Markus Molitors Lidl-Weißwein enttäuscht

Wollte das Imperium zurückschlagen? Kommt nach Promi-Weinen mit Gottschalk- oder Jauch-Etiketten jetzt einmal einer unserer besten Weinmacher und zeigt mal kurz, was eine Wein-Harke von Qualität ist? Man könnte angesichts einer enormen Lidl-Werbeaktion mit u.a. ganzseitigen Anzeigen unbedingt den Eindruck haben, jetzt käme das ganz große Ding, endlich einmal ein Wein für 7,99 Euro, der die anderen deutlich überragt. Leider ist das nicht so, ganz im Gegenteil.

Hier erst einmal der O-Ton von Lidl:

„Markus Molitor Composition M Mosel QbA trocken, Weißwein
Markus Molitor hat mit der Composition M die individuellen Vorzüge verschiedener traditioneller Weißwein-Rebsorten harmonisch in Einklang gebracht. Das Ergebnis seines Handwerks ist ein elegant ausbalancierter Wein, der das Zusammenspiel fruchtiger Aromen und floraler Anklänge eindrucksvoll in Szene setzt. Genieße die Composition M als besonderen Begleiter zu kulinarischen Köstlichkeiten aus aller Welt.“

Ergänzen müsste man noch, dass der Wein aus dem Jahr 2020 stammt und 12% Alkohol hat, und dass er auf der Flasche mit einem Gault Millau-Aufkleber verziert ist, der dem Weingut Weltklasse attestiert. Die Realitäten zeigen sich schnell als durchschnittlich, was den Wein allein betrifft, und als stark unterdurchschnittlich, was seine Fähigkeiten als Speisenbegleiter angeht. Beides hängt, wie sich bald herausstellt, eng zusammen. Die Nase zeigt mit etwas Mühe einen Moselwein mit einiger Frucht, der aber gerade in der zweiten und dritten Reihe wenig Aromen zu bieten hat. Am Gaumen verstärkt sich dieser Eindruck von einem nicht besonders überzeugenden Körper. Würde man nicht wissen, dass man Molitor im Glas hat, würde man einen solchen Wein schnell zur Seite legen. Was die Cuvée angeht, schmeckt man natürlich, dass verschiedene Teilnehmer am Start sind. Aber genau das, was die Werbung behauptet, ist sehr wenig zu bemerken. Man hat ein paar dominante Fruchtnoten, die aber mit dem, was im Hintergrund passiert, wenig zu tun haben. Man schmeckt kein gelungenes Zusammenspiel, sondern eher Unausgewogenes.

Das Verhalten des Weines mit verschiedenem Essen zeigt die Mängel ganz klar. Nein, er ist kein „besonderer Begleiter zu kulinarischen Köstlichkeiten aus aller Welt“, sondern er macht im Zusammenhang mit Essen eine schwache Figur. In diversen Kombinationen von Asien über leicht geräucherten Lachsrücken bis zu Spargel und Kräutern passiert immer das Gleiche: Der Wein regiert äußerst empfindlich und schrumpft auf einen Teil seiner Fruchtnoten. Es gibt keine weinige Säurebasis, die dem Essen ein Fundament bieten könnte und schon gar keine stabilisierende, ergänzende und größer machende Verzahnung von Wein und Speisen. Erst wenn man den Wein vom Essen ein gutes Stück freistellt (also nach jedem Bissen eine zeitlang wartet) erholt er sich wieder etwas (ich nenne das meist „Verlegung der Kontaktstelle“). Es zeigt sich mit dem Essen, dass der Wein nicht über den nötigen Körper verfügt, um einen sinnvollen, guten Akkord zu ermöglichen. Und das konnte man schon beim Wein allein deutlich bemerken. Je nach Lage schmeckt der Wein mit dem Essen auch regelrecht leer, weil nach seiner Reduzierung auf einige Fruchtnoten einfach gar nichts mehr kommt und er glatt versickert. Das ist keine gute Leistung von einem Winzer, den wir alle natürlich für seine Arbeit ansonsten durchaus schätzen.

Mir fiel in diesem Zusammenhang ein anderer Wein ein, der in aller Klarheit und mit buntem, für deutsche Weinfreunde möglicherweise nicht besonders vertrauenerweckendem Etikett genau das leistet, was Lidl bei Molitor verspricht.

Trementi Bar Siciliano, Chardonnay Viognier 2018. 13% Alkohol
Der Wein kommt von der Firma Orion Wines, die in ihrem Programm eine ganze Reihe von Weinen haben, die mit ihren populären Qualitäten auch in deutschen Supermarkt-Regalen viele Freunde finden. Diese Firma ist sicherlich nicht das, was sich Vertreter der reinen Lehre wünschen, kann aber hier und da immer wieder einmal als Bezugspunkt wirken. Bevor manche Hardcore-Weinmacher vergessen, dass Wein auch sofort Spaß machen kann und nicht erst, wenn man stundenlang Qualitäten hineininterpretiert, werfen sie ja manchmal einen Blick auf den großen Erfolg solcher Firmen…
Der Trementi Bar Siciliano war mir nicht wegen des Etiketts aufgefallen, sondern wegen der Rebsorte-Kombination Chardonnay und Viognier, bei der ich mir sofort vorgestellt habe, dass sie auch in einem nicht sehr avancierten Preissegment funktionieren kann. Ich immer wieder auch auf der Suche nach Weinen, die man sich an einem warmen Tag – na ja, genau in einer sizilianischen Bar vorstellen kann und die – eisgekühlt – genau das Richtige am richtigen Ort sind. Gefunden habe ich den Wein bei Edeka, wo er – zumindest hier in der Gegend – ein typisches Schicksal erlitten hat. Es gibt von der gleichen Serie auch noch andere Weine, die ich aber alle deutlich schwächer als den Chardonnay/Viognier fand. Eines Tages war der Weißwein im Preis deutlich heruntergesetzt auf nunmehr irgendwie 3,99 Euro oder so ähnlich. Zufällig war jemand von der Weinabteilung in der Nähe und ich erhielt auf Nachfrage prompt die Auskunft, der laufe hier nicht, deswegen werde man ihn aus dem Sortiment nehmen. Wohlgemerkt: nicht die Reihe, sondern nur den Weißwein. „Oh“, sagte ich, „das ist ganz klar der Beste aus der Reihe!“. Der Herr zuckte mit den Achseln…

Wie dem auch sei: Diese Mischung aus Chardonnay und Viognier ist ein Musterbeispiel für einen vielseitig gut funktionierenden Wein, der nicht nur eine klare, zuverlässige „Erstausstrahlung“ hat, sondern vor allem mit Essen ausgesprochen zuverlässig funktioniert. Der Körper ist nicht nur gut zwischen den beiden Rebsorten ausbalanciert, sondern hat eine sehr stabile, kräftige Struktur, die ihn in ganz verschiedenen Zusammenhängen immer gut dastehen lässt. Er ist auch nicht zu stark und „bügelt“ alles mit seiner Kräftigkeit „platt“, sondern er behält Charakter, verzahnt sich gut, gibt eine weinige Fundierung und ist das reinste Chamäleon. Kurz: er funktioniert sowohl als südlicher Durstlöscher wie als ein zuverlässiger Begleiter auch für kräftige sommerliche Essen. Und – gerade im Vergleich zu „M“ legt er mit feinerem Essen sogar noch etwas an Seriosität zu, weil er durchaus genügend reaktives Potential hat, um sich auch flexibel anreichern zu lassen.

Noch einmal: Ich rede im Zusammenhang mit diesem Chardonnay/Viognier nicht von großen Weinen, sondern von solchen, die eine ganz klare funktionale Bedeutung haben, die in bestimmten Zusammenhängen gefallen, die unproblematisch sind und für ihren Preis eine zuverlässige Leistung bieten. Bei Lidl/Molitor habe ich den Eindruck, als ob man unbedingt nach einer Formel für hohe Umsätze gesucht hätte, aber eben vom Namen her, von der Kombination eines bekannten Winzers mit einer großen Handelskette. Man macht Etats für die Werbung in einem Umfang frei, von der andere nur träumen können und setzt auf Überzeugung durch Image und Marketing-Mechanismen. Glaubt man, dass der Wein unter diesen Prämissen besser schmeckt? Möglicherweise, die Psychologie beweist uns, dass so etwas funktionieren kann. Man wird sehen, ob es nicht mittelfristig sehr viel besser wäre, wirklich auf gute, funktionale Weine zu setzen und nicht auf die Old School-Werbe- und Marketingmechanismen. Dabei könnte man vielleicht auch einmal Weinwerbung machen, bei der den Leuten vor Begeisterung die Tränen kommen….

3 Gedanken zu „Markus Molitors Lidl-Weißwein enttäuscht“

  1. Ich habe den „Bar Trementi Siciliano“ heute in meinem Bochumer Edeka gefunden (Burkowski, 7,95€). Und ja, er schmeckt vorzüglich. Zum Essen (Seelachs, Kartoffeln, Gurkensalat) und darüber hinaus. Also jetzt, am Abend.
    Viele Grüße auch an Ihren Bruder (durfte vor 17 Jahren Examen bei ihm machen).

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  2. TANSTAAFL. Kennt jeder, der mal Robert Henlein gelesen hat. Abkürzung für: „There ain´t no such thing as a free lunch.“ Wenn Topwinzer 3.200 Outlets in D bedienen wollen, geht das nur mit reduzierter Qualität. Period. Wenn jede Filiale in der Woche zwanzig Flaschen verkauft, sind das 64.000 pro Woche. Kann sein, dass Lidl die nur in upmarket-Filialen anbietet (mir fallen bei uns im Ruhrgebiet spontan zahlreiche ein, wo zwar die Security im KBR steht, aber der Wein für 7,99 kaum im Regal), die Discounter brauchen dennoch unglaubliche Warenmengen. Deshalb fangen sie jetzt auch schon lange an, selber zu produzieren, mit eigenen Brunnen für Wasser und demnächst mit gewaltigen Röstereien.

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  3. Es gibt eine ganze Reihe von durchaus bekannten Winzern, die in die Supermärkte drängen. Keller und Othegraven fallen einem ein, viele andere auch.
    Das können sie in aller Regel (wegen des Discounter-Preisgefüges und der Mindesteinkaufsmenge) nicht SELBST tun, sondern nur, wenn eine „Erzeugergemeinschaft“ (bei der das einzige „gemeinsame“ die Drängelei an der Traubenannahme ist) dahinter steht. Die Qualität des Lesegutes ist dann zwangsläufig begrenzt, und zwar fast ausnahmlos unter derjenigen – i.d.R. auch noch für den Kunden deutlich preiswerteren – der „einfachen“ Selektionsserien [fast] aller Genossenschaften.

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