Endlich wieder Kaviar

Kaviar. Ein spannendes Thema mit so rasanten Entwicklungen, dass es kaum möglich ist, am Puls der Zeit zu bleiben. Daher nutze ich diese Chance für ein kleines Update, das Sie an den heutigen Stand der Dinge heranführen soll. Natürlich kann ich das nicht tun, ohne Ihnen ein wenig Basiswissen vorweg zu liefern.

Die Bezeichnung „Kaviar“ galt über Jahrzehnte für den gesalzenen Rogen von nur drei verschiedenen Störarten aus dem Kaspischen Meer, alles andere trug die Bezeichnung „Kaviar“ zu Unrecht. Diese drei sind:
1. Hausen-Stör (Huso huso), der Belugakaviar produziert
2. Russischer Stör (Acipenser gueldenstaedtii), der Osietrakaviar produziert
3. Sternhausen-Stör (Acipenser stellatus), der Sevrugakaviar produziert

Lassen Sie mich zunächst auf die drei oben erwähnten Sorten eingehen. Der teuerste und seltenste Kaviar war und ist Belugakaviar. Sein Lieferant, der Hausen-Stör, ist ein Gigant. Er erreicht in freier Wildbahn ein Gewicht von über tausend Kilogramm, was allerdings aufgrund der Überfischung quasi nicht mehr passiert. Dennoch sind laichreife Weibchen oft über 200 Kilogramm schwer. Entsprechend großperlig ist auch der Kaviar. 3,5 Millimeter Durchmesser sind der Standard. Die Haut des Kaviarkorns ist hauchzart und zerplatzt beim leichtesten Druck. Dadurch hat der Beluga das beste Mundgefühl. Der Geschmack eines guten Belugakaviars ist sahnig und mild. Die Farbe ist in der Regel stahlgrau, kann aber auch etwas heller oder dunkler sein.
Die zweite Sorte und der meistverbreitetste Stör im Kaspischen Meer ist der Russische Stör. Er hat ein Laichgewicht von 40 bis 100 Kilogramm und die Größe der Kaviarperlen liegt zwischen 2 und 2,5 Millimeter im Durchmesser. Der Osietrakaviar gilt als der aromatischste aller Kaviarsorten und ist für die meisten Kaviarfreunde das Maß aller Dinge. Nussig und intensiv zeigt er geschmacklich den meisten Charakter. Die Farbskala des Osietra reicht von grüngelb über oliv bis hin zu braun, aber auch hellgrau, dunkelgrau und fast schwarz ist möglich.
Der dritte und leider kaum mehr anzutreffende Stör ist der Sternhausen. Sternhausen-Störe sind im laichfähigen Alter um die 20 Kilogramm schwer. Entsprechend klein sind auch die Perlen des Sevrugakaviars, nämlich nur 1,5 bis 2 Millimeter im Durchmesser. Und das machte ihn auch über Jahrzehnte zur günstigsten der drei Kaviarsorten. Die Farbe ist meist sehr dunkel bis schwarz, allerdings gibt es auch grauen und stahlfarbenen Sevruga. Diese Sorte ist äußerst schmackhaft und das Mundgefühl ist spannend. Die Farbe des Sevrugas hat auch dafür gesorgt, dass in den Köpfen der meisten Menschen Kaviar schwarz ist, obwohl in Wirklichkeit nur zehn Prozent aller Störkaviare schwarz sind. Viel häufiger ist echter Kaviar grau oder oliv.

Ab in die Gegenwart
Bis vor 17 Jahren war das, was Sie bisher gelesen haben, der Stand der Dinge. Dann jedoch passierten in der Kaviarwelt viele Sachen gleichzeitig, die das bis dahin gültige Bild auf den Kopf stellten. Grund dafür war die skrupellose Überfischung des Kaspischen Meeres. Um der totalen Ausrottung des Störs entgegenzuwirken, wurde der Stör Anfang dieses Jahrtausends unter Naturschutz gestellt. Damit aber die Kaviarfischer nicht von heute auf morgen in die Erwerbslosigkeit gezwungen waren, wurden gleichzeitig an strenge Bedingungen geknüpfte Fangquoten freigegeben. Die Bedingungen regelten den Nachbesatz und auch die Strafen bei Überfischung durch Schwarzfischerei. Da aber von keinem der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres die Bedingungen erfüllt wurden, sind in letzter Konsequenz die Fangquoten im Jahr 2009 und 2010 auf Null heruntergefahren worden. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass jeder echte Kaviar aus dem Kaspischen Meer entweder illegal gefangen und ins Land geschmuggelt wurde oder aus dem Fang von 2008 stammt. In beiden Fällen dürfte er jedoch ungenießbar sein, denn Schmuggler waren noch nie für das Einhalten der Kühlkette bekannt.
Parallel wurde zum Schutz und zum Auffüllen der Wildbestände eine Menge Energie auf die Zucht von Stören verwendet. Aus der Nachzucht in den Störfarmen wurden natürlich auch große Störe und diese wiederum produzierten Kaviar. Dieser sogenannte „Farmkaviar“ oder „Kaviar aus Aquakultur“ steckte vor 17 Jahren noch in den Kinderschuhen. Mit den jedoch immer kleiner werdenden Kontingenten für Wildkaviar und den damit einhergehenden Preissteigerungen wurde der Bedarf an Farmkaviar immer größer. Störfarmen in Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland arbeiteten fieberhaft an der Qualität des Kaviars aus Aquakultur. Zu Beginn konzentrierte man sich in allen Störfarmen auf einen Stör, der ursprünglich nicht zu den drei Kaviarstören des Kaspischen Meeres gehörte. Es handelte sich um den Sibirischen Stör (Acipenser baerii). Dieser Stör hatte den großen Vorteil, im laichreifen Alter nur 15 Kilogramm zu wiegen, jedoch Kaviarperlen in Osietragröße zu produzieren. Dieses erlaubte ein einfaches Handling bei zugleich reicher Ernte. Der Nachteil von Baerikaviar ist jedoch, dass er immer einen – freundlich ausgedrückt – Karpfengeschmack hat. In der Entwicklung von Farmkaviar hatte die deutsche Kaviarfarm DESIETRA in Fulda immer die Nase vorne. Sie war die einzige Farm, die über Jahre ihre Störe indoor gehalten hat und somit saisonunabhängig Kaviar produzieren konnte. Sie war auch die erste, die im größeren Umfang die wesentlich komplizierter zu haltenden russischen Störe züchtete und damit echten Osietrakaviar produzierte. Zu guter Letzt war sie es auch, die den fast ausgestorbenen Hausen-Stör züchtete und damit auch den feinsten Kaviar, Beluga Malossol, wieder verfügbar machte.

Apropos Malossol: Viele Feinschmecker glauben, „Malossol“ sei eine Sorte. Das ist falsch. „Malossol“ ist russisch und bedeutet „schwach gesalzen“. Früher war es aufgrund der fehlenden Kühlmöglichkeiten üblich, den Kaviar im Sommer stark zu salzen, um ihn haltbar zu machen, während im Winter auf starkes Salzen verzichtet werden konnte. Natürlich schmeckte der wenig gesalzene Kaviar besser und der Zusatz „Malossol“ wurde zu einem Qualitätskriterium. Heute spielt das keine Rolle mehr, da man aufgrund der ständig und überall verfügbaren Kühlung nur noch „Malossol“ produziert, unabhängig von der Sorte.

Zurück zum Zuchtkaviar.
Heute gibt es kaum ein Land, das keinen Zuchtkaviar produziert. Bei vielen Ländern gilt es jedoch, Vorsicht walten zu lassen. Dort wird meist noch ausschließlich Baerikaviar produziert und der hat immer noch den bereits erwähnten Karpfengeschmack. Diese Problematik haben einige Produzenten sehr gut in den Griff bekommen. Hierzu gehört auch die bereits erwähnte Firma DESIETRA aus Fulda, die heute einen sehr guten Baeri-, einen ausgezeichneten Beluga- und einen sensationellen Osietrakaviar zu einem hinreißend attraktiven Preis im Programm hat. In Spanien wurde ein Stör aus der Adria kultiviert, der zwar kein besonders schönes Korn hat, jedoch einen hinreißenden Geschmack. In China wird in der wohl modernsten Aquakulturanlage der Welt Kaviar von einem eigens dafür gezüchteten Störhybriden produziert und von einem Team persischer Kaviarspezialisten so verarbeitet, dass er kaum mehr vom Wildfang zu unterscheiden ist. Aufgrund der Menge von Anbietern wird nun natürlich auch der Preis immer interessanter. Allein in den Jahren 2014 -2017 ist der Durchschnittspreis um über 50 Prozent gefallen und die Entwicklung geht weiter in Richtung tolle Qualität und günstige Preise. Und das alles zum Wohl der Umwelt. Denn einen großen Teil ihres Umsatzes generieren die Störfarmen aus dem Verkauf von Jungfischen zum Nachbesatz der Flüsse und Seen, in denen der Stör ansonsten ausgestorben wäre.
Gastronomisch gesehen ist der Kaviar dadurch wieder äußerst attraktiv geworden. Hierzu muss man wissen, dass das günstigste Kaviarjahr der letzten 50 Jahre das Jahr 1990 war. In diesem Jahr bezahlte ein Gastronom 500–700 D-Mark für ein ganzes Kilogramm Kaviar der Sorte Sevruga oder Osietra. In einer Vorspeise werden normalerweise 10 Gramm Kaviar plus Beilagen (Blinis, Pellkartoffel, Reibekuchen etc. und etwas Creme Fraiche) benötigt. Der Wareneinstand lag also bei etwa sieben D-Mark. Die meisten Gastronomen haben in dieser Zeit eine Vorspeise mit Kaviar für unter 20 D-Mark verkauft und eine für zwei Personen üppige 125 Gramm Dose für unter 200 D-Mark, da der Einkaufspreis bei etwa 60 D-Mark lag. Zudem wurde in dieser Zeit der Kaviar relativ selbstverständlich in Menüs eingebaut und so ist es erstmal nicht verwunderlich, dass der Bedarf an Kaviar 1990 vier bis fünfmal so hoch war, wie 2017 und etwa 25-mal so hoch wie 2004.

Exorbitante Preise
In 2004 war es kaum möglich Kaviar unter 2500 Euro, also dem zehnfachen Preis von 1990, zu kaufen. Hier sollte vielleicht auch bemerkt werden, dass durch Überfischung in Verbindung mit Umweltverschmutzung der Kaviar von 2004 nicht nur sauteuer sondern obendrein noch grottenschlecht war. Der Zuchtkaviar steckte in dieser Zeit noch in den Kinderschuhen und war obendrein dreimal so teuer wie heute. Erst seit 2010 ist Zuchtkaviar in guter Qualität und seit 2014 in sehr guter Qualität vorhanden. Deshalb ist es eher logisch, dass fast eine ganze Generation von Köchen niemals Kontakt mit gutem und bezahlbarem Kaviar hatte.
Tatsache ist jedoch, nach wie vor, dass Gäste Kaviar lieben, aber dass sie idiotische Preise für Kaviar nicht akzeptieren, was auch den hohen Kaviarkonsum von 1990 erklärt.
Berechnet man jedoch heute den Preis von 1990 und setzt eine Inflationsrate von drei Prozent per Anno an, dann ist der Preis von wirklich gutem Kaviar heute günstiger als damals. Das wiederum eröffnet die Möglichkeit heute eine Vorspeise für unter 20 Euro und eine 125 Gramm Dose für unter 200 Euro anzubieten.
Gastronomen, die dieser einfachen Rechnung folgen, bemerken zunehmend, dass Gäste das Produkt nicht nur lieben, sondern dass der Einsatz von echtem Kaviar auch das Renommee ihres Restaurants steigert und dass andere Vorspeisen auf der Karte einen günstigeren Eindruck hinterlassen, da sie in der Regel etwas günstiger als die Kaviarvorspeise sind und man gerade als Gast die innere Scham verliert, eine Vorspeise zu bestellen, da man sich ja nicht für die teure Vorspeise entscheidet und dem Gastgeber gegenüber als bescheiden erscheint. Gleichzeitig haben Gastgeber die Möglichkeit, durch die angebotene Kaviarspeise ihrem Gast eine besondere Wertschätzung zu signalisieren. Besondere Momente, wie Verlobungen oder Heiratsanträge können durch die Dose Kaviar, die zu diesem Moment serviert wurde, unvergesslich gemacht werden und der Löffel Kaviar im Menü wertet dieses ungemein auf.
All diese Tatsachen waren sicher Grund genug, dass sich der Bedarf an Kaviar in den ersten drei Quartalen 2017 fast verdoppelt hat und gleichzeitig, dass die Gastronomen, die sich dem Zeitgeist, was Preis und Qualität des Produkts angeht, gefügt haben, vom Erfolg sowohl überrascht als auch erfreut sind.
Ich denke, dass 2018 nicht nur das Jahr der Kaviar-Renaissance sein wird, sondern, dass auch der Kaviarkühlschrank im Restaurant zum gelebten Standart zurückkehren wird.

Desietra Kaviar
Imperial Auslese

1 Gedanke zu „Endlich wieder Kaviar“

  1. Ich möchte mich vom Herzen beim Autor dieses Artikels bedanken. Es ist eine wahre Seltenheit geworden, in den Genuß fundierter Artikel zum Thema Kaviar zu gelangen. Spannend ist die erwähnte Situation mit China. In Vielerlei Expertenkreise wird China als Kaviarquelle gemieden obwohl gerade diese aufgrund modernster Anlagen weltweit führend sind. Sowohl quantitativ als auch teilweise qualitativ. Die Geschichte, wie China zu einer Kaviarnation wurde ist wenig bekannt. Wenige wissen um den Hintergrund als einst persische Salzmeister gezielt „abgeworben“ wurden um das Know-How nach China zu bringen.
    Auf ein Aspekt im Bezug auf Artenschutz möchte ich dem neugierigen Leser hinweisen:
    Seit gerauner Zeit ist es als Kaviarhändler verpflichtend, lediglich CITES zertifizierten Kaviar im Umlauf zu bringen. Dies bedeutet, der Händler ihres Vertrauen ist verpflichtet (meist auf der Unterseite der Kaviardose) Angaben zur CITES Zeritifizierung zu tätigen. Leider findet sich auch heute noch viele Betrüger in diesem Umfeld.
    Nochmals herzlichen Dank zu diesem gelungenen Artikel über Kaviar.

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