Warum Julia Klöckner eine Enttäuschung ist

Vor einigen Tagen hat mit Drei-Sterne-Koch Jan Hartwig vom „Atelier“ im Bayerischen Hof in München endlich einmal ein prominenter (und dabei sehr bodenständiger) Spitzenkoch Klartext geredet. In seinen Augen – und in den Augen wohl nahezu aller Angehöriger einer an guten kulinarischen Qualitäten orientierten Bevölkerungsschicht – ist Julia Klöckner, die Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in ihrem Amt untragbar. Als Beispiel hat Hartwig eine Aktion der BILD-Zeitung zitiert, bei der die Ministerin mit Johan Lafer (sagen wir es einmal so: eine Guldental-Verbindung) den unsäglichen Versuch unternommen hat, mit den Produkten der Großindustrie und des Mega-Handels angeblich Gutes zu produzieren. Details wie dieses verstärken den Eindruck, dass die Ministerin sich wie in einem Labyrinth bewegt, mal in die eine, mal in die andere Richtung läuft, aber nie auch nur den Eindruck erweckt, sie würde einen Ausweg finden. Dass sie kritische Anmerkungen wie die von Jan Hartwig auch noch aus ihren sozialen Netzwerken entfernen läßt, zeugt zudem von einer geringen Souveränität im Umgang mit Kritik.

Wenn man auf die Zusammenhänge blickt, wird allerdings Manches verständlich. Aus verschiedenen Gründen ist rund um Julia Klöckner eine Gemengelage entstanden, aus der es kaum ein Entkommen gibt.
Hier einige Anmerkungen.

© BMEL/Torsten Silz
Wer hat nur dieses unmögliche Ministerium erfunden? Die Widersprüche sind vorprogrammiert
Julia Klöckner ist Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Man muss schon sehr naiv sein und die Dinge aus sehr großer Entfernung sehen, um diese drei Bereiche in einen Topf zu werfen. Im Grunde muss sich Klöckner selber bekämpfen. Wenn auf der einen Seite die massiven Interessen der großen Lebensmittel-Produzenten und Handelsriesen stehen und auf der anderen die Interessen der Verbraucher, können in vielen Fällen so gegensätzliche Kräfte wirken, dass Lösungen unmöglich sind. Wo will sie stehen? An der Seite von Tönnies und der Fleischindustrie, und ihnen staatstragende Bedeutung beimessen, weil sie schließlich für die Versorgung der Bevölkerung mit billigem Fleisch verantwortlich sind? Oder vielleicht da, wo es um Tierwohl oder gar um die durchaus sinnvolle Reduzierung von Fleischkonsum geht?
Gäbe es ein Landwirtschaftsministerium und eines für Ernährung und Verbraucherschutz, müssten sich die beiden eigentlich ständig im Clinch befinden. Die Interessen der Landwirtschaft – das zeigt sich immer wieder, nicht nur bei den diversen Skandalen – sind offensichtlich nicht die von ein paar Bio-Bauern, sondern vor allem und immer zuerst die der ganz großen, marktbeherrschenden Erzeuger. Und da geht es dann schnell in eine sekundäre Ebene, in der Machenschaften negativer Art kaum eine Rolle spielen, dafür aber von „Strukturförderung im ländlichen Raum“ oder von der Gefährdung von Arbeitsplätzen die Rede ist. Dass diese Arbeitsplätze – siehe Tönnies – bisweilen kaum als solche bezeichnet werden können, läßt man dann gerne unter den Tisch fallen. Und außerdem ist man ja nur Opfer der bösen, bösen Verbraucher, die mit ihrer „Geiz ist geil“-Mentalität einfach einen Druck erzeugen, dem man nachgeben muss. Dass der Druck vor allem im Verdrängungswettbewerb zwischen Großerzeugern und den großen Handelsketten entsteht, lässt man ebenfalls gerne ungenannt. Ein Monster wird man nur, wenn man übermäßig viel frisst – um es einmal kulinarisch auszudrücken.

„Interessenausgleich“ kann für ein falsches Demokratieverständnis stehen
Politiker – und Frau Klöckner ganz besonders – erwecken gerne den Eindruck, als ob der Ausgleich unterschiedlicher Interessen ihre wichtigste Aufgabe sei. Normalerweise nehmen die Bürger solche Kennzeichnungen gerne und wie selbstverständlich an. Ein guter, seriöser Interessenausgleich, eine Moderation von Problemen durch Politiker gilt vielfach als positiver Wert. Das ist bizarr, weil eine solche Haltung die real existierenden Machtverhältnisse vollkommen übersieht. Die Interessen eines Normalbürgers oder sogar von Vereinigungen, die sich – sagen wir: irgendwelchen ökologischen Fragen widmen, sind im Vergleich zur Marktmacht großer Firmen ein Nichts. Wenn es ihnen paßt, machen sie mal eben eine millionenschwere Plakataktion, flächendeckend, und schon ist die überwiegende öffentliche Meinung wieder ein gutes Stück weit in die gewünschte Richtung manipuliert.

Wer Interessen ausgleichen will, muss die Machtverhältnisse und die dazugehörende Meinungsmacht berücksichtigen. Er muss Unabhängigkeit von Unmengen von Lobbyisten gewinnen, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als die Interessen ihrer Auftraggeber durchzusetzen, die für jedes Gutachten ein Gegengutachten aus dem Hut zaubern und für jeden Wissenschaftler, der das eine sagt, drei andere finden, die das Gegenteil behaupten. Mit „Interessenausgleich“ kommt man da nicht weiter. Hier braucht man die Distanz des Wissenden, der in der Lage ist, diese Machspiele zu durchschauen und so einzuordnen, wie das sinnvoll ist. Frau Klöckner wirkt nicht so, als ob sie in der Lage wäre, dies zu leisten.

© BMEL/Photothek/Grabowsky
Problematisch ist vor allem, dass sich hier ein merkwürdiges Demokratieverständnis zeigt. Natürlich haben wir formal die Macht der Mehrheit, müssen aber immer sehen, wie diese Mehrheiten entstehen. Zum Schutz der diversen Manipulationen und von Machtverhältnissen, die vor allem aufgrund von finanzieller Überlegenheit entstehen, haben wir ein Grundgesetz, in dem viele Werte definiert werden (und in das auch neue Werte gehören, wenn sie denn dem Stand einer sich positiv zum allgemeinen Nutzen entwickelnden Gesellschaft entsprechen). Eine Ministerin, die diesen Hintergrund nicht adäquat gewichtet, sondern sich in den Machtspielchen der Mächtigen verliert, leistet keine gute Arbeit.
Zu Entwicklungen wie bei Tönnies hätte es niemals kommen dürfen. Auch nicht zu Kämpfen zwischen den großen Handelsketten, die für ihre Marktanteile alles mögliche in Kauf nehmen, nur nicht eine Wertigkeit, die trägt und Zukunft hat.

Eine von uns? Das Phänomen der Überkompensation
Als Julia Klöckner Ministerin wurde, entstand bei den Weinleuten, Köchen und Freunden guter Küche ein wenig der Eindruck, als ob nun „eine von uns“ die Macht habe und es schon richten würde. Vielleicht mit Zeichen, wie sie der ehemalige Bundespräsident Walter Scheel einmal setzte. Es ist nicht dazu gekommen, obwohl Frau Klöckner vielleicht dem Genuss durchaus nahesteht. Wie konnte das passieren?

Es gibt ein Phänomen, das man „Überkompensation“ nennt. Sehr vereinfacht bedeutet es, dass Frau Klöckner alles tut, um nicht als eine Vertreterin der Genießer, Feinschmecker oder – noch schlimmer – Spitzenrestaurant-Besucher dazustehen. Neigt jemand aus taktischen Gründen zu einer solchen Überkompensation, ist es sehr unwahrscheinlich, dass man jemals Zeichen in dieser Richtung bekommt. So gesehen ist es also sehr unwahrscheinlich, dass sich die Ministerin für einen radikal geringeren Fleischkonsum und eine radikal andere Fleischerzeugung einsetzt, wie dies bei guten Köchen und anderen Beteiligen des Systems schon immer vorgeschlagen wird.

Da wird nichts kommen. So oder so nicht. Julia Klöckner ist eine Enttäuschung, und das ist nicht weiter verwunderlich. Diese Gemengelage hat keine Zukunft. So kommen wir nicht weiter.

4 Gedanken zu „Warum Julia Klöckner eine Enttäuschung ist“

  1. Ich muss leider zustimmen. Anfangs war ich ihr ganz positiv gesonnen, aber sie hat nicht die Statur, das Wissen und die Lernfähigkeit bewiesen, die es braucht, um in diesem Amt etwas zu bewirken. Wahrscheinlich ist das schwierig aufgrund der Konstellation, aber dennoch könnte die richtige Person sich von den Zwängen emanzipieren und eine eigene Richtung entwickeln. Bei ihr sehe ich von allem etwas und nichts Richtiges. Da ich mich im Tierschutz engagiere (das wäre z.B. meine Richtung), kann ich da von ihrer Leistung nur entsetzt sein. Wann, wenn nicht jetzt, besteht die Chance, die Fleischproduktion inklusive echtem Tierwohl und vernünftigen Arbeitsbedingungen neu aufzustellen und die aktuelle Skepsis der Verbraucher für eine Neuausrichtung mit mindestens doppelten Preisen zu gewinnen? Aber von ihr kommt nichts Durchschlagendes. Wenn die großen Ketten das Übel sind, gilt es die zu bekämpfen. Dazu gehört aber auch eine Qualitätsoffensive. Klasse statt Masse. Vielleicht bringt die Zukunft hier eine Änderung, falls es unter einer schwarz-grünen Regierung neue Impulse gibt. So richtig feurig ist meine Erwartung allerdings nicht, wenn ich daran zurückdenke, dass die Grünen in de4 Vergangenheit gerne belehrend und verordnend daherkamen, Veggie Day, was wohl kaum der Königsweg ist.

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