„Null Fett“, ansonsten aber „ganz normal“. Noch mehr von Jean-Francois Piège

Nachdem die Reaktionen auf das Piège-Buch ohne Fisch und Fleisch so gut waren, ist es vielleicht sinnvoll, dass ich auch noch ein minimal älteres Buch aus der gleichen Serie erwähne, das den knappen Titel „Zéro Gras“ hat (also: „Null Fett“ – salopp übersetzt). Womit ich gleich zu Beginn erst einmal zu einem ganz besonderen Problem komme. Das Buch hat im französischen Original den Titel:

Jean-Francois Piège: Zéro Gras. 50 Recettes lights et gourmands qui ont fait leurs preuves. Hachette Livre, Vanves 2018. 128 S. geb., Hardcover, 19,95 Euro

Das Buch ist bereits in deutscher Sprache erschienen. Bei uns lautet der Titel so:

Spitze kochen ohne Fett – leicht, aromatisch, gesund.

 Das Buch ist 2019 im EMF-Verlag erschienen und kostet 13,50 Euro. – Hier ist offensichtlich ein Kommunikationsproblem produziert worden. In Frankreich ist Piège ein sehr bekannter Koch, der wie kaum ein anderer Fachkenntnisse und vielfältige mediale Aktivitäten (im weiteren Sinne) verbindet. In der deutschen Titelfassung bedeutet „Spitze kochen“ eigentlich gar nichts, weil solche Zuschreibungen völlig abgenutzt sind und mitnichten auf einen Spitzenkoch verweisen. „Leicht, aromatisch, gesund“ ist ebenfalls kein Ersatz für „lights et gourmands, qui ont fait leurs preuves“. Das Wort „gourmand“ wollte man vermutlich wegen der ominösen „Angst vor Gourmet“ ebenfalls vermeiden. Und während „leicht, aromatisch, gesund“ auf Zeitgeist in deutschem Verständnis deutet, ist der französische Untertitel mit „bewährt“ („qui ont fait leurs preuves“) deutlich konservativer angelegt. In Frankreichmacht das nichts, weil man es im Zusammenhang mit Piège anders interpretiert.

Das nur einmal am Rande.

 

Das Buch

Insofern kann man dann beim deutschen Buch schnell übersehen, das hinter dem Titel nicht irgendeine Beliebigkeit, sondern die Arbeit eines hochinteressanten Kochs steht. Die Gliederung ist einfach. Es gibt ein Kapitel Saucen, eines mit Vorspeisen und eines mit Hauptgerichten. Darauf kommt es auch nicht so sehr an, sondern auf das, was hier ein guter Koch so alles ohne Fett hinbekommt. Es beginnt gleich mit einem wesentlichen Prinzip, nämlich dem Einsatz von Gelatine zur Bindung, wo man ansonsten Fett/aufgeschlagenes Fett/reduziertes Fett gebrauchen würde. Die „Vinaigrette ohne Öl“ hat neben der Gelatine eine Gemüsebouillon, Worcestershire-Sauce und etwas Weinessig. Mit wenigen Schritten hat man eine Vinaigrette ohne Öl. Es folgt die Mayonnaise ohne Öl, die insofern besonders wichtig für das Verfahren ist, als Piège sie häufiger in weiteren Zusammenhängen und dann zur Bindung benutzt. Und so geht es weiter, kurz und sachlich, links das Foto des Rezeptes und die Zutaten, rechts Step-by-Step-Fotografiie und die kurzen Erläuterungen der Zubereitung. Dabei geht es Piège durchaus nicht ausschließlich um Kopien bekannter Rezepte. Man kann deutlich erkennen, wie er seiner Ohne-Fett-Technik eine eigene Ästhetik abgewinnt und Neues daraus entwickelt.

 

 

Während die „Bouillon von Zitronengras, Ingwer, Minze und Jakobsmuscheln“ noch viel aus der oft fettfreien asiatischen Küche entnimmt, sind die „Topinamburcrème ohne Sahne“ oder die „Muschel-Velouté mit Curry und Zitrone“ durchaus schon wieder origineller. Irgendwann „kippt“ die Sache dann um, und Piège scheint ganz selbstverständlich alles Mögliche ohne Fett realisieren zu können, ohne dabei in die Ersatzhandlungen etwa diverser vegetarischer und veganer KöchInnen zu verfallen. Es gibt „ein „Lackiertes Steak“ eine „Schweinsbrust aus dem Ofen mit karamellisiertem Gemüse“, ein „Sauté vom Kalb mit Navets und Kakao“ oder ein „Frikassee vom Huhn mit Sellerie, Champignons und Clementinen“. Sein „Im Reis gekochtes Huhn“ mit Currysauce bringt eine ganz überraschende Technik, bei der das Huhn von gegartem Reis bedeckt leicht gratiniert wird – ein Verfahren, das er auch bei Spargel anwendet. Insgesamt gewinnt man im Verlauf des Buches immer mehr den Eindruck, als ob es hier sehr originell zugeht – nicht unbedingt, weil es irgendwelche exotischen Zutaten gibt, sondern weil sich der Meister souverän über alle möglichen probaten Kochtechniken hinwegsetzt und quasi fettfrei wird.

 

 

Fazit

Das Thema wird erstaunlich frei, selbstbewusst und irgendwie auch neugierig behandelt. Man sieht einem der besten französischen Kochbuchautoren über die Schulter und staunt, was er alles hinbekommt. Das hat was und es hat vor allem auch Zukunft. Fett als Geschmacksträger zu ersetzen, ist eine sehr gute Idee. Dabei nicht den Pfad der Tugend im Sinne der klassisch fundierten Küche zu verlassen, schon ein kleines Kunststück

Insofern bekommt das Buch 2 grüne B

Fotos: Nicolas Lobbestael

5 Gedanken zu „„Null Fett“, ansonsten aber „ganz normal“. Noch mehr von Jean-Francois Piège“

  1. Ich denke ds Buch soll Anstöße geben mit Fett umgehen zu lernen. Fett ist ein Geschmacksträger, ja, der Körper benötigt auch fett – jedoch nur die gesunden Fette und davon nicht viel. Heutzutage ist alles verfettet und es ist ein interessantes Abenteuer sich damit zu beschäftigen, denn es ist tatsächlich garnicht so schwer und das Ergebnis ist unglaublich gut. Habe es selbst gesundheitsbedingt testen müssen. Wenn man lernt welche Fette gesund für den Körper sind und dazu eben nicht die Brühwurst und Chips zählen, und dann noch fettreduzierter kocht ohne Einbußen, hat der Autor alles erreicht!

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    • Die Wissenschaft hat schon vor 50-60 Jahren in großen Studien herausgefunden, dass die Art des Fettes keinerlei Auswirkung auf die Gesundheit hat, ungeachtet der Tatsache, dass jene in „Gesund“ und „ungesund“ eingestuft werden. Menschliche Körper funktionieren vielleicht doch etwas komplexer und individueller, als und essgestörte Ernährungsberaterinnen einflüstern wollen.
      Warum man fettfrei kocht, lässt mich auch ratlos zurück.

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