Laudatio Martin Klein, Restaurant „Ikarus“, Salzburg, Koch des Jahres Nachbarländer, Frankfurter Alllgemeine Sonntagszeitung

Vorbemerkung: Detaillierte Informationen und Hintergrundinformationen zu den „Lieblingen des Jahres“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung finden Sie bei den bisher veröffentlichten Features.

 

Koch des Jahres Nachbarländer: Martin Klein, „Ikarus“, Salzburg

 

 

Seit Beginn der „Lieblinge des Jahres“ – Ehrung habe ich immer auch Köche aus den angrenzenden Ländern ausgezeichnet – zum Beispiel Jonnie Boer von „De Librije“ in Zwolle, Marc Haeberlin von der „Auberge de l’Ill“, Andreas Caminada von „Burg Schauenstein“, Tanja Grandits vom „Stucki“ oder Andreas Döllerer von „Döllerers Genusswelten“. Das hat natürlich etwas damit zu tun, dass in den angrenzenden Ländern immer auch viele deutsche Gäste unterwegs sind und außerdem die FAS dort zu bekommen ist.

Als ich vor einiger Zeit die Liste der möglichen Kandidaten durchging, fiel mir auf, dass ich an einen ganz wichtigen Koch noch nie ernsthaft gedacht habe, obwohl mir seine großen Fähigkeiten durchaus bekannt sind. Es ist Martin Klein, der aus dem Elsaß stammende, 45-jährige Koch vom „Ikarus“ im Salzburger „Hangar 7“ – Komplex. Hatte ich seinen Namen zur Seite geschoben, weil er – um einmal ein Bild aus der Musikszene zu benutzen – „nur“ eine Art kulinarische Cover-Band anführt, die die Kreationen anderer Leute nachkocht (auch wenn man einen Monat im Jahr auch die eigenen Gerichte im „Ikarus“ kocht)? Ich will das nicht ausschließen, habe aber jedenfalls noch einmal scharf nachgedacht. Ich erinnerte mich an ein Essen an einem Tisch in der Küche des „Ikarus“, seinerzeit noch mit Roland Trettl als Chef. Trettl war mit irgendwelchen Dingen beschäftigt, die nichts mit dem abendlichen Service zu tun hatten. In der Küche regierte ein sehr dynamisch wirkender Sous-Chef (oder wie immer man es im „Ikarus“ nennt) namens Martin Klein, dessen Kompetenz und klare Ansage mich sofort beeindruckt haben. Klein war von 2003 bis 2011 als rechte Hand von Trettl im „Ikarus“, ging dann in die Südsee und kam 2014 als Nachfolger von Trettl wieder zurück. Die Entscheidung war absolut naheliegend.

Das „Ikarus“ – Konzept war ja von anfang an mit dem Namen Eckart Witzigmannverbunden, dem man die Idee auch sofort „abgekauft“ hat. Wenn er meint, dass die Reproduktion von Gerichten anderer Köche kulinarisch machbar und gastronomisch sinnvoll ist, muss da wohl etwas dran sein – war so in etwa der Tenor der Kommentare. Tatsächlich hat sich ein ausgesprochen hartes, arbeitsintensives und anspruchsvolles Verfahren entwickelt, für das man Köche braucht, die eine Unmenge von Daten bewältigen können. Alle vier Wochen ein neues Menü mit teilweise ganz unterschiedlichen Kochtechniken zu realisieren, ist eine Aufgabe, die man erst einmal stemmen muss. Die zentrale Figur ist dabei der Küchenchef, also Martin Klein, der den Kontakt zu den jeweiligen Gastköchen aufnehmen muss, hinfährt, die Details checkt, sich einfühlen und eben vor allem die Besonderheiten der Küchen begreifen muss. Wenn man sich das Programm im Moment ansieht, scheint diese Arbeit einen Tick einfacher geworden zu sein, weil auch Köche dabei sind, deren Kochtechnik im wesentlichen Standards entspricht (wohlgemerkt: ich meine die Kochtechnik, nicht die Rezepte). Es gab aber auch Molekularküchen-Zeiten, in denen reihenweise Köche reproduziert wurden, die über neuartige Techniken verfügten. Und das gleiche Problem tauchte später dann nochmals bei denjenigen Köchen auf, die die weitgehend neuen Kochtechniken der Nova Regio-Küche praktizierten.

All das muss man leisten können, immer wieder neu und immer wieder anders. Darüber hinaus muss man ein wahres Lexikon von Produkten und den Möglichkeiten ihrer Beschaffung im Kopf haben. Was kann man in Österreich besorgen, was sind „autochthone“ Produkte, die man nur vom Gastkoch aus seiner Region bekommen kann? Wie aufwändig sind bestimmte Techniken (etwa mit offenem Feuer), und kann man riesige Degustationsmenüs so verkleinern, dass sie in das Konzept passen und beide Seiten zufrieden sind? Dass das Alles klappt und den Gästen im „Ikarus“ ein extrem spezielles und spannendes Konzept präsentiert werden kann, liegt ganz entscheidend an Martin Klein. Er besitzt Fähigkeiten, die sehr selten sind, und es gäbe wohl nicht sehr viele Köche, die ihn ersetzen könnten.

Natürlich würde selbst das nicht unbedingt für eine Ehrung als „Koch des Jahres“ reichen. Aber da ist ja noch der eine Monat, in dem Martin Klein und sein Team demonstrieren können, dass sie längst auch „auf eigene Rechnung“ höchstes Niveau erreicht haben. Kurz: Martin Klein reiht sich mit seinen eigenen Leistungen als Koch ohne jede Schwierigkeit in die Phalanx der besten internationalen Köche ein, die er ansonsten hier präsentiert. Kurz vor dem Erscheinen der „Lieblinge des Jahres“ in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (meine Entscheidung fiel im Oktober, zu diesem Zeitpunkt musste ich schon das damals noch geplante Gala-Menü auf Schloss Bensberg koordinieren) wurde Klein vom österreichischen Gault Millau in den Rang eine Fünf Hauben Kochs erhoben. Solche Koinzidenzen gibt es immer wieder, sie beweisen, dass die Wahrnehmungen verantwortlicher Kritiker oft durchaus ähnlich sind. Ich habe mich über diese Entscheidung gefreut und keineswegs gewundert.

Zu den weiteren Großtaten der „Ikarus“ – Küche gehört auch der jährliche Sammelband mit Porträts der Gastköche des Jahres, dem „Making of“, dem Menü und einer Reihe von Rezepten. Dieser Band, für den ja auch noch die Rezepte der Gastköche in eine präsentable Form gebracht werden müssen (also zum Beispiel in den Mengen auf die üblichen 4 Personen runtergebrochen werden müssen), ist mittlerweile eine der wichtigsten internationalen Veröffentlichungen für die Dokumentation der zeitgenössischen Küche.

 

Apropos kulinarische „Cover-Band“:

Ich möchte noch ein wenig zum Thema „kulinarische Cover-Band“ ergänzen. Mit etwas Abstand betrachtet kann man da auch ganz andere Gedanken haben. Ich hätte nichts dagegen, sehr viel öfter auf Restaurants zu treffen in denen irgendetwas „nachgekocht“ wird, also etwa große historische Klassiker oder auch wichtige Rezepte aus der jüngeren Geschichte der Kochkunst. So etwas gibt es hin und wieder, wird aber nie so ernst genommen, wie es eigentlich sein könnte. Ein Restaurant, das mit solchen Klassikern arbeitet, könnte – immer beste Qualität vorausgesetzt – sehr gut laufen und gegebenenfalls sogar für viel Aufsehen sorgen. Es scheint mir jedenfalls eine gute Alternative zu der eigenen, ständigen kreativen Überforderung vieler Köche zu sein, die meinen, kreativ sein zu müssen, dafür aber nur sehr bedingt geeignet sind. Wer als Koch einmal darüber nachdenkt, wie schwierig so etwas sein kann, wird übrigens schnell noch mehr Achtung vor Köchen haben, die so etwas in einem hervorragenden Zustand hinbekommen. Ich rate allerdings zur Vorsicht: so etwas ist nicht so einfach, auch wenn die überlieferten Rezepte oft nicht besonders schwierig aussehen. Gute Reproduktionen brauchen eine gute Vorstellung vom Geschmack der Sache. Wer das nicht wirklich versteht, wird kein gutes Ergebnis erzielen.

Insofern leistet Martin Klein nicht nur Hervorragendes, sondern ist auch ein Beispiel für einen Restaurantzweig, der in Zukunft sehr viel stärker ausgebaut werden sollte.

 

Credits Bilder: aus dem exzellenten Buch „Die Weltköche zu Gast im Ikarus“ fotografiert 

1 Gedanke zu „Laudatio Martin Klein, Restaurant „Ikarus“, Salzburg, Koch des Jahres Nachbarländer, Frankfurter Alllgemeine Sonntagszeitung“

  1. Bravo Martin Klein!
    Ich schaue euch so oft ich kann beim arbeiten zu. „Weltköche zu Gast im Ikarus“ ist für mich mit 61 Jahren immer noch wie Schulfernsehen. So detailliert wie in dieser Sendung wird selten gezeigt, wie ein Gericht hergestellt wird und worauf man zu achten hat. Ihr da in Innsbruck seid einfach großartig und die Auszeichnung ist völlig zurecht erfolgt.
    Gruß von der Donau,
    Frieder Steinseifer

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