Zum Beispiel Quique Dacosta

In meinem Text vom 14. Mai mit dem Titel „Von Christo lernen!“ hatte ich auf verschiedene Perspektiven für Köche auch in einer Art künstlerischen Bereich im engeren Sinne hingewiesen. Auch Köche erzeugen schließlich Objekte, Bilder, Skizzen, Notizen und Konzepte.
Es gibt leider noch nicht besonders viele Beispiele dafür, wie am Ende dann zum Beispiel mögliche Ausstellungen aussehen könnte. Deshalb möchte ich hier ein paar Bilder einer Ausstellung des spanischen Drei-Sterne-Kochs Quique Dacosta in Valencia im Jahre 2015 nachliefern. Ich habe mit Absicht auch Bilder dazugenommen, die Dacosta in der Ausstellung zeigen, weil dann auch klar wird, wie gut sich der Meister optisch stilisiert hat und welche Ästhetik sich insgesamt entwickelt. Wer auch nur ein wenig von Image und Promotion versteht, wird das sofort registrieren.

Credits für die Bilder: Raquel Abulaila

Quique Dacosta
Zuerst ein paar Anmerkungen zu Dacosta. Der 1972 geborene Quique Dacosta gilt als Autodidakt, obwohl es wohl kaum einen Koch gibt, der über ein so massives Wissen in ganz verschiedenen Richtungen verfügt wie er. Während seine Arbeit von außen oft irgendwo in der Nähe von Adrià und Co. gesehen wird, ist sein Image in Spanien deutlich anders und zum Beispiel von einem Werk wie „Arroces Contemporáneos“ aus dem Jahre 2005 geprägt. Ich erinnere mich daran, dass ich diese unglaublich differenzierte und umfangreiche Arbeit rund um das Nationalprodukt Reis wie eine Art Doktorarbeit empfunden habe. Es war der Nachweis, dass man ohne eigentliche Kochausbildung und nur geschult durch verschiedene Arbeiten in sehr verschiedenen Restaurants aus eigenem Antrieb viele verschulte Köche locker hinter sich lassen kann.

Dacosta hat sicher auch davon profitiert, dass Rafael Garcia Santos, der Macher von „Lo mejor de la gastronomia“ in San Sebastian früh auf ihn gesetzt hat und ihn u.a. als Experten und Jurypräsidenten eingesetzt hat.
Er wurde durch diesen Dauereinsatz sehr schnell bei internationalen Kollegen und Journalisten bekannt.

Dazu habe ich eine kleine Geschichte: Ich war einmal mit Quique Dacosta Mitglied der Jury des Preises für das beste Gericht mit Olivenöl bei „Lo mejor de la gastronomia“. Wir saßen in den Katakomben des „Kursaals“ und probierten und waren nicht zufrieden. Ich habe in der Runde dann vor allem beklagt, dass man bei keinem Gericht ein wirkliches Feature für Olivenöl habe und man es eigentlich nie schmecken könne. Ich wäre dafür, keinen ersten Preis zu vergeben. Damit eckte ich bei den Veranstaltern – aus verständlichen Gründen – heftig an. Moderator Martin Berasategui kam unter die Bühne gerannt und war heftig aufgebracht. In diesem Moment übernahm Quique Dacosta nicht nur meine Verteidigung, sondern blies sozusagen ins gleiche Horn, und das sehr schnell, sehr laut und für mich in dieser Geschwindigkeit nicht nachvollziehbar. Man hat mir das dann zusammenfassend erklärt und gesagt, er habe extrem klar und hart die schwachen Leistungen in allen Details zerlegt… Es gab keinen ersten Preis. Will sagen: Dacosta vereinigt schon eine Menge sehr nützlicher Eigenschaften. Später hat er dann auch seinen ursprünglichen Chez Guevara-Look abgelegt und wurde zu einer Art Hipster-Koch-Vorbild.
Dass man ihn. Auf dem Plakat nur noch andeuten muss und schnell weiß, um wen es sich handelt, ist schon eine coole Angelegenheit.

Die Ausstellung
Die Ausstellung im „Museum der Aufklärung und Moderne“ (…was für ein Name…, ginge bei uns schon als Name nicht, weil bei uns dann sofort viele Leute meinen, sie würden für dumm gehalten und müssten „aufgeklärt“ werden…) fand im Jahre 2015 statt und wurde wegen des großen Erfolges um einige Monate verlängert. Der Titel öffnet einen sehr schönen Weg, der auch in diversen anderen Ländern mit einer ganzen Reihe von Köchen denkbar wäre. Er lautet „Paisatges Transformats“, also „Transformierte Landschaften“. Mit diesem Titel wird die Arbeit von Quique Dacosta perfekt beschrieben, weil er sich – wie mittlerweile viele spanische Köche – konsequent auf regionale Ressourcen und Traditionen bezieht und diese in einem avantgardistischen Verständnis weiter verarbeitet (also der Nova Regio-Ansatz).

Für eine Ausstellung eröffnet ein solches Thema natürlich auch synergetische Zusammenhänge. Es kann um die Produkte der Region und ihre Produzenten gehen. Es kann um traditionelle Gerichte gehen, die schon vor Urzeiten eine Rolle gespielt haben. Es kann um modernere Adaptionen gehen, die in den letzten Jahrzehnten eine Rolle gespielt haben und dann eben um jene äußerst originellen Interpretationen und „Inszenierungen“, wie Dacosta sie realisiert hat. Bei diesen Realisationen erschließt sich zudem bei ihm ganz ausgeprägt eine bildnerische Dimension. Dacosta hat heute für quasi jedes Gericht in seinem Restaurant einen anderen Teller und/oder eine eigens erarbeitete Präsentationsform. Auf seinem Instagram-Account finden sich dazu diverse Beispiele (die allerdings auch mit anderen Gerichten aus seinen anderen Restaurants vermischt sind). Unter früheren Arbeiten finden sich übrigens auch solche, die sich explizit an bekannten Kunstwerken/Architekturen orientieren, wie etwa ein Dessert im Stile des Architekten Frank Gehry.

In einer Ausstellung, in der die genannten Synergien zusammenkommen, könnte im übrigen der Zusammenhang zwischen der Region, den Produkten und den Interpretationen sehr viel besser erläutert werden, als das die üblichen Verweise auf lokale Produzenten o.ä. tun. Wenn etwa bei der neuen Berliner Szene oder der Neuen Bayerischen Küche über die Bezüge zum Umland geredet wird, gibt es vielleicht ein paar Bilder, aber keine wirklich präzise demonstrierten und didaktisch-methodisch sinnvoll entwickelten Zusammenhänge. Das wäre alles sehr gut möglich und könnte einen ganz erheblichen Verständnisgewinn bringen. Insofern sollte man die Bilder dieser Ausstellung und die möglichen Perspektiven einmal kreativ durchdenken.

2 Gedanken zu „Zum Beispiel Quique Dacosta“

  1. Hallo Herr Dollase, eine verdammt coole Sache, sinnvoll und notwendig. Ich sehe aber eine Gefahr : im Rahmen einer derartigen Werkschau wird das, was von einem Koch präsentiert wird, vorallem visuell präsentiert; durch Bilder, Graphiken, Texte, Filme etc. Diese optische Ausleuchtung eines Werkes finde ich problematisch in Zeiten, wo die Omnipräsenz des Bildes in der Hochküche uneingeschränkt dominiert. Beim Spitzenkoch essen, mal eben das smartphon draufhalten, Bildchen in soziale Netzwerke hochladen, fertig: Ein komplexer Teller verkommt zur optischen Attrappe, alle anderen Möglichkeiten der Interaktion zwischen Gast/Betrachter und Chef/Werk werden frühzeitig abgeblockt/unterbunden. Das führt zu einer Flut höchstattraktiver Bilder,mit deren Codierung sich keiner mehr beschäftigen möchte, zu uniformen Plagiaten in den Lokalen schwächerer Köche, die über den starken visuellen Reiz gar nicht mehr zu anderen Rezeptionsebenen vordringen.

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