Rudi und Karl Obauer: Die stillen Meister

Die Brüder Rudi und Karl Obauer vom gleichnamigen Hotel und Restaurant in Werfen, ein Stück südlich von Salzburg und Döllerer, spielten schon immer eine ganz eigene Rolle in der kulinarischen Landschaft. Das sehen Sie auch selber so. Ich zitiere aus dem Buch:

Über die Jahre ist es uns gelungen, einen eigenen Stil herauszuarbeiten. Er ist von wenigen Grundsätzen getragen. Einer dieser Grundsätze lautet, dass gute Küche nichts mit dem Preis der Zutaten zu tun hat. Mi dem Wort ‚Luxusprodukt‘ haben wir nie etwas anfangen können, denn die Pilze unserer Wälder sind für uns genauso wertvoll, wie schwarze oder weiße Trüffel.

 Auch den Begriff ‚Edelteile‘ für besonders zarte Fleischstücke halten wir für verfehlt. Wenn man schon mit Fleisch kocht – und man muss das gar nicht, wie viele vegetarische Rezepte in diesem Buch zeigen -, dann sollte und kann man von einem Tier so ziemlich alles zu guten Gerichten verarbeiten.

 Ein weiterer und für das Programm dieses Buches der wichtigste Grundsatz lautet: Lieber auf die eigene Art machen als nur nachmachen.“

Man hat sich daran gehalten und dabei in Kauf genommen, dass man – zumindest teilweise – die Restaurantzensierer auch schon mal auf dem falschen Fuß erwischt hat. Weil hier der dritte Stern fehlt (der Hauptgrund ist bekannt: Werfen wird nicht erfasst…) wird man hier und da nicht zur absoluten Spitze gezählt. Glücklicherweise halten die österreichischen Führer den Obauers weitgehend die Treue, und das trotz des tatsächlich unter Bewertungsaspekten ein wenig schwierig zu erfassenden Restaurants. Der Grund ist, dass man bei Obauer immer schon eine Küche bekommen hat, die nicht nur keinen Unterschied zwischen den Produkten macht, sondern auch munter zwischen Regionalküche, einer Art alpinem Brasserie-Stil und Spitzenküche pendelt. Der Satz: „Das kann man anders, aber nicht besser machen“ trifft hier häufiger zu als in jedem anderen Restaurant. Und weil dies die Folge einer konsequenten Arbeit mit regionalen Produkten und Traditionen ist, sind die Obauers eigentlich ein ganz, ganz großes Vorbild. Man kann sich gut vorstellen, dass diese Tatsache im Laufe der kommenden Jahre noch sehr viel höher geschätzt wird, als das heute der Fall ist. Wenn sich – wovon man ausgehen kann – mehr Spitzenköche von der Krake Mainstream befreien, werden sie hier (und bei auffällig vielen österreichischen Kollegen) viele Inspirationen bekommen können.

Hier die Daten des neuen Buches:

 

Karl und Rudolf Obauer: Total Obauer! Große Küche aus Österreich. Gräfe und Unter Verlag, München 2022. 288 S., geb., Hardcover. 32 Euro Fotos: Armin Walcher

 

Zuerst fällt auf, dass das Buch hat eine etwas willkürliche, nicht ganz trennscharfe Aufteilung hat. Es gibt (laut Inhaltsverzeichnis) „Feines zum Start“, dann „Feld und Gartenküche“, „Aus See und Meer“, „Große Küche“, „Zum süßen Schluss“ und „Delikates auf Lager“. Im Text heißt es dann ganz anders, nämlich „Kulinarische Ouvertüren“, „Aus dem Gemüsegarten“, „Aus See und Meer“ bleibt gleich, dann aber wieder anders „Von der Weide und der Jagd“, „Aus der Patisserie“ und „Für den Vorrat“. Das muss man wahrscheinlich unter „Die rätselhaften Wege der Buchherstellung im Verlag“ ablegen, darf sich aber doch über diesen Mangel an professioneller Gestaltung sehr wundern.

Nun denn, dem Inhalt ist das nicht abträglich. Alle Kapitel enthalten eine ganze Reihe von Kostbarkeiten dieser Art von „offenen“ Küche. Hier einige Beispiele: die „Schweinskopfsulz“ ist eine feine, sehr gut strukturierte Vorspeise, die man nicht mit einer Scheibe Sülze und etwas Beiwerk verwechseln sollte. Im vegetarischen Fach erfreuen ausgereifte Kompositionen wie die „Artischocken mit Kraut“, die eine andere Analyse der aromatischen Perspektiven von Artischocken voraussetzen. Typisch sind eigene Interpretationen populärer Spitzenküchen-Elemente wie etwa beim „Bergkäse-Erdäpfel-Püree mit schwarzem Trüffel“. Beim „Spinatmus mit Kohlrabisalat“ wird das hier schon immer vorhandene Bestreben sichtbar, den Dingen (also den Produkten) so lange auf den Grund zu gehen, bis man eine überzeugende Lösung gefunden hat. Auch deshalb werden wohl zum Beispiel die gefüllten Zucchiniblüten nicht allein gelassen, sondern Teil eines komplexen Ragouts.

Die Adaption ländertypischer Aromen bringt so etwas wie den „Forellenstrudel mit Veltlinersauce“ hervor, der wie eine Blaupause für die gedankliche Überarbeitung traditioneller Gerichte wirkt. Natürlich gibt es im Programm auch einige Gerichte aus dem eher internationalen Spektrum. Aber wenn dann der „Steinbutt mit Pilzen und Gänseleber“ erscheint, sieht man ganz genau, wie über die Korrespondenz der dreierlei Röstnoten (der Steinbutt bekommt ebenfalls eine klare Kruste) und die Pilzsauce auch diese klassischen Spitzenküchenprodukte in ein adäquates Obauer-Bild integriert werden. Dafür wird dann die (natürlich entbeinte) Wachtel nicht mit Klassischem, sondern einer Brennnesselfülle kombiniert. Auch bei den Fleisch-Hauptgerichten muss man hier nicht Mainstream befürchten. Es gibt „Gegriltle Hirschkoteletts mit Wildwürstl, Pilzen und Pilzpaste“, oder „Rehfilet mit Reizker und Safranäpfeln“ – aromatisch immer mit sicherer Hand individualisiert. Bei der Patisserie ist man im Erfindungsreichtum etwas zurückhaltender. Es passt, aber entspricht oft nicht dem Niveau der herzhaften Gerichte.

 

Fazit

Wie gesagt: die Küche der Obauers muss man verstehen, ohne dass sie in irgendeiner Weise verkopft wäre. Es geht mehr um die Wertschätzung von Köchen und Küchenleistungen, die im grunde wesentliche Fortschritte bringen, das aber nicht mit der Bildbezogenheit und den Anrichteformen der internationalen Moderne tun. Wer – wo auch immer – Region und Tradition mit der Moderne verbinden will, muss diese Rezepte studieren.

Ein sehr gutes Buch, das 2 grüne BB bekommt, aber oft auch noch einen Tick besser ist.

 

 

 

 

1 Gedanke zu „Rudi und Karl Obauer: Die stillen Meister“

  1. Alle Bücher von den Obauers gehören zu der großen Schätzen in unserer Kochbuchsammlung, und schon alleine die Fotos des neuesten Werks inspirieren zum Kauf. Obauer in Werfen, die Brüder sind für uns Österreich par excellence. Dass sie seit Jahrzehnten dieses Niveau halten, ohne Dellen und Ermüdungserscheinungen, ist alleine schon bemerkenswert. Hier haben wir viele genussreiche Stunden verbracht und erkannten das Österreichische auf jedem Teller, aber so souverän umgesetzt, dass es völlig selbstverständlich wirkte, nie forciert oder aufgesetzt. Schön, dass man das mir dem neuesten Kochbuch wieder genussvoll nacherlebtes kann.

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