Nils Henkel, „Flora“, die Zweite!

Ich habe überlegt, ob ich mich dafür entschuldigen soll, dass ich bei der Rezension von „Flora“, dem neuen Buch von Nils Henkel, etwas übersehen, oder – besser gesagt: nicht richtig gewürdigt habe. Vielleicht ist es ein wenig der Routine geschuldet, vielleicht hakt man diesen Bereich unter „Standards“ ab, die man nicht unbedingt erwähnen muss, weil es von diesem Buch Wichtigeres zu berichten gibt. Jedenfalls muss ich diese weitere Erkenntnis noch nachtragen. Dieser Inhalt ist mir aufgefallen, weil meine Lektüre eines Buches nicht damit abgeschlossen ist, dass ich eine Rezension schreibe. Ich habe ein Ordnungssystem in meiner Bibliothek, bei dem ein Buch erst dann in die Bestände eingeordnet wird, wenn ich auch noch bestimmte Details genau studiert habe, die mich jenseits der Rezension ganz speziell interessieren. Dabei geht es oft um bestimmte Kochtechniken, die ich noch mit anderen vergleichen will oder Ähnliches. Solche Details erwähne ich in meinen ohnehin schon recht umfangreichen Rezensionen meist nicht. Also – worum geht es?

Nils Henkels Kompendium der Grundzubereitungen ist sensationell
Ich hatte schon einmal erwähnt, dass ich Nils Henkel schon seit rund 25 Jahren kenne, und dass er in meinen ersten journalistischen Jahren immer wieder einmal eine Hilfe war, wenn es um kochtechnische Fragen auf dem Niveau einer Drei-Sterne-Küche ging. Er war eine Art wandelndes Lexikon. Das zeigt sich auch in diesem Buch, in dem er auf sage und schreibe 65 Seiten die „Flora Grundrezepte“ ausbreitet. Hier liegt dann auch das Geheimnis für die Fähigkeit von Nils Henkel, in ganz unterschiedlichen Restaurant-Formaten zu arbeiten. Mit diesem „Baukasten“ lässt sich enorm viel machen, er ist kein Nebenprodukt, das man am Ende des Buches zusammenträgt, weil man das eigentliche Rezept nicht mit diversen Grundzubereitungen weiter verlängern will. Die Grundzubereitungen sind in dieser Form fast wie ein eigenes Buch (für das man sich ev. auch noch die dazugehörigen Abbildungen gewünscht hätte). Hier eine Übersicht über die Bestände in den unterschiedlichen Abteilungen, jeweils mit Beispielen dazu:

„Bisquit, Teig & Schaum“ (13 Rezepte), darunter ein Violetter Karottenbiskuit, ein Remouladenschaum und ein Roggenmalz-Minutenbiskuit

„Chips & Deko“ (33 Rezepte), darunter Bohnenesspapier, Milchhautchip mit Safran, Röstroggensablé, Schokoladenäste oder ein Tapiokacracker Alge.

„Crèmes, Gelee & Murmeln“ (19 Rezepte), darunter Falsche Walnüsse, Maisfondant, Sauerteigcrème

Eis & Sorbet“ (30 Rezepte), darunter ein Sanddornsorbet, Heumilcheis, Gierschsorbet süss und ein Erdnusseis

„Essenzen & Marinaden“ (16 Rezepte), darunter Holunderblütenessig, Mädesüß-Blütenessenz und Solei-Einlegefond

„Fonds und Saucen“ (26 Rezepte), darunter eine Grüne Currynage, ein Rübensud, Sojamilch oder Vadouvansud (ein sehr komplexer Sud)

„Früchte“ (7 Rezepte), darunter eingemachte Berberitzen, und eingelegte Zwetschgen mit einem Rote Bete Gewürzsud

„Gelee und Emulsionen“ (27 Rezepte), drunter eine Mojocrème, eine schwarze Knoblauchemulsion oder ein Yuzu-Zitronengel

„Gemüse“ (14 Rezepte), darunter eine Misoreiscrème mit Lupine, geräucherte Ofenkartoffelschnitten und ein Shiitake Gyoza

„Gewürze“ (hier nur zwei Rezepte, aber das ist ein anderes Thema, das ich demnächst noch besprechen werde), z.B. Java-Pfeffer

„Gewürzöle“ (12 Rezepte), darunter Kaffeeöl, Raukeöl oder Süssdoldenöl

„Unvergoren“ (13 Rezepte), darunter Roasted Riesling, Wasserkefir und Artischockeneistee

Das macht insgesamt 212 (!) Grundrezepte, die natürlich alle zuverlässig aus der Praxis entstanden und entnommen sind.

Fazit
Mit diesen Grundrezepten erschließt sich Henkel eigentlich noch ein anderes Publikum, für das „Flora“ von großer Bedeutung sein kann. Wer die Rezepte im Hauptteil zwar sehr anregend, aber für eine Realisation zu hause zu komplex oder kompliziert findet, wird sich bei den Grundrezepten üppig bedienen können – ganz davon abgesehen, dass die eigene häusliche „Werkzeugkiste“ stark anwachsen kann. In den Grundrezepten liegt also das Material verborgen, das man brauchen kann, wenn man einen großen Sprung nach vorne machen will. Vor allem Leser, die für ihre Küche irgendwo und irgendwie einmal nach einer kleinen, speziellen originellen Zubereitung suchen, werden hier schnell fündig werden. Und – im Prinzip gilt das auch für Profis, im Prinzip aus ähnlichen Beweggründen.

Das Buch hat bereits drei grüne BBB bekommen

1 Gedanke zu „Nils Henkel, „Flora“, die Zweite!“

  1. Vielen Dank für diese hilfreichen Hinweise. In der Tat hört sich das ungeheuer reizvoll an, und es ist genau der Punkt, an dem ich immerzu suche und nur selten und mühevoll fündig werde.

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