Warum wir auch so etwas wie einen „Meilleur Ouvrier de France“-Wettbewerb und -Titel haben sollten

Wenn man sieht, wie viel Ansehen in Frankreich die Auszeichnung des „Meilleur Ouvrier de France“ hat, und wie selbst Starköche stolz darauf sind, grundsätzlich mit der berühmten Kochjacke mit den Landesfarben am Kragen aufzutreten, ist man schon beeindruckt. Es geht dabei nicht unbedingt um konkrete Namen. Ich habe bei den diversen MOFs aus der Brigade von Paul Bocuse und anderen gegessen und war nicht immer besonders begeistert. Und trotzdem finde ich einen solche Auszeichnung, der ein knochenharter Wettbewerb vorausgeht, den viele Kandidaten nicht schaffen, für den Kochberuf eine ganz hervorragende Sache. Der Stolz der Träger (in Frankreich gibt es den Wettbewerb nicht nur für Köche, sondern für eine ganze Menge von Berufen) überträgt sich offensichtlich auch als Ansehen auf das Publikum. Und das Publikum weiß, dass es hier nicht um irgendeinen der Unmengen von Wettbewerben geht, sondern um eine Prüfung, deren Bestehen ein hoch entwickeltes Handwerk voraussetzt, das echte handwerkliche Können, das dafür sorgt, dass ein Handwerk sozusagen unbeschadet durch die Zeiten kommt und die Handwerksregeln weder vergessen noch missachtet werden. Im besten Falle sorgt diese Auszeichnung also für stabile Qualitäten. Dass viele Spitzenköche meinen, so etwas nicht nötig zu haben, ist eine andere Sache.

Ein Film mit Joel Robuchon
Ich will jetzt hier nicht auf die umfangreichen Formalitäten des Wettbewerbs eingehen, sondern von einem Film berichten, den ich vor vielen Jahren einmal in Frankreich gesehen habe. Er befasste sich mit dem Wettbewerb und seinem damaligen Vorsitzenden Joel Robuchon. Zu diesem Zeitpunkt galt Robuchon mit seiner ganzen handwerklichen Konsequenz bei seiner Arbeit als das Nonplusultra der Kochkunst und Kochtechnik. Dass er den Vorsitz der Jury übernahm, war komplett verständlich und unumstritten. Und dann sah man einen Spezialisten bei der Arbeit, der den Teilnehmern die Aufgaben erklärte und keinerlei Zweifel daran aufkommen ließ, dass man hier traditionelles Handwerk in allen Details erwarte und auch die kleinsten Kleinigkeiten zählen. Es entstand das Bild eines Wettbewerbs, wie wir ihn an anderen Stellen kaum kennen: sehr anspruchsvoll und weit entfernt davon, großzügig auch noch den letzten Teilnehmer mit einem „Dritten Platz“ o.ä. zu beglücken. Bei der Degustation zeigte sich das, was ich auch von anderen Ereignissen in Frankreich kenne: Wenn es um das Handwerk geht, sind viele der französischen Spitzenköche einer etwas älteren Generation nicht zu irgendwelchen Kompromissen bereit. Wer ein Huhn nicht so auseinandernehmen kann, dass alle Teile verlustfrei zur Verfügung stehen, wer Gemüse nicht richtig garen kann oder meint, er könne seine Fleischteile irgendwo „rausschneiden“ und den Rest in die Tonne geben, ist kein guter Handwerker. Punkt.

Wettbewerbe, Wettbewerbe, Wettbewerbe
Es gibt ja auch bei uns unzählige Wettbewerbe, die dafür sorgen, dass es kaum noch Köche ohne jede Menge von Auszeichnungen gibt. Das mag ja individuell vielleicht hilfreich sein, bringt aber für das Ganze wenig. So, wie viele Auszeichnungen vor allem dazu dienen, dem Auszeichnenden Publizität zu verschaffen, haben mich die Ergebnisse solcher Meisterschaften oder Wettbewerbe als Journalist kaum je interessiert – ich habe also auch nie darüber berichtet. Wenn ich irgendwo in einer Jury saß, haben mich die Leistungen außerdem oft ziemlich enttäuscht. Und dass man dann trotzdem im Gutachter-Stil noch viel Positives von sich gibt, ging mir regelmäßig gegen den Strich. In Spanien, beim Kongress „Lo mejor de la gastronomia“ kam es sogar einmal zu einem kleinen Skandal, weil die Jury für das beste Gericht mit Olivenöl – die Sprecher waren Quique Dacosta und ich – partout keinen Gewinner erkennen konnte, sondern die Leistungen einfach für schwach hielt. Und das bei einem Preis, bei dem es sehr viel Geld zu gewinnen gab. Martin Berasategui, der die Sache moderierte, war entsetzt und es kam zu heftigen Diskussionen zwischen ihm und Quique Dacosta. Es gab dann keinen ersten Preis…. Will sagen: wenn man konsequent vorgeht, kann so etwas passieren, und beim MOF-Wettbewerb in Frankreich geht es häufig so konsequent zu.

Das Ansehen steigt mit dem Anspruch
Wenn man darüber nachdenkt, ob man so etwas auch bei uns machen könnte oder sollte, muss der Gedanke im Vordergrund stehen, dass das Ansehen eines solchen Wettbewerbs mit dem Anspruch steigt. Dieser Anspruch sollte maximal sein, er sollte also in der Hand von Leuten sein, deren Ansehen als Professionals sehr hoch ist. Ich habe vor vielen Jahren schon einmal mit Eckart Witzigmann, Hans Stefan Steinheuer und anderen im Rahmen der Deutschen Akademie für Kulinaristik darüber diskutiert, und man war sich einig, dass so etwas für Deutschland ebenfalls eine gute Sache wäre. Man war sich auch einig, dass man – anders als in Frankreich – zusätzlich Fachleute einsetzen sollte, die von der Seite des Essens her an die Sache herangehen. Es ist bisher nichts daraus geworden, weil auch bei Preisen und Auszeichnungen in Deutschland am liebsten jeder sein eigenes Süppchen kocht und sein eigenes Geschäft im Auge hat.

Nicht zuletzt: die dringend notwendige Aufwertung der Handwerker
Es gibt einen wichtigen Aspekt, der mir persönlich bei einem solchen Wettbewerb sehr wichtig wäre, nämlich die Aufwertung des Handwerks und der Handwerker, die sich auch da befinden, wo keine Sterne und viele Punkte vergeben werden, die hervorragende Leistungen in der Regionalküche oder der bürgerlichen Küche erbringen und dafür in unserem System der Bewertungen nie wirklich belohnt werden. Sie sitzen in den „Maschinenräumen“ der großen Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen, sie kümmern sich um ein großes Publikum und weniger um die eigene Bewertung in den Führern. Und – die Besten von  ihnen wären sicherlich in der Lage, einen handwerklich orientierten Wettbewerb positiv abzuschließen, auch in fortgeschrittenem Alter, wie überhaupt ja auch in Frankreich der Wettbewerb nicht unbedingt eine Veranstaltung für Jungköche, sondern für gestandene, erprobte Kräfte ist, die schon viel hinter sich haben.

Wie könnte das Kind genannt werden?
Die mögliche und wichtige Frage nach einem Namen ist schwierig zu beantworten. Die Übersetzung des französischen Namens klingt spröde, und überhaupt muss man natürlich bei uns damit rechnen, dass jeder Titel mit „deutsch“ darin, völlig verkrampft diskutiert würde. Ich mache noch keinen Vorschlag, das hat erst einmal noch Zeit. Nur eines sollte klar sein: Jede Überlegung sollte unter Ausschluss aller Verbände, Organisationen aller Art und der Politik stattfinden. Immer wenn solche Instanzen beteiligt sind, stehen ihre Interessen im Vordergrund. Es sollte um die Sache gehen.

Fotos: www.meilleursouvriersdefrance.info

2 Gedanken zu „Warum wir auch so etwas wie einen „Meilleur Ouvrier de France“-Wettbewerb und -Titel haben sollten“

  1. Ich befürchte, daß am Ende des Tages wieder dieselben altbekannten Köpfe vorne stünden. Und ich kann mir durchaus vorstellen, wen Sie da im Kopf haben als Jurymitglieder da wird mir himmelangst.
    P. S.; Die schwarz-rot-gelben Kragen gab es schon in den Siebzigern – die haben beim Waschen die Kochjacke verfärbt. HiHi.

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  2. Sehr geehrter Herr Dollase,

    Ich finde Ihren Ansatz sehr gut, ich muss leider auch täglich miterleben wie Jungköche Größe schwächen beim traditionellen Handwerk haben, ich wäre sofort dabei wenn es so etwas in Deutschland geben würde. Vielleicht würde dann auch wieder mehr Wert der Ausbildung von unserem Nachwuchs gewibnet. LG

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