich um ein Beispiel für einige Gerichte, bei denen Maximilian Marte einen größeren interpretatorischen Spielraum nutzt. Das Carpaccio ist von einem variieren Apfel- und Zitronenaroma dominiert. Vom Apfel gibt es auch kleine, interessant wirkende geschmorte Würfel, von der Zitrone auch Gel und getrocknete/kandierte Scheiben. Das Saibling-Aroma steht nicht im Mittelpunkt, sondern wird eher Teil dieser frisch-zitronigen Komposition. Die Interpretation ist deutlich, der Geschmack insgesamt gut und individualisiert. – Gleiches galt übrigens auch für eine deutlich anders aufgefasste Variante eines fruchtig begleiteten Kalbstatars.

 

 

Pouletbrust „Mörschwil“, Ribelmaispoularde mit Morchel-Arancini, Spinat und Romanesco, dazu Rieslingschaum und Marsalajus (39CHF)

Dies ist eines von zwei Hauptgerichten, von denen man sich wünscht, dass sie immer in dieser Form angeboten werden. Basis ist ein strammes (also eher großes) Supreme mit einer sehr guten, zarten, aber nichts artistischen Garung. Auch diese Garung verrät bestes Handwerk und vor allem ein sehr gutes Verständnis von dem, was man mit einem Huhn erreichen kann. Eine klassisch denkbare Begleitung mit einer cremigen Morchelsauce wird hier mit den Arancini plus Morchelfüllung variiert, was den Vorteil von mehr Texturspiel und einem anderen zeitlichen Aufbau des Geschmacksbildes hat (von den Arancini-Kugeln ist vielleicht etwas zuviel auf dem Teller). Zweierlei Saucen sorgen für einen wieder sehr schön süffigen Zusammenhang, die weiteren Elemente funktionieren als kleine Auflockerung. Für das Huhn und das folgende Kalbsfilet gilt das Gleiche wie beim Landei. Es finden sich hier also drei Gerichte mit einer Qualität, die man sich auch in besten Pariser Brasserien vorstellen könnte – wenn sie denn nicht besser als fast Alles sind, was man dort bekommt. Mich erinnert eine solche Brasserie-Qualität an die ersten Zeiten von „Leon de Lyon“, also aus der Zeit, als Jean-Paul Lacombe sein Zwei Sterne-Restaurant geschlossen hatte und dort „nur noch“ Brasserie-Küche anbot.

Kalb – rosa gebratenes Filet (110 gr.) mit gefüllten Kalbfleisch-Cannelloni dazu Schmorgemüse, Balsamico und langer Pfeffer (52 CHF)

Auch hier fällt die Garung auf, die zart, aber nicht zu artistisch ist und deshalb einen klaren Biss und ein wunderbar typisches Geschmacksbild ermöglicht. Auch die Würze ist mit sehr viel Augenmaß gemacht, es schmeckt „lecker“ – würden wohl alle Gäste sagen. Aufgewertet wird hier durch die gefüllten Cannelloni, die dem pur gehaltenen Filet eine satte Würze hinzufügen. Sie laufen sozusagen als zweites Hauptprodukt. Auch alle weiteren Aromen mit der feinen Säure und speziellen Pfeffrigkeit und die kleinen Elemente sind präzise und dienlich eingesetzt, so dass sich insgesamt auch hier ein ausgesprochen gutes, überzeugendes Bild zeigt.

Die genannten Gerichte unterscheiden sich von vielen anderen in ähnlichen Restaurants vor allem dadurch, dass man hier in St. Gallen den Eindruck hat, sie seien nicht das Ergebnis von Kompromissen oder der Arbeit von Köchen, die ihre Grenzen haben. Es wirkt sehr professionell, souverän in der Zusammenführung aller Elemente und geschmacklich gereift und ausgereift: hier weiß man, was man tut und bekommt es hin. Wie gesagt: die richtig guten Sachen dürfen im Verlauf der sich immer wieder ändernden Entwicklungen nicht verschwinden. Sie brauchen ihren Platz, um das Angebot an Essen vielfältig zu machen oder zu halten, um mehr Leute für gute Küche zu erreichen (was hier, ich konnte das bei dem internationalen Publikum sehr gut verfolgen, blendend gelang) und nicht zuletzt um Vorbilder für die Ausbildung junger Köche zu sein.

1 Gedanke zu „Endlich wieder ein Volltreffer. Das „Bistro St. Gallen“ im Hotel „Einstein““

  1. die schweizer bratwurstvorliebe ist in kulinarischer hinsicht nicht ganz erklärbar- meist schmecken die würste recht neutral und die proportion hülle-fülle scheint mir auch nicht ganz das optimale zu sein, vorallem, weil meist die hälfte der pelle zu stark geröstet ist und die ränder gar nicht. daher braucht es immer viel zu viel auch wieder recht neutral schmeckenden senf oder eine zwiebelsauce.

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